Geist & Leben 2/2017. Christoph Benke

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Ranft ist sowohl ein geografisch definierbarer Raum wie die Bezeichnung für einen Sehnsuchtsort, der letztlich irgendwo sein kann. Diesem Bedürfnis nach Stille tragen viele Kirchen und spirituelle Orte Rechnung und bieten spezielle Räume der Stille an, die nicht selten den Namen „Ranft“ tragen oder auf andere Weise mit Niklaus von Flüe verknüpft werden.

      Unio mystica in der Pilgervision

      In einer der drei großen Visionen hört Bruder Klaus eine Stimme, die die Gegend und das Erdreich füllt, und alles, was zwischen Himmel und Erde ist. Es kam aus einem Ursprung und kehrte an einen Ort zurück. „Er hatte drei vollkommene Worte gehört, von denen keines das andere berührte, und er konnte doch nur von einem Wort sprechen.“ Demselben Besucher, den wir als Autoren des Pilgertraktats kennen, verriet er, dass Gott, – er erwähnte dies im Zusammenhang mit der geweihten Hostie –, „in jedem Partikel“ mit seiner Allmächtigkeit vollkommen sei.

      Dies ist kein Zitat eines Genforschers, der uns über neuste Erkenntnisse in der DNA-Analyse informiert, es stammt von einem Bauern vom Flüeli, der dort vor 600 Jahren auf die Welt kam. Gott ist überall und im kleinsten Partikel so vollkommen wie im ganzen Universum gegenwärtig. Er setzt damit dem mechanischen Welt- und Gottesbild des Mittelalters ein dynamisches Welt- und Gottesbild entgegen, das an Modernität bis heute unübertroffen ist: „Da erkannte er [Niklaus von Flüe] an ihm solche Liebe, (…) dass er in sich geschlagen war, und erkannte, (…) dass die Liebe in ihm war.“24 So lautet in der Pilgervision der entscheidende Satz, der im Kontext christlicher Mystik als unio mystica, als mystische Vereinigung mit Gott bezeichnet wird. In dieser Vision begegnet er der Kraft der Liebe. Die Kernaussage ist so einfach wie umwerfend: Gott liebt den Menschen. Diese Erfahrung gibt er auch an uns weiter.

      1 Die Quellentexte von und zu Niklaus von Flüe liegen in drei gewichtigen Bänden mustergültig ediert und kommentiert vor: R. Durrer, Bruder-Klaus. Die ältesten Quellen über den seligen Niklaus von Flüe, sein Leben und seinen Einfluss. Sarnen 1917 – 1921 [unveränderter Nachdruck 1981] sowie P. R. Amschwand, Bruder Klaus. Ergänzungsband zum Quellenwerk von R. Durrer. Sarnen 1987. Die Zitate zu seinem Tode siehe R. Durrer, 393 ff.

      2 H. Stirnimann, Der Gottesgelehrte Niklaus von Flüe. Drei Studien. Freiburg i.Ue. 1981, 71 – 140 sowie zu den Quellentexten P.R. Amschwand, Quellenwerk, 208–217 [s. Anm. 1].

      3 H. Stirnimann, Gottesgelehrte, 95 [s. Anm. 2].

      4 Siehe P.R. Amschwand, Quellenwerk, 216 [s. Anm. 1].

      5 Ebd., 212.

      6 H. Stirnimann, Gottesgelehrte, 74 [s. Anm. 2].

      7 Ebd., 74 ff. Ich verwende für beide Varianten die Fassung des katholischen Weltkatechismus, da es mir nur um die Struktur der Bitten geht.

      8 Nach H. Stirnimann, Gottesgelehrte, 81 [s. Anm. 2] mit Bezug auf K. Ruh, Das Reimgebet des Nikolaus von Flüe, in: D. Harmening u.a. (Hrsg.), Volkskultur und Geschichte. FS J. Dünninger. Berlin 1970.

      9 E. L. Rochholz, Die Schweizer Legende des Bruder Klaus von Flüe. Aarau 1875, 270.

      10 Zit. nach H. Seuse, Deutsche mystische Schriften. Hrsg. v. G. Hofmann. Düsseldorf 1966, 303; H. Stirnimann, Gottesgelehrte, 85, auch dortige Anm. 60 [s. Anm. 2].

      11 Conf. VII,10,16: „Aber Du wirst mich nicht in Dich, (…) sondern Du wirst Dich in mich verwandeln.“, zit. nach A. M. Haas / H. Stirnimann, Das „Einig Ein“: Studien zu Theorie und Sprache der deutschen Mystik. Saint Paul 1980, 257.

      12 Siehe A. Rotzetter, Die Welt erglänzt in Gottes Farben. Visionen von der Ganzheit der Schöpfung. Freiburg i.Üe. 2000, 126.

      13 Siehe R. Durrer, Bruder-Klaus, 757 f., P.R. Amschwand, Quellenwerk, 212 ff. und H. Stirnimann, Gottesgelehrte, 76 ff. [alle Anm. 1].

      14 KKK Nr. 226. Nach Ansicht von P. Spichtig OP, Co-Leiter des Liturgischen Instituts der deutschsprachigen Schweiz, trug der heutige Erzbischof von Wien Kardinal Christoph Schönborn OP wesentlich dazu bei, das Gebet in den Katechismus aufzunehmen. Schönborn war 1975–1991 Professor an der Universität Freiburg (CH), wo er mit Niklaus von Flüe vertraut wurde, u.a. durch seinen Mitbruder H. Stirnimann OP [E-Mail von P. Spichtig an RG vom 28.9.2014].

      15 R. Gröbli, Die Sehnsucht nach dem Einig Wesen. Zürich 1990, 167, basierend v.a. auf Tauler, ferner H. Stirnimann, Gottesgelehrte 100 f. [s. Anm. 1].

      16 A. Rotzetter, Gottes Farben, 126 [s. Anm. 12].

      17 „Die Anordnung in [Version] I ist undurchsichtiger (unlogischer – nach heutigem Verständnis) und hat auf den ersten Blick etwas Ungewohntes und Fragwürdiges. Doch scheint gerade dies – gemäss dem Grundsatz lectio difficillior praeferenda – für die Authentizität von Fassung I zu sprechen.“ Siehe H. Stirnimann, Gottesgelehrte, 80 [s. Anm. 1].

      18 P.R. Amschwand, Quellenwerk, 214 [s. Anm. 1].

      19 N. Yammine, Die Friedensmission der heiligen Niklaus von Flüe und Charbel Makhlouf, in: R. Gröbli / R. H. Kronenberg / M. Ries / T. Wallimann (Hrsg.), Mystiker Mittler Mensch. 600 Jahre Niklaus von Flüe 1417–1487. Zürich 2016, 156–160.

      20 P. Meier, Ich, Bruder Klaus von Flüe. Eine Geschichte aus der inneren Schweiz. Zürich 42014, 200.

      21 J. Mayer, Dorothee und Niklaus von Flüe und die Katholische Landvolkbewegung Bayern heute, in: R. Gröbli, Einig Wesen, 144–147 [s. Anm. 15].

      22 P. Stutz, Der wilde Mann im Ranft, in: J. Schleicher / T. Hoeg (Hrsg.), Niklaus von Flüe. Engel des Friedens auf Erden. Münsterschwarzach 2016, 70–76.

      23 Zitiert nach R. Gröbli, Mystiker, Mittler, Mensch, in: ders u.a. (Hrsg.), Mystiker Mittler Mensch, 23–40 [s. Anm. 19].

      24 Ebd., 237, dort Anm. 15.

       Hermann Kügler SJ | Mannheim

      geb. 1952, Priester, Pastoralpsychologe, Leiter der Beratungsstelle „Offene Tür“ in Mannheim

       [email protected]

       Für immer berufen?

       Ein Diskussionsbeitrag aus ignatianischer Perspektive

      Was ist eine „Berufung“? Die Deutungshoheit darüber hat längst nicht mehr nur die katholische Kirche. Inzwischen erfährt der Begriff eine höchst schillernde Verwendung. Er gehört ebenso zum Vokabular der Esoterik-Szene wie dem der „Lebenshilfe“, der christlichen Kirchen und verschiedener religiöser Bewegungen. Auch in der Arbeitswelt ist er angekommen. „Holz gestalten ist unsere Berufung“, behauptet eine größere Schreinerwerkstatt im süddeutschen Raum. Und ein Coach und Unternehmensberater bewirbt seine Seminare unter dem Titel „Lebe Deine Berufung!“ mit dem lobenswerten Anliegen, Leben und Arbeiten von Führungskräften mehr in Einklang zu bringen.

      Im Folgenden beschränke ich mich auf die Perspektive der ignatianischen Spiritualität. Ich gehe von menschlichen Erfahrungen und Prozessen aus und will erörtern: Was ist eine Berufung und wozu werden Menschen berufen? Welchen Beitrag leistet

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