Abenteuer Musik. Clemens Kühn

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Abenteuer Musik - Clemens Kühn

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rel="nofollow" href="#fb3_img_img_010733a1-82f3-554b-9f20-c38b9341a54e.jpg" alt=""/>. Linke und rechte Hand können Sie natürlich auch vertauschen, wenn Ihnen das angenehmer ist.

      Erst danach hören Sie sich den zweiten Satz des Sacre an, Danse des adolescentes. Sie hatten seine anfängliche Rhythmik umgesetzt: Das rhythmisch immergleiche entspricht den Streichern, die Akzente den acht (!) Hörnern, die verdoppelten Schläge den Fagotten [tiefe Holzblasinstrumente]. Gegenüber unberechenbaren rhythmischen Ausbrüchen kennt der Sacre auch die andere Seite: die Wucht gleichbleibender Bewegung.

      Dass »Takt« auch auf weniger drastische Weise ausgehöhlt werden kann, zeigt Musik der Romantik. Robert Schumanns Impromptu (1838), Nr. 9 der Albumblätter op. 124 für Klavier, ist aus vier Stimmen gewebt. Hier sind, untereinandergestellt, die rhythmischen Anfänge der vier Stimmen von oben nach unten:

      Die rhythmischen Zutaten selbst sind simpel. Es kommen nur vor: Achtel allein, zu zweit, zu dritt; Achtel an Achtel gebunden, mit der Dauer also eines Viertels; sowie Viertel. Ihre Taktart jedoch ist völlig unklar. Schumann notiert einen Dreivierteltakt, aber niemand hört ihn, weil alle Stimmen konsequent gegen den Takt gestellt sind. Der »Dreiviertel«-Takt hat keine musikalische Bedeutung – er kippt eher in einen »Sechsachtel«-Takt um –, sondern ist allenfalls eine optische Begrenzung und Lesehilfe. Musikalisch gemeint ist ein vom Takt gelöstes freies Fließen.

      Am Ende muss vermittelt werden. »Melodie« und »Rhythmus« agieren keineswegs unabhängig voneinander. Dafür zwei eindrucksvolle Beispiele: Der französische Komponist Charles Gounod (1818–1893) schrieb ein Ave Maria. Bei vielen ist es als kitschig verpönt – zu Unrecht: Kitschig ist nicht das Stück selbst, sondern Kitsch wurde es durch das, was aus ihm gemacht wurde. Gounod hatte den genialen Einfall, in dem rhythmischen Gleichlauf von Bachs oben zitiertem C-Dur-Präludium eine Melodie zu entdecken. Sein Ave Maria macht sie hörbar, indem es Hochtöne des Präludiums zu einer Melodie formt, ergänzt um Töne aus der Mitte der Figurationen. Das folgende Notenbeispiel zeigt exemplarisch den Beginn des Ave Maria, darunter Bachs Präludium, vereinfacht notiert, die entsprechenden Töne im Präludium umkreist.

      Richard Wagner sagte über Bachs C-Dur-Präludium, in dessen »Kontinuität« liege etwas, »dem man nicht müde wird zu folgen, wie man einem Strom endlos zusehen kann.« Der »Strom« ist ein Bild für eine zäsurlose, wie unbegrenzt weiterfließende, von gleichförmigen Gliederungen freie Melodie. Wagner hatte sie in seiner Schrift Zukunftsmusik (1860) als unendliche Melodie gepriesen. Er sah dieses Ideal bei Bach vorgebildet. »Die unendliche Melodie ist da prädestiniert«, namentlich im Wohltemperierten Klavier, und dies habe ihn kompositorisch nachhaltig beeinflusst: »Das hat mir meinen Duktus gegeben, […] das hat mich bestimmt. Das ist unendlich! So etwas hat keiner wieder gemacht.« Die Zitate Wagners folgen Tagebucheintragungen seiner Frau Cosima. Was für eine grandiose Vorstellung: Bachs Bewegungen als Inbegriff von Melodie. Hören Sie sich zum Beispiel den Einleitungssatz von Bachs Matthäus-Passion an und das Vorspiel zu Richard Wagners Oper Tristan und Isolde. Die Kombination ist gewagt, da die Werke unvergleichbaren Welten und Sprachen zugehören, der Kirche und dem Theater, und doch lässt ihr Nebeneinander Entscheidendes erleben: Musikalisches Strömen hier wie dort. Unscharf wird, wer den Vorrang hat: Melodik, Rhythmik, Harmonik, alles geht ineinander auf. Zurück bleibt ein Eindruck von Größe und Unbegrenztheit.

      4 Wenn Musik sich mit anderem verbindet

      Zum Komplex »Musik und …« schrieb Helga de la Motte-Haber drei umfängliche, tiefschürfende Bücher: Musik und Bildende Kunst (1990), Musik und Religion (1995), Musik und Natur (2000). Die folgenden wenigen Seiten müssen bescheidener sein. Sie greifen drei Bereiche heraus – Sprache, Architektur, Mathematik – und richten kleine Scheinwerfer darauf, wie Musik mit ihnen zusammengeht. Die Scheinwerfer möchten versuchen, etwas einzufangen von dem Faszinierenden solcher Brückenschläge.

       Sprache

      Eine schwierige Frage: Wie würden Sie »Musik« definieren, objektiv, aber auch möglicherweise für Sie selbst?

      Ich zitiere Textanfänge aus sechs Musiklexika, ohne sie weiter zu kommentieren; in Klammern steht das Erscheinungsjahr. »Musik« ist …

      die Kunst des Vortrags, bestehend aus Gesang und Ton. Und sie ist dreifach, Kunst des Gesanges, der Instrumente und des Rhythmus (1495!),

      die Ton-Kunst, die Wissenschaft wohl zu singen, zu spielen, und zu componiren (1732),

      die Kunst, durch Töne Empfindungen auszudrücken (1802),

      die Kunst, welche ihr Gebilde aus dem flüchtigen, schnellvergänglichen Element der Töne formt und daher bezüglich des Materials in dem denkbar größten Gegensatze zur Architektur steht (1922),

      die Kunst, das von der Natur gegebene Tonmaterial auswählend so zu ordnen und zu begrenzen, dass es […] mit künstlerisch konzipierten Formeln (Stilmitteln) den Eindruck einer einheitlichen Form vermittelt (1962),

      die produktive Gestaltung des Klingenden (1989).

      Die herangezogenen Lexika setzen je eigene Akzente. Ein Blickwinkel hat sich dagegen immer gehalten: Dass instrumentale Musik, die keine Sprache hat, selbst eine Sprache sei, ist eine alte Überzeugung. Johann Mattheson definierte 1739 die Sprachähnlichkeit von Musik mit dieser Gleichsetzung: Instrumentalmusik sei eine »Ton-Sprache und Klang-Rede«. Als Sprache in Tönen entspricht sie in ihrer musikalischen Grammatik der Wortsprache, als Rede in Klängen entspricht sie in ihrem Ablauf einer sprachlichen Rede. »Der musikalische Vortrag«, schreibt Johann Joachim Quantz 1752 in seinem Lehrbuch Versuch einer Anweisung die Flöte traversière zu spielen, »kann mit dem Vortrag eines Redners verglichen werden«, »ein Redner und ein Musikus« verfolgten dieselbe Absicht, »nämlich: sich der Herzen zu bemeistern, die Leidenschaften zu erregen oder zu stillen, und die Zuhörer bald in diesen, bald in jenen Affect zu versetzen.«

      Musik kann sogar, mit ihren sprachlichen Mitteln, Sprechsituationen nachahmen. Die klassische Form dafür ist das Streichquartett [Komposition für vier Streichinstrumente]. Geadelt wurde es durch Goethes Ausspruch von »vier vernünftigen Leuten«, die sich darin »untereinander unterhalten«, sodass man »glaubt, ihren Diskursen etwas abzugewinnen«. Im Anfangssatz von Beethovens Streichquartett B-Dur op.

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