"... damit eure Freude vollkommen wird!". Sebastian Kießig
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Die Milieustudie von 2013, die Glaube und Religion der Gesamtbevölkerung untersucht, kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Milieus immer weiter ausdifferenzieren. Die Zusammengehörigkeit von Glaube, Religion und Kirche, die „in ihrer traditionellen Gestalt Rückhalt, Orientierung und Struktur“ geben und „für soziale Einbettung“38 sorgen, kennzeichnet (nur) noch die schrumpfenden Milieus der ‚Konservativ-Etablierten‘ (10 Prozent), der ‚Traditionellen‘ (15 Prozent) und eines Großteils der ‚Bürgerlichen Mitte‘ (14 Prozent).39 Doch selbst in ihnen gilt „die traditionelle (volkskirchliche) Frömmigkeit“ weitgehend als „unzeitgemäße, unkritisch-naive Haltung“40. Insgesamt hat sich „der Glaube individualisiert“ und ist „nicht an die katholische Religion und Kirche gebunden“41; gerade „in den jungen und unterschichtigen Milieus spielen Glaube und Religion im Alltag häufig gar keine Rolle mehr“42.
Diesen Befund bestätigt auch die jüngste Jugendstudie aus dem Jahr 2016, die zu dem Ergebnis kommt, dass sich die Mitgliedschaft in einer Glaubensgemeinschaft „in der Regel aus der familiären Tradition“43 begründe und in den wenigsten Fällen mit einer „,bewussten‘ Entscheidung“44 verbunden sei. Ausschlaggebend für eine Verwurzelung in der Kirche seien in erster Linie der direkte Kontakt mit ihren Angeboten sowie die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten:
Das Engagement in der Jugendarbeit und der Freundeskreis haben einen positiven Einfluss auf den Verbleib in der Glaubensgemeinschaft. Vor allem in traditionellen und bürgerlichen Lebenswelten tragen konkrete Gemeinschaftserfahrungen in der Jugendkirche dazu bei, der Glaubensgemeinschaft treu zu bleiben. Konservativ-Bürgerliche Jugendliche formulieren eindeutig, dass sie Mitglied der Kirche bleiben, solange sie weiter an den Gottesdiensten teilnehmen.45
Zugleich sei innerhalb der Beziehungen von Jugendlichen eine große religiöse Heterogenität festzustellen, wobei man die Religionszugehörigkeit kaum eine Rolle spiele; oftmals kenne man diese gar nicht genau und tausche sich kaum darüber aus: Religion und Glauben gehören nicht zu den Themen, über die man im Alltag viel mit seinen Freundinnen oder Freunden spricht oder für die man sich besonderes interessiert, auch wenn die Freundinnen oder Freunde einer anderen Glaubensgemeinschaft angehören.46
4. Die Kommunikabilität von Religion und Religiosität
Neben den pluralen Erscheinungsformen jugendlicher Religiosität sowie der verbreiteten Entfremdung von der Institution Kirche und einem kirchlich verfassten Glauben zugunsten einer individualisierten Religiosität soll hier von einem weiteren empirischen Befund die Rede sein, der für das Verhältnis von Jugend und Kirche – näher: für die Kommunikation zwischen Jugendlichen und Kirche – bedeutsam ist: der Bedeutung von Sprache. Die Fremdheit religiöser Sprache ist seit den siebziger Jahren ein Dauerthema innerhalb der Religionspädagogik. So moniert etwa Erich Feifel bereits 1970:
Was heute in die Augen fällt, ist eine wachsende Diskrepanz zwischen Kirchensprache und Volkssprache, die sich in einem veralteten Wortschatz ebenso ausdrückt wie in einer dozierenden Selbstgefälligkeit und in der zur Schau gestellten Vertraulichkeit vorgeformter Sprachklischees.47
Ähnlich kritisch äußert sich auch Hans Zirker 1972: „Das meiste, was wir in christlicher Verkündigung hören, sind verbale Variationen, wenn nicht gar Repetitionen altbekannter Themen.“48 Neben dieser Inhaltsleere kritisiert er auch die „Erfahrungsferne“, die sich in „floskel-, klischee- und jargonhaften Redeweisen“49 manifestiere.
Auch gegenwärtig reißt die Diskussion um den religiösen Sprachverlust nicht ab. 2011 legte Stefan Altmeyer mit seiner Habilitationsschrift „Fremdsprache Religion?“ eine empirische Erhebung zum „konkreten Sprachgebrauch im Kontext von Glaubenspraxis und religiöser Bildung“50 vor. Altmeyer distanziert sich von der „generelle[n] Defizitdiagnose des Sprachverlusts der Religion und der religiösen Sprachlosigkeit der Menschen“ und modifiziert diese Diagnose. Seine Analysen ergeben, dass Jugendliche „nur mehr in sehr eingeschränktem Maß von biblisch geprägter Sprache und theologischen Begriffen Gebrauch“ machen, sie aber sehr wohl „über eine Sprache für Gott und eine Sprache, in der sie zu Gott sprechen können“51, verfügen. Was diese Sprache kennzeichnet, beschreibt Altmeyer wie folgt:
„Gott wird vor allem mit Hilfe allgemeiner positiver Erfahrungskategorien beschrieben, die ihn in Beziehung zum eigenen Leben verorten. Zugleich aber ist dieser Gott abstrakt und – mit Ausnahme der Gebete – ohne konkrete personale Züge. Eine Bezugnahme auf Jesus Christus fehlt daher fast völlig.“52
In diesem Befund spiegeln sich die Ergebnisse der vorangehend genannten empirischen Studien. Die christlich religiöse Sprache gibt es, wenn man den konkreten Sprachgebrauch Jugendlicher betrachtet, ebenso wenig wie das christliche Gottesbild, wenn man ihre Gottesvorstellungen und Religiosität betrachtet. Die wachsende Distanz zur Kirche und ihren Traditionen sowie zum kirchlich verfassten Glauben geht einher mit einer individualisierten, von Unsicherheiten begleiteten Suche nach einer eigenen Religiosität und einer erfahrungsbasierten religiösen Sprache.
5. Fazit und Konsequenzen
Das also sind wesentliche Kennzeichen der veränderten sozioreligiösen Situation und der Religiosität Jugendlicher am Beginn des 21. Jahrhunderts: Zusehends schwindet die Gruppe derer, die an einen personalen Gott glauben; im Zuge dessen wächst gerade unter jungen Menschen eine größere religiöse Heterogenität, die bei vielen zu einer Unsicherheit in Fragen des Glaubens führt. Parallel dazu ist bei einem Großteil der Jugendlichen eine Distanz zur Kirche zu verzeichnen; weite Teile werden durch sie gar nicht mehr erreicht; trotz Sakramentenempfang fühlen sich nur wenige der Kirche persönlich verbunden. Diese Kirchendistanz geht einher mit einer Distanz zur dort gesprochenen Sprache; Jugendliche sind keineswegs sprachlos, wenn es um Religiosität geht, jedoch sprechen sie eine andere – eher eine religiöse „Suchsprache“ als eine „Besitzsprache“53 – und lehnen die im kirchlichen Bereich gesprochene Sprache oftmals ab, da sie ihnen unverständlich und erfahrungsfern ist.
Worauf wird es also ankommen, wenn es darum geht, junge Menschen, ihren Glauben und ihre Einstellungen ernst zu nehmen? Wie kann der mit der Jugendsynode angestrebte Dialog zwischen Papst Franziskus und den Jugendlichen gelingen? Im Hinblick auf die vorangehenden Ausführungen scheinen dabei drei Aspekte zentral, die abschließend ausgeführt werden:
a) Ernstnehmen der religiösen Heterogenität
Die genannten Studien zeigen: Getauft zu sein, bedeutet nicht zwangsläufig, mit dem kirchlich verfassten Glauben vertraut zu sein und ein christliches Gottesbild zu haben. Zunächst einmal wird es also darauf angekommen, die religiöse Heterogenität zu berücksichtigen.
Der Fragebogen lässt durchaus Ansätze einer Wahrnehmung dieser Heterogenität erkennen: So bietet etwa die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft („Gehörst Du einer Religionsgemeinschaft an?“) nicht nur die Antwortmöglichkeiten „Ja, der katholischen Kirche“, „Ja, einer anderen christlichen Konfession“, „Ja, einer nicht-christlichen monotheistischen Religionsgemeinschaft“, „Ja, einer anderen Religionsgemeinschaft“54, sondern zur Auswahl stehen