Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten. Группа авторов
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110 Vgl. A. Ara (Hg.), Grenzregionen im Zeitalter der Nationalismen. Elsaß-Lothringen / Trient-Triest, 1870-1914, Berlin 1998; M. Parisse, (Hg.), Histoire de la Lorraine, Toulouse 1978; M. Rehm, Reichsland Elsaß-Lothringen. Regierung und Verwaltung 1871 bis 1918, Bad Neustadt a. d. Saale 1991; B. Vogler, Histoire des chrétiens d’Alsace des origines à nos jours, Paris 1994.
Das „welfische Bischofsreich“
Hans-Georg Aschoff
Die geistlichen Territorien stellten durch die Vereinigung von geistlicher und weltlicher Gewalt in der Person des Fürstbischofs eine Sonderform im Verfassungsleben des Reiches dar. Aufgrund ihres Wahlcharakters waren sie in besonderem Maße Einwirkungen auswärtiger Dynastien ausgesetzt. Die Besetzung von Bischofsstühlen ermöglichte den fürstlichen Häusern die Versorgung nachgeborener Söhne, die Ausweitung ihrer Machtstellung im Reich, die Verfügung über die ökonomischen und militärischen Ressourcen des geistlichen Territoriums, im Zusammenhang mit dem Ausbau des landesherrlichen Kirchenregimentes die Kontrolle über die bischöfliche Jurisdiktion und seit der Reformationszeit die Stärkung des eigenen konfessionellen Lagers. Das Einwirken auf geistliche Territorien musste nicht immer die Wahl eigener Familienangehöriger zum Ziel haben; zuweilen wurden verwandte Häuser, politisch abhängige Familien oder Konfessionsangehörige unterstützt. Zu Beginn der Frühen Neuzeit wandten auch die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg den westfälischen und niedersächsischen Hochstiften in verstärktem Maße ihre Aufmerksamkeit zu. Dabei richteten sich ihre Bestrebungen auf die Bistümer Osnabrück, Minden, Bremen, Verden und Halberstadt. Insbesondere das Haus Wolfenbüttel betrieb seit Herzog Heinrich d. Ä. (1463-1514) eine systematische Bistumspolitik, die die Errichtung eines „welfischen Bischofsreiches“1 zum Ziel hatte.
Erich von Braunschweig-Grubenhagen
Die Reihe der welfischen Bischöfe in der Frühen Neuzeit begann mit Erich von Grubenhagen.2 Er war 1478 als Sohn Herzog Albrechts II. und dessen Ehefrau Elisabeth, geb. Gräfin von Waldeck geboren worden. Nach einem Studienaufenthalt in Rom, wo er die Gunst Papst Julius‘ II. gewann, wurde er Domherr in Münster und Paderborn. Am 6. März 1508 wählte ihn das Osnabrücker Domkapitel zum Bischof; am 17. November 1508 erfolgte seine Postulation in Paderborn. Trotz seiner Zusage in der Wahlkapitulation empfing er nie die bischöfliche Konsekration.
Während Erich anscheinend problemlos die päpstliche Genehmigung seiner Wahl bzw. Postulation (6. September 1508 für Osnabrück; 20. April 1509 für Paderborn) erhielt, verzögerte sich die Regalienverleihung durch den Kaiser. Der Grund lag in Erichs Weigerung, die vom Reichstag beschlossene Kontribution für den Reichskrieg gegen den Papst und Venedig zu zahlen. Er verfiel 1510 der Reichsacht; auch als er zwei Jahre später die Steuer abführte, blieb sein Verhältnis zu Kaiser Maximilian I. getrübt. Erst dessen Nachfolger Karl V. stellte ihm 1521 die Regalienurkunden aus.
Erich verstand sich in seinem Amt vor allem als Landesherr. Er verfolgte eine Politik der territorialen Arrondierung und Konsolidierung, was zu militärischen Auseinandersetzungen mit den Nachbarn seiner Hochstifte, insbesondere mit Ravensberg, Rheda, Münster, Tecklenburg und Lingen führte. Im Innern versuchte er, durch Verwaltungszentralisation seine Position gegen die Archidiakonalgewalt der Domherren zu stärken, geriet aber wegen seiner aufwändigen Lebensweise und deren Finanzierung in Konflikte mit den Domkapiteln.
Erich blieb bis zum Ende seines Lebens formal dem alten Glauben treu. Für seine Bistümer veranlasste er den Neudruck eines Breviers (1513 für Paderborn, 1516 für Osnabrück) und verpflichtete alle Geistlichen auf die gewissenhafte Verrichtung des Offiziums. Als eifriger Verehrer der hl. Anna nahm er deren Fest in den liturgischen Kalender seiner Bistümer auf und erklärte es zum gebotenen Feiertag. Dennoch unterblieben durchgreifende kirchliche Reformen. Gegenüber der reformatorischen Bewegung ließ Erich es an Eindeutigkeit und Konsequenz fehlen, wenn er auch das Wormser Edikt von 1521 in seinen Territorien energisch durchführte. Dabei schienen dogmatische Fragen eine untergeordnete Rolle zu spielen; Erich sah in den reformatorischen Bestrebungen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung. Während seine Hochstifte vorerst katholisch blieben, setzte sich die Reformation in den benachbarten Gebieten, die seiner bischöflichen Jurisdiktion unterstanden, infolge systematischer Förderung seitens der jeweiligen Landesherren durch. Auf der Reichsebene zeigte sich Erich in der Konfessionsfrage kompromissbereit; er lehnte ein entschiedenes Vorgehen gegen die evangelischen Reichsstände ab und unterhielt selbst engen Kontakt zu einer Reihe neugläubiger Landesherren, insbesondere zu Landgraf Philipp von Hessen. Dieser unterstützte Erichs Bemühungen um das Hochstift Münster, als sich die Resignation des dortigen Bischofs Friedrich zu Wied3, der mit dem Luthertum sympathisierte, andeutete. Aufgrund des Iburger Vertrages trat Wied Erich das Bistum ab; das münsterische Domkapitel postulierte ihn daraufhin am 27. März 1532 einstimmig zum Bischof. Vor seinem offiziellen Amtsantritt griff Erich wohl mehr aus politischen als religiösen Gründen entschlossen in die religiösen Auseinandersetzungen in der Stadt Münster ein, indem er die sofortige Entlassung des Anführers der Lutheraner, Bernhard Rothmann, und die Wiedereinführung der altkirchlichen Bräuche forderte. Erich trat die Regierung in Münster allerdings nicht mehr an; er starb am 14. Mai 1532 in Fürstenau an übermäßigem Alkoholgenuss beim Festschmaus anlässlich der für ihn erfolgreichen münsterischen Wahl.
Franz von Braunschweig-Wolfenbüttel
Seit Heinrich d. Ä. sah das Haus Braunschweig-Wolfenbüttel das Hochstift Minden4 als welfisches „Hausbistum“ an und konnte im 16. Jahrhundert hier vier Bischöfe stellen. Durch die Wahl der drei Nichtwelfen (Franz von Waldeck 1531-1553, Hermann von Schaumburg 1567-1582, Anton von Schaumburg 1587-1599) versuchte das Domkapitel, „das Hochstift dem Machtbereich der Wolfenbüttler zu entziehen“.5 Die Welfen zeigten deshalb ein besonderes Interesse an Minden, weil sein kirchlicher Sprengel weite Teile der benachbarten Territorien Braunschweig-Lüneburg und Braunschweig-Calenberg sowie die Grafschaften Hoya und Ravensberg umfasste. Die Sicherung der territorialen Integrität des schwachen Hochstiftes, das mit 22 Quadratmeilen das kleinste der westfälischen Fürstbistümer war, war ein wesentliches Motiv des Domkapitels bei der Bischofswahl. 1508 gelang es Heinrich d. Ä., das Hochstift für seinen dritten Sohn Franz (geb. 1492)6 zu erwerben. Am 14. Juli 1508 bestätigte Papst Julius II. dessen Wahl zum Bischof. Wegen mangelnder Volljährigkeit übernahm Franz erst 1512 die Regierung. Er hatte sich bis dahin meist am Wolfenbütteler Hof aufgehalten, besaß nur geringe theologische Kenntnisse und war in keiner Weise auf sein geistliches Amt vorbereitet. Er empfing weder die Priesternoch die Bischofsweihe. Seine Regierungszeit war durch eine beinahe ununterbrochene Folge von kriegerischen Auseinandersetzungen gekennzeichnet; diese erreichten ihren Höhepunkt in der Hildesheimer Stiftsfehde (1519-1523), in der sich Franz mit seinem Bruder Heinrich d. J. und Erich I. von Calenberg gegen Bischof Johann von Hildesheim und Herzog Heinrich von Lüneburg verbündete.
Bereits zu Beginn der Fehde ließ Franz, der sich nur sporadisch in seinem Bistum aufhielt, aus strategischen Gründen den Ort Petershagen mit Ausnahme der bischöflichen Residenz und die Vorstädte Mindens niederbrennen; ein Aufruhr der Mindener Bürger veranlasste ihn zur Flucht aus der Stadt. Trotz der militärischen Niederlage bei Soltau (28. Juni 1519) konnten er und seine Verbündeten mit