Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten. Группа авторов
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Christian von Braunschweig-Lüneburg
Die Welfen betrachteten auch während der Regierungszeit Bischof Antons von Schaumburg Minden als ihr „Hausbistum“. Zwar scheiterten die Versuche Herzog Heinrich Julius‘, Bischof Anton gegen Zusicherung einer Rente zur Abdankung zu bewegen; aber im Domkapitel verbreitete sich die Ansicht, dass Braunschweig-Lüneburg nach dem Ausscheiden des Schaumburgers nur einen welfischen Kandidaten akzeptieren werde. Nachdem Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg (1564-1611) dem Kapitel territoriale Gewinne aus der an Celle gefallenen hoyaschen Erbschaft in Aussicht gestellt hatte, postulierte es Anfang September 1597 Ernsts jünegren Bruder Christian zum Koadjutor.30 Es kam damit einer Empfehlung des Kölner Kurfürsten Ernst von Bayern nach, der Christians Konversion zum Katholizismus für möglich hielt und davon nach dessen möglichen Regierungsantritt in Celle Vorteile für den Katholizismus in diesem Fürstentum erwartete. Als das Domkapitel nach dem Tod Antons von Schaumburg am 21. Januar 1599 Christian die Verwaltung des Stiftes übertrug, wiederholte dieser die Zusicherung seiner Wahlkapitulation von 1597, dass er die Rechte der katholischen Religion im Stift Minden schützen werde. Um die päpstliche Bestätigung zu erreichen, führte Christian auf Empfehlung Ernsts von Bayern Glaubensgespräche mit katholischen Theologen und schloss in seinem Konfirmationsgesuch an Papst Clemens VIII. einen Konfessionswechsel nicht aus. Die Erregung im protestantischen Lager, vor allem aber der Druck seitens des Hauses Braunschweig-Lüneburg, der in besonderer Weise von Christians Mutter, Herzogin Dorothea, ausgeübt wurde, veranlasste diesen, von einem Übertritt zur Katholischen Kirche abzusehen. Da Christian als lutherischer Fürst nie die päpstliche Wahlbestätigung erhielt, herrschte kirchenrechtlich in Minden weiterhin Sedisvakanz. Dieser Zustand wurde von der Kurie einstweilen ignoriert und vom Domkapitel geduldet. Damit schuf man eine Voraussetzung für die Säkularisation des Hochstiftes durch den Westfälischen Frieden, weil Minden während des Normaljahres 1624 nicht von einem katholischen Bischof regiert wurde.
Nach der Übernahme der Regierung im Fürstentum Lüneburg hielt sich Christian meist in Celle auf und schenkte den Vorgängen in Minden nur geringe Aufmerksamkeit. Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde das Hochstift zu einem „Tummelplatz für die Soldateska aus allen Herren Ländern“.31 Nach dem Erstarken der katholischen Seite in Norddeutschland und der Verkündigung des Restitutionsediktes (1629) führte der kaiserliche Restitutionskommissar für den ober- und niedersächsischen Reichskreis, der Osnabrücker Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg, gegen Christians förmlichen Protest Rekatholisierungsmaßnahmen in Minden durch. 1630 providierte die Kurie, die an der Auffassung von der Sedisvakanz in Minden festgehalten hatte, Wartenberg mit dem Bistum, der daraufhin gegen Ende des Jahres auch ein vorläufiges kaiserliches Regalienindult erhielt. Wenn auch Verhandlungen mit Christian wegen eines Verzichts auf Minden ohne Erfolg blieben, überließ er Wartenberg bis zu seinem Tod am 8. November 1633 fast widerspruchslos die Regierung des Hochstiftes.
Die welfischen Bischöfe des 16. Jahrhunderts haben sich in erster Linie als Landesherren verstanden und tendierten dazu, in ihren Bistümern „Versorgungsposten ohne geistlich-kanonische Verpflichtung“32 zu sehen; von den Katholiken unter ihnen gingen keine ernsthaften kirchlichen Reformbemühungen aus. Durch ihren verweltlichten Lebenswandel diskreditierten sie die alte Kirche und leisteten der Ausbreitung der Reformation Vorschub, die von ihren protestantischen Nachfolgern direkt oder indirekt gefördert wurde. Die Tatsache, dass die Erz- bzw. Hochstifte Bremen, Verden, Osnabrück, Minden und Halberstadt im 16. Jahrhundert zeitweise in welfischer Hand waren, verwerteten die Vertreter des Hauses Braunschweig-Lüneburg auf dem Westfälischen Friedenskongress in Münster und Osnabrück, um ihre Forderung nach geistlichen Territorien zu untermauern. Allerdings konnte man sich gegen die Großmächte nicht durchsetzen. Bremen und Verden fielen an Schweden; Minden und Halberstadt wurden mit Rücksicht auf die nicht realisierte Anwartschaft auf Vorpommern Brandenburg zugewiesen. Lediglich für Osnabrück wurde mit der „successio alternativa“, nach der einem vom Domkapitel frei zu wählenden katholischen Kandidaten ein lutherischer Prinz aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg im Bischofsamt folgen sollte, eine Regelung gefunden, die welfischen Ansprüchen entgegenkam und letztlich mit dazu beitrug, dass das Hochstift im Zuge der Säkularisation von 1802/03 an das Kurfürstentum Hannover fiel.
1 M. v. Boetticher, Niedersachsen im 16. Jahrhundert (1500-1618), in: Heuvel, C. v. d. / Boetticher, M. v. (Hg.), Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von der Reformation bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts (Geschichte Niedersachsens III,1), Hannover 1998, 99-116; allgemein: H.-G. Aschoff, Die Welfen. Von der Reformation bis 1918, Stuttgart 2010.
2 Vgl. K. Hengst, in: Gatz, E. (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448-1648, Berlin 1996, 157f.; A. Schröer, Die Reformation in Westfalen II, Münster 1983, 41-51, 199-203; H.-J. Brandt / K. Hengst, Die Bischöfe und Erzbischöfe von Paderborn, Paderborn 1984, 192-195.
3 Vgl. A. Schröder, in: Gatz, E. (Hg.), Bischöfe, 754f.
4 Vgl. W. Kohl, in: Gatz, E. (Hg.), Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches von ihren Anfängen bis zur Säkularisation, Freiburg 2003, 469-478.
5 A. Schröer, Reformation II, 25.
6 Vgl. H.-G. Aschoff, in: Gatz, E. (Hg.), Bischöfe, 192f.; A. Schröer, Reformation II, 23-28 u.ö.
7 Vgl. K. H. Schleif, Regierung und Verwaltung des Erzstifts Bremen am Beginn der Neuzeit (1500-1648), Hamburg 1972; H.-G. Aschoff, Bremen, Erzstift und Stadt, in: Schindling, A. / Ziegler, W. (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, Bd.3: Der Nordwesten, Münster 1995, 44-57; T. Vogtherr, Bremen (-Hamburg), in: Gatz, E. (Hg.), Bistümer, 113-127.
8 Vgl. T. Vogtherr, Verden, in: Gatz, E. (Hg.), Bistümer, 786-794; C. Burchhardt u. a., Bistum Verden 770 bis 1648, Straßburg 2001; M. Nistal, Die Zeit der Reformation und der Gegenreformation und die Anfänge des Dreißigjährigen Krieges (1511-1632), in: Dannenberg, H.-E. / Schulze, H.-J. (Hg.), Geschichte des Landes zwischen Elbe und Weser, Bd. 3: Neuzeit, Stade 2008, 1-171.
9 Vgl. H.-J. Schulze, in: Gatz, E. (Hg.), Bischöfe, 586-588.
10 Vgl. M. Reimann, in: Gatz, E. (Hg.), Bischöfe, 100-103.
11 Vgl. M. Nistal, Zeit, 2.
12 Vgl. M. Nistal, Zeit, 61-63.
13 K.H. Schleif, Regierung, 20.
14 Vgl. M. Reimann, in: Gatz, E. (Hg.), Bischöfe, 223f.; W. Schäfer, Wappen und