Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten. Группа авторов
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3.1 Zur preußischen Berufung des Apostolischen Vikars
Zur Berufung Lünings für das Eichsfeld und Erfurt wissen wir aus einem späteren Bericht des in Münster privat residierenden ehemaligen Vizesuperiors der Holländischen Missionen, der in die vertrauliche Funktion eines Internuntius eingetreten war, Luigi Ciamberlani (†1828 in Münster), dass der preußische Antrag dazu am 24. November 1818 bei der römischen Kurie gestellt worden war.47 Da wir nun ebenfalls aus dem vorliegenden Original gesichert wissen, dass die päpstlichen Ernennungsbullen am 15. Dezember 1818 ausgestellt wurden, haben wir es bei der Ernennung Lünings zum Apostolischen Vikar des Eichsfeldes und Erfurts mit einem wirklich schnellen Vorgang der päpstlichen Kurie innerhalb von drei Wochen zu tun.
Dazu beginnt die Überlieferung des Paderborner Erzbistumsarchivs mit einem Privatbrief des Agenten der deutschen Bistümer an der Kurie, Carlo de Augustini (†1847), vom 12. Dezember 1818. Darin berichtet er an Lüning, dass sich seine Transferierung nach Münster verzögern würde, er aber umgehend „per i distritti di Erfurt e di Eichsfeld Prussiano“ ernannt würde.48 Nachdem das Datum der preußischen Beantragung des Apostolischen Vikariates für Lüning beim Papst ermittelt werden konnte, wird dieser Wege auch in dem Schreiben des Sächsischen Oberpräsidenten Friedrich von Bülow (1816-1821) vom 6. März 1819 an das Geistliche Gericht in Erfurt nachgezeichnet.49 Wahrscheinlich auf Veranlassung des neuen Ministeriums der geistlichen, medizinal und Unterrichts-Angelegenheiten unter Minister Karl Freiherr zu Altenstein (†1840) hatte die königlich-preußische Gesandtschaft im Jahre 1818 beim päpstlichen Stuhl beantragt, dass die katholischen Gemeinden aus dem Bistum Regensburg getrennt und der Aufsicht des Fürstbischofs von Corvey als „Vicarius apostolicus“ unterstellt werden sollten.50
3.2 Zur Vorstellung und Einführung als Apostolischer Vikar
Nachdem dies zunächst im März 1819 über die preußische Regierung in Erfurt zur Bekanntmachung gebracht worden war, meldete sich Anfang April 1819 von Corvey aus Fürstbischof Lüning erstmals als Apostolischer Vikar der königlich-preußischen Fürstentümer Eichsfeld und Erfurt. Dabei wurde er in seiner Arbeit unterstützt von seinem Sekretär Vinzenz Bracht (†1851).51 Am 2. Mai bedankte sich Ferdinand von Lüning ganz demütig in einem lateinischen Schreiben an Papst Pius VII. für das übertragene Amt und gelobte seine Aufgabe nach besten Kräften auszuführen.52
Als erste offizielle Reaktion liegt dazu das Antwortschreiben des Gymnasialdirektors und Kommissariatsassessors von Heiligenstadt Johann Georg Lingemann (†1830) vom 13. März 1819 vor. Er nannte darin die Ernennung Lünings „für jeden Katholiken des Eichsfeldes so wichtig und erfreulich. Was die Freude der 67.000 Katholiken vollkommen machen könnte, wäre die sichere Nachricht, dass Euere Hochfürstlichen Gnaden die Würde und Bürde aus Liebe zu Ihnen wirklich übernommen“ hätten.53 Als weiteres Beispiel aus der dynamischen Einführungsphase sei der lateinische Hirtenbrief des Vicarius Generalis Apostolicus Lüning an den Klerus vom 4. April 1819 angeführt. In 15 biblisch fundierten Punkten legt Fürstbischof Lüning darin ein überzeugendes katholisches Priesterbild vor, das die Priester als Seelsorger für die Gemeinden empfiehlt.54 Als letztes Beispiel dieser Anfangsphase sei das offizielle Dankschreiben Fürstbischof Lünings an den preußischen Kultusminister Altenstein angeführt. Darin bekennt Lüning sich nicht nur zu den Grenzen seines Alters (von 64 Jahren), sondern auch zur Vorläufigkeit seiner Amtsführung bis zur Umsetzung der anstehenden kirchlichen Neuorganisation in Preußen. Fürstbischof Lüning beendet sein Dankschreiben mit der Ankündigung einer Besuchsreise in seinem neuem Sprengel, um sich ein Bild von den dort anstehenden Herausforderungen zu machen.55
3.3 Aus der Amtsführung des Apostolischen Vikars 1819-1821
Damit kommen wir zum Kernpunkt der Amtsführung des Apostolischen Vikars Fürstbischof Lüning im Eichsfeld und in Erfurt, was eigentlich eine weitere und spezielle Studie umfassen müsste, so dass in diesem Rahmen mit der freundlichen Unterstützung von Archivdirektor Dr. Michael Matscha nur erste wichtige Mosaiksteine daraus zusammengestellt werden können.
So war es ein besonderes Ereignis, dass Fürstbischof Lüning auf seiner Visitationsreise ab Juni 1819 in fünf Gemeinden nach langen Jahren ohne Bischof wieder das Sakrament der Firmung spenden konnte. Fürstbischof Lüning und sein theologischer Berater, Pfarrer Bernhard Rensing aus Dülmen, waren sich von Anfang an der Notwendigkeit einer Firmreise bewusst gewesen.56 Denn nach dem Tod von Weihbischof Haunold Anfang des Jahres 1807 hatten nur im Eichsfeld im Jahre 1809 der Hildesheimer Weihbischof Karl Friedrich von Wendt (†1825) und in Erfurt 1812 der Aschaffenburger Weihbischof Josef Hieronymus Karl Freiherr von Kolborn (†1816) Firmungen gespendet.57 So war es für alle Ortsgemeinden ein besonderes Ereignis, als Fürstbischof Lüning im Juni 1819 sowohl in Erfurt als auch in Heiligenstadt, Großbartloff, Dingelstädt, Worbis und Nordhausen wieder katholische Kinder und Jugendliche firmte.
Die kirchenpolitische Brisanz dieser Visitationsreise von Fürstbischof Ferdinand von Lüning hatte aus „einheimischer Perspektive“ Conrad Zehrt (†1893) bereits 1892 in seiner Eichsfeldischen Kirchengeschichte moniert, zumal die preußische Regierung bestimmt hatte, dass er als Apostolischer Vikar im königlichen Schloss residieren müsse und nur in Nordhausen im Pfarrhaus wohnen dürfe. Nach der späteren „katholischen Sicht“ des Kommissarius Zehrt „erschien das Auftreten des Oberhirten den katholischen Einwohnern nicht sehr erbaulich. Das Wohnen bei einem Protestanten, die Feier [der Firmung] ohne weiteren Gottesdienst und besonders die Art und Weise der Spendung des bischöflichen Segens an die Niederknieenden während des Ganges des Bischofs zum Besuch bei einem Freimaurer war sehr auffällig.“58 Diese kritische Sicht gipfelt im dem Vermerk des Necrologium Paderbornense, dass „er von liberalen Zeitströmungen beeinflußt war, wenn er dem Staat wiederholt zu sehr entgegen kam, so war daran sicher sein Gesundheitszustand mitbeteiligt, der ihn ängstlich machte und später fast zu vollständiger geistiger Zerrüttung führte“.59
Aus der Edition von Arno Wand kennen wir erstmals den ausführlichen Visitationsbericht, den Fürstbischof Lüning von Corvey am 26. Juli 1819 über seine „Apostolische Reise“ an die Berliner Regierung schickte. Dabei hatte er „von den notwendigen