Geist & Leben 2/2017. Christoph Benke

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Geist & Leben 2/2017 - Christoph Benke

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beruft?

       Was ist eine Berufung?

      Eine religiöse Berufung kann zunächst im weiteren Sinne verstanden werden als Antwort des glaubenden Menschen auf das Beziehungsangebot Gottes ihm gegenüber. Sie zeigt sich in einem an der christlichen Botschaft ausgerichteten Leben im Alltag. Sie legt Zeugnis dafür ab, das eigene Leben als Jünger(in) Jesu zu gestalten. Im engeren Sinne meint Berufung, den „Ruf“ nicht nur zur Nachfolge Jesu als sein(e) Jünger(in), sondern auch zur Nachahmung seiner Lebensweise in der Übernahme einer speziellen Lebensform und evtl. eines kirchlichen Amtes (Priester, Diakon, Ordensleben, Vita consecrata, vgl. GÜ 135).

      Im Folgenden verstehe ich „Berufung“ in diesem doppelten Sinn und definiere sie als eine Lebenswahl, die ohne vernünftige Zweifel für mich vorzuziehen ist aus hauptsächlich „übernatürlichen“ Gründen. Bei einer „Berufung“ geht es also um mehrere Aspekte:

      Eine Lebenswahl …

      Bei der Überlegung, wie jemand seinen Urlaub verbringen will und ob er im Sommer eher in die Berge oder ans Meer fährt, würde man nicht von einer „Berufung“ sprechen, wohl aber bei der Frage, wie und mit wem jemand leben möchte oder welchen Beruf er oder sie ausüben mag. Dass in der Postmoderne der Beruf oft nur ein Job zum Broterwerb ist, kann hier nicht weiter erörtert werden.

      Ohne vernünftige Zweifel …

      Zweifel begleiten wohl jede Lebenswahl. Jemand ist sich nicht sicher: Kann ich das, schaffe ich das? Vernünftige Zweifel sind auch angesagt, wenn jemand z.B. feststellt, dass er einen Beruf oder eine Lebensform überwiegend aus inneren oder äußeren Zwängen gewählt hat. „Ich habe meiner Mutter auf dem Sterbebett versprochen, in einen Orden einzutreten“: Eine solche Motivation würde man kaum als Berufung bezeichnen, und vernünftige Zweifel an ihrer Tragfähigkeit sind mehr als angebracht.

      Für mich vorzuziehen …

      Berufung ist etwas streng Individuelles. Daraus, dass ich mich zu einem bestimmten Lebensentwurf berufen erlebe, folgt nicht, dass gleiches für andere Menschen genauso gilt.

      Aus „übernatürlichen“ Gründen …

      Die „übernatürlichen“ Gründe sind diejenigen, die „die Leute“ nicht verstehen, weil sie sich auf Gott beziehen: Ein erfolgreicher Geschäftsführer eines international tätigen Unternehmens tritt in eine Ordensgemeinschaft ein. Seine Kolleg(inn)en reagieren mit völligem Unverständnis auf diesen Schritt. Eine ebenfalls erfolgreiche junge Frau legt nach zweijähriger Probezeit in einem Kloster die Ordensgelübde von Armut, Keuschheit und Gehorsam ab. Bei der anschließenden Feier zeigt sich, dass selbst viele ihrer nächsten Freunde und Verwandten diesen Schritt nicht nachvollziehen können.

      Aus hauptsächlich „übernatürlichen“ Gründen …

      Jede Lebenswahl kommt zustande aus einem Motivbündel, das sich speist aus der Ausrichtung des eigenen Lebens auf Werte und der Befriedigung eigener Bedürfnisse. Wenn eine Lebensform allerdings überwiegend gewählt wird, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen („ich möchte versorgt und beschäftigt sein“; „ich komme selbst mit dem Leben nicht zurecht und brauche jemanden, der mir sagt, wo es langgeht“; „ich suche einen Status, der mir soziale Anerkennung bietet“), wird man kaum von einer Berufung sprechen.

       Wozu werden Menschen von Gott berufen?1

      Erstens gibt es eine Berufung ins Leben: Im so genannten ersten Schöpfungsbericht (Gen 1,26–31) ist zu lesen, dass Gott am sechsten Tag den Menschen geschaffen und gesehen hat, dass das „sehr gut“ war (Gen 1,31). Er hat ihn als Mann und Frau ins Leben gerufen und alles andere ihm „zu Füßen gelegt“. Jeder Mensch ist in seiner Einzigartigkeit von Gott gewünscht und gewollt: So sind wir Menschen ins Leben berufen.

      Wer sein Leben als Berufung erlebt, vermag die eigenen Energien produktiv einzusetzen. Er/Sie kann viel und intensiv arbeiten, ohne sich vorrangig über die eigene Rolle und den Status in einer Hierarchie zu definieren. Wichtiger sind ihm/ihr bedeutungsvolle Beziehungen, verbunden mit einem tiefen Gefühl der Zugehörigkeit zu den Menschen, auf die er/sie sich verlassen kann.

      Berufung ins Leben bedeutet auch, das eigene Leben als einen sinnvollen Dienst sehen zu können, geprägt von Hingabe an die eigene Aufgabe im Dienst an den Menschen. Solches Bestreben reicht weit über die eigene Selbstverwirklichung hinaus. Es zeigt sich im täglichen Leben in einer ausgeprägten Fähigkeit, das Leben organisieren zu können und Zeit und Energie für Arbeit, Studium, Hobbies, Freizeit gleichermaßen aufzuwenden. Es gelingt, das Leben im Kleinen wie im Großen zu strukturieren und sich nicht als Getriebene(r) zu erleben.

      Menschen, die ihr Leben als Berufung erleben, sind vielseitig interessiert. Sie wenden Zeit und Kraft auf, ständig weiter zu lernen. Intellektuelles und spirituelles Wachstum gehen bei ihnen Hand in Hand. Sie sind in ihrem Körper zu Hause und fühlen sich darin wohl. Sie sind fähig, tiefe Freundschaften einzugehen.

      Zweitens gibt es eine Berufung zur Erkenntnis, dass „Jesus Christus der Herr“ ist. Die Judenchristen in der frühen Kirche waren überzeugt: Jesus ist der „Messias“, der verheißene Retter, auf den ihre Vorfahren gehofft hatten. Von dieser Berufung erzählt das Matthäusevangelium. Die Griechen und Römer, die nicht Juden waren, aber dann getauft und Christen wurden, teilten diese Vorstellung so nicht. Im Philipperbrief ruft Paulus der Gemeinde ein frühchristliches Kirchenlied ins Gedächtnis: „Jesus Christus ist der Herr“, hieß dessen Kehrvers. Das verstanden die Philipper: „Herr“ ist nicht der römische Kaiser und nicht sein Statthalter, sondern der Gekreuzigte und Auferstandene.

      Jesus nachzufolgen und ihn nachzuahmen bedeutet, an ihn zu glauben, auf ihn seine Hoffnung zu setzen und ihn zu lieben. Es bedeutet zu erfassen, dass Jesus Christus nicht nur der Abglanz eines fernen transzendenten Gottes ist, der über der Häuptern der Gläubigen thront – vergleichbar einem romanischen Mosaik oder Fresko in der Kuppel über dem Altar einer mittelalterlichen Kirche, sondern dass er sich in die Schöpfung inkarniert hat als das „Wort, das Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“ (Joh 1,14). Er hat sich an einem geschichtlich fassbaren Ort als ein „Du“ und „Gegenüber“ gezeigt. Dort haben wir ihn „mit unseren Augen gesehen und mit unseren Händen angefasst“ (1 Joh 1,1).

      Drittens gibt es eine Berufung in die Kirche: Nicht jede(r), der/die glaubt, dass in Jesus Gott begegnet, erlebt sich als in-die-Kirche-Berufene(r). Ganz im Gegenteil: manche haben so verzerrte Wahrnehmungen der real existierenden Kirche, geprägt durch Missbrauchs- und Finanzskandale, dass Taufe und Eingliederung in die Kirche keine Option für sie sind. Gern sagen die Katholik(inn)en mit dem II. Vatikanischen Konzil: Kirche – das ist das Volk Gottes auf dem Weg. Aber es ist zur Kenntnis zu nehmen, dass viele Menschen die Kirche ganz anders wahrnehmen. Sie stellt sich ihnen vielleicht nur als Körperschaft des öffentlichen Rechtes dar, die reich und wohlhabend ist und mit Sonderprivilegien ausgestattet ihre Angestellten „auf Linie“ hält. Dazu erleben sie sich nicht berufen.

      Zu erfassen, dass „Jesus Christus der Herr ist“, wird im Verständnis katholischer Theologie so realisiert, dass man Jünger(in) Jesu in der Kirche ist, die als real existierende Kirche immer casta meretrix ist, wie die Kirchenväter sagten, die „keusche Dirne“. Sie ist zugleich Volk Gottes auf dem Weg wie eine Ansammlung von Menschen, die auf vielen Ebenen immer wieder kläglich versagen und deren Strukturen immer wieder der Reform bedürfen.

      Berufung in die Kirche bedeutet, zu erfassen und daran zu glauben, dass in dieser real existierenden Kirche Gottes Wort weitergegeben wird und die Sakramente als Zeichen des Heiles begegnen, und dass dies nicht etwas Beliebiges und rein Kontingentes ist, sondern dass so und nicht anders die „Sache Jesu weiter geht“.

      Viertens

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