Kirche geht .... Группа авторов

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stets geschichtlich und kulturell vermittelt. Aber wie soll das gehen?

      Für den Prozess der Neuformulierung und Validierung ihrer Botschaft und ihres Handelns kennt die Kirche aus ihrer Geschichte zwei Wege, die eng mit dem dazugehörigen Kirchenbild (vgl. LG 4) verknüpft sind: den diskursiven von unten nach oben (man denke an das Apostelkonzil in Apg 15,1–41) und den institutionellen von oben nach unten („Du bist Petrus, der Fels …“, Mt 16,18). Angesichts des fortschreitenden gesellschaftlichen Wandels und der damit einhergehenden Krise der Institutionen generell und der Institution Kirche im Besonderen scheint die dialogische Glaubensvergewisserung alternativlos, um den Anschluss nicht schon durch das Verfahren zu verlieren. Die frz. Religionssoziologin Danièle Hervieu-Léger nennt das „gemeinschaftliche Glaubensvalidation“ im Gegensatz zur vorherrschenden „institutionellen Glaubensvalidation“ (Hervieu-Léger 2004, 123 ff.).

      Um in der Terminologie Luhmanns zu bleiben: Kirche kann sich heute für die Validierung und Plausibilisierung ihrer Botschaft und ihres Handelns nicht länger des Kommunikationsmediums der „Macht“ bedienen (vgl. Bucher 2008, 274–291). Sie versucht es bis heute, wie die Entscheidung zur Kirchenzugehörigkeit im Zusammenhang mit der Kirchernsteuer erneut gezeigt hat. Sie hat jedoch das Macht- und Wahrheitsmonopol längst verloren: Es interessiert einfach niemanden mehr! Die einzige Chance, sich in einer pluralen emanzipierten Gesellschaft zu Gehör zu bringen und Anschlusskommunikation wahrscheinlicher zu machen, ist, die Sinnhaftigkeit der Botschaft in heutiger Zeit jenseits abgedroschener Formeln in differenzierter Weise dialogisch zu ermitteln und darzustellen. Dazu müssen die Akteure diese selbst erst wieder neu entdecken, also umkehren, hingehen und lernen. Das setzt Demut voraus.

       (2) Kriterium 2: Reformparadigma – langfristig, offensiv, missionarisch

      Die Kirche denkt in Jahrhunderten. Sie kommt aus einer langen Phase des Überschusses und der Massenproduktion. Auf dieser Folie folgen Kirchenreformen seit den 1980er Jahren einem festen Muster: Für eine schwindende Zahl von Gläubigen soll mit abnehmenden personellen und finanziellen Mitteln das überkommene Portfolio in traditionellen Bezügen möglichst flächendeckend aufrechterhalten werden. Die Reformen sind kurzfristig angelegt, defensiv motiviert und bleiben auf die Binnensicht beschränkt. Tradierte Produkte, nicht Bedürfnisse von Menschen sind das Kriterium. Der Mangel soll durch Zentralisierung, Konzentration und Verdichtung ausgeglichen werden.

      Dieser Reformansatz ist gescheitert. Der Abbruch generalisiert und beschleunigt sich. Die Reformzyklen werden immer kürzer, die Spielräume immer enger. Die Kluft zwischen Kirche und Gesellschaft wird immer weiter, die ungelösten Fragen immer grundsätzlicher. Der erforderliche qualitative Sprung wird immer größer und die Lösungsansätze werden im Gegenzug vielfach noch defensiver. Eine weitere Verdichtung ist sinnlos. Das bisherige Reformparadigma führt die Kirche ins gesellschaftliche Abseits.

      Kirchenreformen, die dem österlichen Sendungsauftrag (Mt 28,19) und den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gerecht werden, erfordern ein Reformparadigma, das langfristig-strategisch, offensiv-missionarisch und experimentellwirkungsorientiert angelegt ist. Der qualitative Sprung: Kirche muss (neu) lernen, sich von der Zukunft her zu denken, Veränderung und Entwicklung als zentrale und bleibende Aufgabe zu verstehen. Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, wie die Menschen heute für die Frohe Botschaft und für die Mitarbeit am Reich Gottes gewonnen werden können (vgl. Dessoy 2010 [a]).

       (3) Kriterium 3: Umweltstrategie – dialogisch, lebensweltorientiert, kleinräumig

      Systeme überleben, wenn sie in der Lage sind, nachhaltig Umweltreferenz herzustellen. Die Kirche hat immer wieder kulturelle Gegebenheiten und gesellschaftliche Impulse aufgegriffen und in die bestehende Systemlogik integriert. In den ersten Jahrhunderten wurde die christliche Botschaft in unterschiedlichste Kulturen eingetragen. Durch Kopplung mit der Umwelt, die Transformation von Bildern und Begriffen, durch Reflexion und Normierung entstand der Kanon und in der Folge die kirchliche Tradition.

      Durch fortschreitende Institutionalisierung und Traditionsbildung wurde der Spielraum für Variationen allerdings zusehends geringer. Exklusion und Assimilation entwickelten sich im Mittelalter zu den vorherrschenden Kommunikationsstrategien, um sich mit Unterschieden (Fremdheit) auseinander zu setzen und den erreichten Status Quo abzusichern.

      Inzwischen hat sich Gesellschaft emanzipiert. Die Exklusionsstrategie ist wirkungslos, die Assimilationsstrategie versagt angesichts der zunehmenden Differenzierung und Dynamik gesellschaftlicher Prozesse. Stattdessen findet „Exkulturation“ statt, eine „wachsende (Selbst-)Distanzierung von kulturellen, ästhetischen und sozialen Erfahrungsräumen und Ausdrucksformen der Menschen“ (Spielberg 2008, 76, 417).

      Kirche muss sich entscheiden, ob sie den Weg der Weiterentwicklung im Dialog mit der Gesellschaft gehen will oder den individualistisch und spirituell ausgerichteten Weg der Innerlichkeit und der Abgrenzung von Gesellschaft, der nicht selten doktrinäre Züge aufweist und in ein Nischendasein mündet. Kirchensysteme, die auf Dialog setzen, müssen realisieren, dass sie sich im Markt bewähren müssen, weil sich die Menschen in dieser Logik bewegen. Kirchliches Handeln (Botschaft, Kult, Praxis) muss dann auch – ähnlich, wie in der Frühzeit – dauerhaft und stetig kleinräumig und experimentell im Blick auf Lebenswirklichkeiten und ästhetischen Orientierungen transformiert werden.

      Mission geschieht an Hecken und Zäunen. Sie wird nur funktionieren, wenn die Kirche ihre Umweltstrategie von Exklusion und Assimilation auf Inklusion und Differenzierung umstellt (vgl. Lames 2012).

       (4) Kriterium 4: Produktstrategie – projekthaft, prototypisch, experimentell

      Ein System kann nicht zugleich maximal funktionieren und optimal lernen. Produktivität und Lernen verlaufen antizyklisch. Wenn ein System lernt, funktioniert es nicht (optimal). Es wird viel ausprobiert. Lösungen sind pragmatisch. Entscheidungen gelten für begrenzte Zeit und können revidiert werden. Fehler bzw. Störungen sind erlaubt und willkommen. Prozesse, Ergebnisse und Wirkungen werden kommuniziert und evaluiert.

      Ganz anders Systeme im Zustand hoher Funktionsfähigkeit, im Status der Massenproduktion: Output ist das Kriterium. Es liegen Routinen vor, die effizienzoptimiert sind. Störungen und Fehler sind lästig, müssen abgestellt werden. Am Fließband gibt es keine Möglichkeit, zurückzutreten, zu reflektieren, zu kommunizieren oder gar Änderungen vorzunehmen.

      Die Kirche tut alles, um genau in diesem Modus zu bleiben. Wie soll sie da lernen? Die Prioritäten müssen neu justiert werden: Nicht Produktion und deren Steuerung, Innovation und Entwicklung werden gebraucht. Mindestens 2/3 der verfügbaren Ressourcen sind in die Gestaltung von Lern- und Entwicklungsprozessen zu investieren, die geeignet sind, bestehende Routinen zu stören, produktive Unterschiede hervorzubringen und Neukunden zu gewinnen. Die Pastoral der Zukunft ist experimentell: Ästhetische Differenzierung des Portfolios, innovative Projekte und prototypisches Arbeiten sind gefordert. Mit den Worten von Linus Pauling, dem zweimaligen Nobelpreisträger: „To have a good idea, you must have lots of ideas”.

      Hierfür braucht es angemessene Lernarchitekturen, die Räume bereitstellen, in denen methodisch fundiert in einem geschützten Rahmen kreativ-divergent gedacht und systematisch experimentiert werden kann. Feedback-Schleifen dienen dazu, Wirkungen kontinuierlich zu evaluieren. Qualifizierte Entscheidungsprozesse stellen sicher, dass die Ergebnisse von Suchprozessen nicht versanden und gefundene Lösungen implementiert werden (vgl. Dessoy 2012 [b]).

       (5) Kriterium 5: Sozialgestalt – dezentral, lose gekoppelt, multistabil

      Komplexe, dynamische Umwelten erfordern Strukturen,

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