Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten. Группа авторов
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Doch diese vorläufige französische Diözesanverwaltung im Bistum Münster mit Spiegel als (nur) ernanntem Bischof, zweitem Kapitularvikar und substituiertem Verwalter der Diözese war schon ab November 1813 wieder in Frage gestellt, nachdem Westfalen zunächst vorläufig und dann endgültig 1815 an das Königreich Preußen gefallen war. Denn der durch die französische Kirchenpolitik „ausgebootete“ alte Kapitularvikar Clemens August Droste zu Vischering nahm sofort geheimen Kontakt mit dem nach Rom zurückgekehrten Papst Pius VII. auf, um seine interimistische Diözesanverwaltung des Bistums Münsters kirchenrechtlich wieder zu erlangen. Bestärkt durch ein päpstliches Breve begann Clemens August Droste ab März 1815 in Münster mit dem Widerruf seiner Substitution an Spiegel, die Bistumsleitung wieder übernehmen zu wollen. Dabei geriet Clemens August Droste in einen schweren kirchenpolitischen Streit mit dem preußischen Zivilgouverneur und anschließenden Oberpräsidenten, Ludwig Freiherr von Vincke (†1844). Deshalb verhängte Oberpräsident Vincke am 6. Mai 1815 ein „Amtsverbot“ gegen Clemens August Droste „bis zur höheren Ortes nachgesuchten Anerkennung“.35
Während die preußische Regierung in Berlin zögerte, diesen delikaten Konflikt zwischen ihrem westfälischen Oberpräsidenten und dem geheim, aber päpstlich bestätigten Kapitularvikar Clemens August Droste zu entscheiden, wissen wir, dass Ende Juli 1815 bei Oberpräsident Vincke der Plan gereift war, durch eine vom Papst zu erwirkende Bestellung des ihm persönlich bekannten – und anscheinend mit dem kleinen Bistum Corvey nicht ausgelasteten – Fürstbischofs Ferdinand Lüning für das Bistum Münster den von ihm bekämpften Kapitularvikar Clemens August Droste legitim von der Münsterer Diözesanverwaltung auszuschließen. Damit wurde die Besetzung des Münsterer Bischofsstuhls in den unter dem preußischen Gesandten Barthold Georg Niebuhr (†1831) nur zögernd angelaufenen Konkordatsverhandlungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl ab Mitte des Jahres 1816 zu einem Präzedenzfall.36
In dem vom preußischen Staatskanzler Friedrich von Hardenberg (1810-†1822) sogar dem König Friedrich Wilhelm III. (1797-1840) vorgelegten „Münsterer Kirchenstreit“ rang sich die Berliner Regierung am 30. August 1815 gegen ihren westfälischen Oberpräsidenten zu einer „vorläufigen“ preußischen Anerkennung des Kapitularvikars Clemens August Droste für das Bistum Münster durch. Aber am 10. Dezember 1815 stellte der preußische Gesandte Niebuhr in einer Note an den päpstlichen Kardinalstaatssekretär Ercole Consalvi den Antrag, in dem schwierigen Fall des Bistums Münster nicht auf „eine Postulation durch das unberechenbare“ wiederhergestellte alte Münsterer Domkapitel zu setzen. Vielmehr möge Papst Pius VII. in diesem „außerordentlichen Fall das ihm zur Verfügung stehende außerordentliche Mittel“ einsetzen, nämlich selbst den Corveyer Bischof Lüning für Münster zu ernennen, unbeschadet des Wahlrechtes des Münsterer Domkapitels für zukünftige Wiederbesetzungsfälle. Die päpstliche Kurie prüfte diesen außerordentlichen preußischen Antrag gründlich und legte ihn sogar Papst Pius VII. persönlich vor. So kam man in der Kurie zur Überzeugung, dass dem preußischen Hof an einer vorgezogenen und schnellen Regelung des Konfliktfalles um die Münsterer Bistumsleitung gelegen war. Um die preußische Seite für die anstehenden allgemeinen Konkordatsverhandlungen „geneigter und gefälliger“ zu machen, waren Papst und Kurie bereit, sich über das überkommene Wahlrecht des Münsterer Domkapitels hinweg zu setzen. Diese Entscheidung teilte Kardinalstaatssekretär Consalvi am 5. Mai 1817 dem preußischen Gesandten Niebuhr mit. Damit schien die Wiederbesetzung des Münsterer Bischofsstuhles mit dem Fürstbischof Ferdinand von Lüning im Sommer 1817 zum Greifen nahe.37
Wenn die dazu notwendigen päpstlichen Ernennungs-Bullen aber erst am 28. August 1820 in Rom ausgefertigt wurden, zeigt diese dreijährige Verzögerung einerseits, welche gravierenden Streitpunkte um Kirchenfreiheit, Kirchenfinanzen und den – zunächst in Münster und dann in Bonn lehrenden – „aufgeklärten Theologieprofessor Georg Hermes“38 während der preußischen-päpstlichen Konkordatsverhandlungen an dem Präzedenzfall der vorgezogenen Wiedersetzung des Münsterer Bischofsstuhles noch ausgefochten werden mussten, in deren Verlauf Fürstbischof Lüning u.a. seinen Rücktritt von dem angebotenen Münsterer Bischofsstuhl anbot und auch ein angebotenes „Apostolisches Vikariat für das Bistum Münster“ ablehnte.39 Andererseits war dieser „Schwebezustand“ des Münsterer Bischofsstuhls die Ausgangssituation, in der Fürstbischof Lüning als neue Herausforderung auch noch zusätzlich das Apostolische Vikariat für das Eichsfeld und Erfurt übertragen werden konnte.
3. Apostolischer Vikar für das Eichsfeld und Erfurt
In der traditionellen Zugehörigkeit von Erfurt und dem Eichsfeld zum alten Erzbistum Mainz trat eine erste Veränderung ein, als der letzte Mainzer Weihbischof für die Region, Johann Maximilian von Haunold, am 20. Januar 1807 verstarb.40 Der letzte regierende Kurfürst und Erzbischof von Mainz war der bekannte Karl Theodor von Dalberg, der ab dem Jahre 1803 als Fürstprimas von Napoleons Gnaden seinen Sitz nach Regensburg hatte verlegen müssen.41 Bis zu seinem Tod am 10. Februar 1817 standen damit die seit 1802 zur preußischen Provinz Sachen gehörenden Katholiken der Gebiete Eichsfeld und Erfurt unter einem noch aktiven, aber aus preußischer Sicht „ausländischen“ geistlichen Oberhaupt. Zwar war nach Dalbergs Tod in Regensburg der altersschwache Weihbischof Johann Nepomuk von Wolf zum Kapitularvikar gewählt worden und wurde am 7. Mai 1817 auch noch von Papst Pius VII. als Apostolischer Administrator des Bistums Regensburg und damit auch der thüringischen Gebiete bestätigt. Da Johann Nepomuk von Wolf (†1829) trotz seiner Altersgebrechlichkeit 1822 sogar als Bischof von Regensburg inthronisiert wurde,42 stellt sich die Frage, wer kam wann und warum für die schon 15 Jahre unter dem kirchlichen Regiment von Regensburg stehenden preußischen Gebiete Eichsfeld und Erfurt auf die Idee, einen preußischen Bischof bestellen zu lassen.
Schon im Jahre 1872 kam Otto Meyer in einem Satz vom Tod des Fürstprimas Dalberg am 10. Februar 1817 zur Ernennung Lünings am 15. Dezember 1818 zum Apostolischen Vikar jener mainzisch-regensburgischen Gebiete, ohne zu fragen, warum die Bestellung Lünings rund 20 Monate dauerte.43 Ein erstes Ereignis vom 5. Juni 1817 hatte weichenstellende und indirekte Auswirkung auf die kirchliche Verwaltung des Eichsfeldes und von Erfurt. Es war das Bayerische Konkordat von 1817, das das organisatorische Ende des mainzisch-regensburgisch-dalbergischen Kirchenregiments bedeutete und eine Neuorganisation der bayerischen Bistümer innerhalb der bayerischen Landesgrenzen herbeiführte.44 So wurden die vormals zur Mainzer, gegenwärtig zur Regensburger Diözese gehörenden Gebiete um Aschaffenburg mit der Diözese Würzburg vereinigt. Die vormals Mainzer dann Regensburger Gebiete, die nun in Preußen lagen, wie das Eichsfeld und Erfurt, wurden natürlich im bayerischen Konkordat nicht genannt, auch wenn sich seine umstrittene Realisierung bis 1821 verzögern sollte. Sodann erklärt sich die Verzögerung bei der Berufung Lünings innenpolitisch mit dem Aufbau der preußischen Verwaltung in den neuen Provinzen. Daraus ist zu ersehen, dass erst mit der Instruktion vom 29. Oktober 1817 ihnen auch die katholischen Kirchenangelegenheiten unterstellt wurden. Außenpolitisch hatten sich die angelaufenen preußischen Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl über eine konkordatäre Vereinbarung verzögert, so dass es auf preußischer Seite bis zum 5. Mai 1818 dauerte, bis die Hauptverhandlungspunkte zusammengestellt waren.45
Nachdem eigentlich seit Mitte des