"... damit eure Freude vollkommen wird!". Sebastian Kießig

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solche Trends stärkt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe und die Abgrenzung zu Außenstehenden. Auch im religiösen Bereich gibt es solche einheitsstiftenden Phänomene, wozu etwa Weltjugendtage und die erlebte Gemeinschaft in Taizé gehören.13

      Diese fünf Dynamiken überlappen einander und bedingen sich gegenseitig. Für die nachfolgenden Überlegungen zentral sind vor allem die Individualisierung und die Pluralisierung14, da diese fundamental die Religiosität heutiger Jugendlicher betreffen.

      Welchen Einfluss diese allgemein gesellschaftlichen Prozesse für gegenwärtig aufwachsende Kinder und Jugendliche haben, haben die deutschen Bischöfe 2005 in ihrem Dokument „Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen“ realistisch beschrieben. Darin nehmen sie die „veränderte religiöse Situation der Kinder und Jugendlichen“15 gezielt in den Blick. Unumwunden konstatieren sie, dass eine wachsende Zahl Heranwachsender „kaum noch Erfahrungen mit gelebtem Glauben“16 macht, dass in der familiären religiösen Erziehung der Kinder und Jugendlichen „Glaubensunsicherheiten und religiöse Sprachlosigkeit eine wichtige Rolle spielen“17 und es eine gesellschaftlich „weit verbreitete Distanz zu Glaube und Kirche“18 gibt. Was den Kontakt zur Gemeinde betrifft, so wissen die Bischöfe darum, dass dieser bei den meisten Kindern und Jugendlichen nur punktuell stattfindet und somit „der Religionsunterricht in der Schule der wichtigste Ort der Begegnung mit dem christlichen Glauben“19 ist. Zugleich nehmen sie gesellschaftliche Prozesse einer religiösen Pluralisierung und Subjektivierung wahr, mit Heranwachsende konfrontiert werden.20

      Dass diese von den Bischöfen nur skizzenhaft dargestellten gesellschaftlichen Phänomene eine durchaus realistische Einschätzung der Gegenwartssituation darstellen, lässt sich mittels aktueller empirischer Studien belegen und systematisieren. Drei miteinander in Beziehung stehenden Phänomenen soll hier näher Beachtung geschenkt werden: den Merkmalen der Religiosität im Jugendalter, dem Verhältnis von Jugend und Kirche und schließlich der religiösen Sprache Jugendlicher.

      2. Die gewandelte Religiosität der Jugendlichen

      Rahmendaten zur Religiosität heutiger Heranwachsender bieten die Shell-Jugendstudien, die seit 1953 in unregelmäßigen Abständen erscheinen und Auskunft geben über Stimmungen, Haltungen und Einstellungen Jugendlicher. Die 15. Shell-Studie von 2006, die sich intensiv mit jugendlicher Religiosität beschäftigt, kommt zu dem Ergebnis, dass etwa die Hälfte aller Jugendlichen im Alter von zwölf bis 25 Jahren religiös im weiteren Sinne ist. Insgesamt – so das Ergebnis der Studie – glauben 30 Prozent der Heranwachsenden an einen persönlichen Gott (Gruppe der Gottesgläubigen), 19 Prozent gehen von der Existenz einer überirdischen Macht aus (Gruppe der kirchenfern Religiösen), während 23 Prozent glaubensunsicher sind und 28 Prozent weder an einen persönlichen Gott noch an eine überirdische Macht glauben (Gruppe der Religionsfernen). Unter katholischen Jugendlichen gibt es eine größere Gruppe an Gläubigen: 41 Prozent glauben an einen persönlichen Gott, 22 Prozent an eine überirdische Macht.21

      Die Shell-Studie von 2010 erhebt den Befund einer sinkenden Religiosität unter Jugendlichen – gerade auch unter Mitgliedern der katholischen Kirche: Von den katholischen Jugendlichen werden noch 32 Prozent zu den Gottesgläubigen und 22 Prozent zu den kirchenfern Religiösen gerechnet.22

      Wie vielschichtig und plural die Religiosität Jugendlicher ist, zeigt auch die 2003 publizierte empirische Studie „Religiöse Signaturen heute“, deren Autoren – die Würzburger Religionspädagogen Hans-Georg Ziebertz, Boris Kalbheim und Ulrich Riegel – fünf Typen religiöser Orientierung ermitteln.23 In einer Weiterentwicklung der Studie von 2010 kommt Ziebertz zu dem Ergebnis, dass etwa 15 Prozent der Jugendlichen zum christlich-kirchlich religiösen Typus gehören. Ihr Glaube ist im Wesentlichen „der offenbarte Glaube, wie ihn die Kirche lehrt“24. Davon unterscheidet er den Typus der christlich orientierten Religiosität, dem etwa 25 Prozent der Jugendlichen angehören. Ihre Religiosität zeichnet sich aus durch eine kirchlichchristliche Prägung bei gleichzeitiger Betonung des Anspruchs „auf religiöse Autonomie“25. Die restlichen 60 Prozent der Jugendlichen werden zu gleichen Teilen dem religiös unbestimmten, dem funktional religiösen und dem nicht-religiösen Typus zugeordnet. Die Gruppe der religiös Unbestimmten hat kein biblisch-christlich geprägtes Gottesbild. Für sie gilt: „Wenn es Gott gibt, dann ist Gott eine Chiffre für eine ‚höhere Macht‘ oder ‚kosmische Energie‘, die dem Menschen absolut transzendent gegenübersteht. Und zugleich ist Gott etwas tief in einem selbst.“26 Die Funktional-Religiösen dagegen zweifeln stark daran, „ob das mit Gott und der Religion überhaupt wahr sein kann“27. Dennoch lehnen sie die Kirche nicht völlig ab, sondern bedienen sich an ihr und ihren Ritualen, etwa durch die Teilhabe an Sakramenten. Anders verhält sich die Gruppe der Nicht-Religiösen. Diese lehnt Religion dezidiert ab, distanziert sich von der Kirche und vom kirchlichen Leben und hat kein Interesse an religiösen Themen.28

      Auch wenn diese Ergebnisse, die auf Erhebungen an Gymnasien in Unterfranken basieren, nicht deutschlandweit repräsentativ sind und die Verteilung der religiösen Typen mutmaßlich anders ausfiele, wenn man andere Regionen Deutschlands und andere Schulformen berücksichtigte, so lässt sich immerhin festhalten, dass nur noch ein relativ geringer Prozentsatz der Jugendlichen klassisch kirchlich religiös geprägt ist und im gleichen Zug die Vielfalt an religiösen Einstellungen wächst. Allgemein gilt: „Jugendliche sind zwar nicht nicht religiös, aber durchaus kirchenfern!“29 Diese meist kirchenferne religiöse Heterogenität ist im Dialog zwischen Jugendlichen und Kirche zu berücksichtigen.

      3. Jugend und Kirche

      Die genannten Befunde deuten es bereits an: Kirche und kirchlich verfasster Glaube verlieren zusehends an Einfluss auf Jugendliche, wenn es um die Ausprägung einer religiösen Identität geht. Werden junge Menschen direkt nach der Bedeutung der Kirche für ihr Leben gefragt, so fallen die Antworten insgesamt recht negativ aus.

      So wurde im Rahmen der Shell-Studie von 2006 ermittelt, dass die Kirche zwar allgemein als wichtig erachtet wird: 69 Prozent der Jugendlichen im Alter von zwölf bis 25 Jahren bejahen die Aussage „Ich finde es gut, dass es die Kirche gibt“30. Nahezu genauso groß (68 Prozent) ist jedoch die Zahl derer, die angibt, Kirche müsse sich ändern, „wenn sie eine Zukunft haben will“31. Geht es um die Bedeutung von Kirche für einen selbst, so stimmen 65 Prozent der Aussage zu: „Die Kirche hat keine Antworten auf die Fragen, die mich wirklich bewegen“32.

      Noch deutlicher dokumentieren die Sinus-Milieustudien die schwindende Beheimatung Jugendlicher in der Kirche. Bereits 1978 wurde das Sinus-Institut gegründet, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, mit Hilfe der Parameter der sozialen Lage und grundlegender Wertorientierungen eine Typologie jeweils aktueller gesellschaftlich vorhandener Lebensstile zu entwickeln. Im Auftrag des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und des Bischöflichen Hilfswerks Misereor erschien 2007 erstmals eine Studie, die sich speziell der Lebenswelt katholischer Jugendlicher zwischen neun und 27 Jahren widmet. Als eines der zentralen Ergebnisse halten die Sinus-Forscher fest, dass kirchliche Jugendarbeit nur drei bis vier von insgesamt zehn Jugendmilieus erreicht: die ‚Traditionellen‘ (4 Prozent aller katholischen Jugendlichen), die ‚Bürgerliche Mitte‘ (14 Prozent), Teile der ‚Postmateriellen‘ (6 Prozent) und vereinzelt die ‚Konsum-Materialisten‘ (11 Prozent).33 Der Großteil der Jugendlichen lässt sich dagegen für kirchliche Jugendarbeit gar nicht erst gewinnen:

      Die quantitativ größten Milieus (Moderne Performer und Hedonisten: auch Experimentalisten), die zusammen 65% der Jugendlichen ausmachen, werden nicht oder nur singulär erreicht.

      „Zwischen der katholischen Jugendarbeit (bzw. seines Images: seiner Ausstrahlung) und den großen jugendlichen Lebenswelten gibt es einen großen Graben.“34

      Folgestudien des Sinus-Instituts – die Jugendstudien von 2012 und 2016 sowie die

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