Abenteuer Musik. Clemens Kühn
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Kinder leben das noch unverfälscht, sie spielen mit größtem Ernst und ungeteilter Hingabe; sie erfahren darin die Welt. Ein Fußballspiel wäre dümmlich, würden nur 20 Personen hinter einem Ball herlaufen – es setzt menschliches Handeln um, und das begründet seine Faszination: Leidenschaft, Einsatz, Scheitern, strategisches Denken, Kämpfen, Durchhalten, Zusammenwirken. Von Anforderungen des Schachspiels muss man nicht lange reden. Das Skatspiel hat es geschafft – man liest es mit Staunen –, 2016 in die deutsche Liste des »immateriellen Kulturerbes« aufgenommen zu werden. »Mensch ärgere dich nicht«, unverwüstlich, ist nicht ohne Grund immer noch eines der beliebtesten Familienspiele.
Auf Seiten der Musik wiederum prägt »Spielen« viele Werke, aber in einem Typus geht es vollends auf: im Menuett. Dass es innerhalb einer Sonate durchweg weniger Beachtung erfährt als die anderen Sätze, ist umso erstaunlicher, bringt es doch diese besondere Haltung ein: Das Menuett repräsentiert geist-reiches Spiel.
Der Meister des klassischen Menuetts ist Joseph Haydn, in seinen Streichquartetten [Kompositionen für vier Streichinstrumente], Klaviersonaten, Sinfonien [mehrteilige Orchesterwerke]. Äußerlich verlaufen alle vollständigen Menuette gleich, in drei großen Teilen, die in sich erneut dreiteilig sind: Menuett – Trio – Menuett, wiederholt. Doch inhaltlich ist jedes Menuett besonders. Haydns Tanzsätze sind von einem schier unerschöpflichen Erfindungsreichtum, geistvoll, elegant, mit Witz und Überraschungen. Einen Satz möchte ich skizzieren:
3 Melodien gehen ins Herz, Rhythmus geht in den Körper
Ganz anders Beethovens Fünfte Sinfonie. Verschiedene Versionen ihres Anfangsmottos sind im folgenden Beispiel nebeneinandergestellt:
Version (a) ist das Original; (b) macht aus dessen Fall einen Schritt; (c) fällt tiefer als a; (d) schreitet nach einmal Tonwiederholung abwärts, (e) schreitet nach einmal Tonwiederholung aufwärts. Später folgen noch andere Fassungen. Jeder Hörer wird sie als verwandt wahrnehmen, ohne die skizzierten Unterschiede im Detail zu registrieren, dazu gehen die Figuren zu schnell vorbei. Doch kein Hörer wird – anders als bei der Siebten Sinfonie – versucht sein, die verschiedenen Gestalten singen zu wollen.
Ein eigentümliches Notenbild ergäbe sich, beherrscht von immer »derselben« Figur, würde man für den ganzen Satz lediglich ihre rhythmische Gestalt notieren; hier eine Stelle, wo sie zweimal von oben nach unten durch die Streichinstrumente wandert:
Im ersten Satz von Beethovens Fünfter Sinfonie hat die Kraft des Rhythmischen den Hörer im Griff. Eigentlich ist es kaum zu glauben: Eine einzige rhythmische Idee, die für sich genommen noch nicht einmal originell ist, durchzieht und verklammert nahezu den ganzen Satz. Der Grundrhythmus der Anfangsidee ist das Bindeglied sämtlicher weiterer Fassungen: Identischer Rhythmus kann aus unterschiedlichen melodischen Verläufen das »Gleiche« machen.
Eine Musikliebhaberin sagte einmal, beim zweiten Satz, dem Adagio [langsam], von Beethovens Fünftem Klavierkonzert bekomme sie Gänsehaut. Auf die Frage, was daran sie berühre, gab sie die so schlichte wie musikalisch treffende Antwort: »die Melodie, der Klang«. Melodie bringt Emotion, Rhythmus stimuliert. Sie können das an sich selbst überprüfen.