Geist und Leben 2/2015. Группа авторов

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„die sieben Gaben“, „die sieben Schwaben“, „die sieben Geißlein“, „die sieben mageren und die sieben fetten Jahre“ in der Josefsgeschichte des Alten Testaments. Und schließlich spielt die Sieben mal Sieben, die 49, eine gewichtige Rolle: ihr folgt die Pentekoste, der fünfzigste Tag, für uns im Kirchenjahr das Pfingstfest, an dem sich die Osterzeit durch die Sendung des Hl. Geistes vollendet, an dem die Jünger ihre Sendung in die Welt erfahren.

      Es gibt sieben textile Heiligtümer in Aachen, vier im Aachener Dom und drei in der alten Reichsabtei und der heutigen Propsteikirche St. Kornelius. Weil sie ursprünglich alle zusammengehören, sollen sie auch zusammen in den Blick genommen werden. Alle sieben Jahre zeigen die Aachener alle sieben Sachen. Aber warum werden sie so lange vor unseren Augen verborgen? Warum lässt man sie nicht wie die Prachtstücke in einem Museum in einer sicheren Vitrine ganzjährig ausgestellt?

      Verdecken – Aufdecken – Entdecken

      Auch in einem Museum werden Teile des Bestandes, manchmal sogar besonders wertvolle Teile nur selten gezeigt und oft in wechselnden Konstellationen in anderen Museen präsentiert. Was man immer sehen kann oder zumindest sehen könnte, verliert leicht, selbst wenn es höchst bedeutsam ist, den Nimbus des Besonderen. Das Verhüllen und Enthüllen lässt uns anders, lässt uns erwartungsvoller, aufmerksamer hinschauen, – das ist der bei Männern wie Frauen gleichermaßen nachweisbare Striptease-Effekt.

      Vor Jahren wurde vom Künstler Christo der Reichstag in Berlin verhüllt. Millionen Menschen haben sich das als einzigartig empfundene Spektakel angeschaut. Anschließend wurden – auch zur Refinanzierung des Ganzen – Tuchstücke aus dieser Verhüllungsaktion wie profane Reliquien verkauft. Was war das Besondere an diesem Tuch? Es war, wie tausend andere auch, in einer Weberei in Emsdetten im Münsterland hergestellt worden, war also vom Material her nichts Außerordentliches oder Besonderes. Die Verhüllung verbarg das Gewohnte, den Reichstag, den man Abend für Abend auf dem Fernsehschirm sehen konnte und kann. Und es stellten sich gerade mit der Verhüllung Fragen ein: Was wäre, wenn es das Bauwerk nicht gäbe, wenn es 1933 den Reichstagsbrand nicht gegeben hätte und die sich daran anschließenden Ermächtigungsgesetze der Nationalsozialist(inn)en? Was wäre, wenn es heute diesen Ort der demokratisch-politischen Willensbildung, diesen Ort des Parlamentarismus nicht gäbe?

      In der Beilage Christ und Welt der Wochenzeitung Die Zeit gibt es eine Kolumne namens Der Atheist, der was vermisst … Da ersehnt jemand etwas, der nicht glaubt (oder das zumindest behauptet oder glauben machen möchte), da vermisst jemand eine Wirklichkeit, die sich anscheinend nur der/dem Glaubenden erschließt, wie z.B. eine Entwicklung zum Besseren, eine letzte ausgleichende Gerechtigkeit, eine umfassende Vergebung, eine letzte Sinndeutung, ein hoffnungsvolles Ziel der Geschichte. Gerade das, was fehlt, ist aber auf besondere Weise da. Etwas ist anwesend im Modus des Vermissens bzw. des Ersehnens.

      Lässt man die schnell in den Vordergrund geschobene Frage beiseite, ob diese Heiligtümer wirklich, also im Sinne von historisch belegbar, die Textilien Jesu, Marias, Johannes des Täufers waren oder nicht, ist so viel sicher: Diese Textilien sind Erinnerungsstücke, textile Hinweise auf etwas, wovon die Christ(inn)en behaupten, dass es auch in diesem historischen Sinne der Fall sei. Ein Textil verweist auf den Vorläufer und dem nach biblischem Befund entfernten Verwandten Jesu, auf Johannes den Täufer. Eines verweist auf Maria, seine Mutter. Fünf dieser Textilien verweisen auf Christus selbst. Letztlich verbindet sich das Zeichenhafte der Textilien also nicht mit den Textilien selbst, sondern mit den Personen, denen sie historisch zu Recht oder zu Unrecht zugeordnet werden; sie haben Verweischarakter auf Personen und deren Haltungen und Handlungen.

      Das Enthauptungstuch Johannes des Täufers

      Das als Enthauptungstuch Johannes des Täufers verehrte Tuch ist ein von allen vier Seiten umsäumtes, rechteckiges Tuch. Es besteht aus feinem Leinendamast. Von der Größe her ist es eher als das Grabtuch des enthaupteten Täufers anzusehen; denn es misst 282,2 mal 131,5 cm. Es ist auch erst seit dem 15. oder gar 16. Jh. als große Tuchreliquie belegt. Sein Aufbewahrungsort ist der Aachener Dom. Die Enthauptung Johannes des Täufers, der in der christlichen Tradition als Vorläufer Jesu gilt, und sein Begräbnis werden in Mk 6,17–29 berichtet. Von einem Begräbnis- oder Enthauptungstuch ist da jedoch nichts zu lesen.

      Was wäre, wenn es das, worauf das Enthauptungstuch Johannes des Täufers hinweist oder hinweisen soll, nicht gäbe, nämlich den Menschen im Widerstand gegen die Zügellosigkeit, gegen die Lüge oder gegen die Willkür der Macht? – Der Mensch wäre ohne das ein ganzes Leben einfordernde, existenzielle Bekenntnis zur Wahrheit und zur Gerechtigkeit. Da riskiert mit Johannes einer Kopf und Kragen für seine religiöse und ethische Überzeugung und wird quasi als gruseliger Partygag zum Schweigen und zur Strecke gebracht. Dazu ist ein Mensch fähig, gottlob nicht nur wie die Selbstmordattentäter zum Unheil anderer, sondern gerade auch zur Wahrung der Wahrheit und zum Heil der Heillosen sein ganzes Leben, seine ganze Existenz in die Waagschale zu werfen und einzusetzen. „Und setztet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein.“ So dichtete Friedrich Schiller in seiner Wallenstein-Trilogie. Oder anders formuliert: Dem Menschen ist sein Leben nichts mehr wert, wenn ihm nicht irgendetwas oder irgendwer mehr wert ist als sein Leben.

      Das Kleid Mariens

      Werfen wir einen Blick auf das Marienkleid. Es handelt sich dabei um ein aus feinem weißen Leinen gefertigtes Frauengewand nach Art einer Tunika. Es ist aus einem einzigen Leinenstück hergestellt, wobei das Vorderteil über die Schulter hinweg in den hinteren Teil übergeht. Seitlich sind geschlitzte Giren ein- und Ärmel angesetzt. Der Halsausschnitt und zwei Seitenschlitze am unteren Saum sind mit Ornamenten in Mäanderform verziert. Das Kleid misst 153 cm in der Länge und, bei ausgebreiteten Ärmeln, 132 cm in der Breite. Historisch genau datierbar ist es nicht, und eine biblische Belegstelle für ein solches Kleid gibt es auch nicht.

      Was wäre, wenn es das, worauf das Kleid Mariens hinweist, nicht gäbe? – Die christliche Ikonographie hat Maria in prächtige Gewänder gekleidet und so ihre Reinheit, ihre Schönheit, ihren Adel, ihre Demut etc. herausgestellt. Auch die als Wallfahrtsbild verehrte Madonna im Aachener Dom, wo unser Kleid aufbewahrt wird, wird so der Kirchenjahreszeit entsprechend den Verwandlungen einer sakralen Haute Couture unterworfen.

      Aber dieses Marienkleid ist nicht das prächtige Ausstattungsstück einer künstlerisch wertvollen Marienfigur, sondern ist – so die Behauptung – ein Kleidungsstück der wirklichen Maria, der historischen Frau aus Fleisch und Blut. Dieses Marienkleid verweist auf den für Gott empfänglichen, den mit Gott schwangeren, den im wahrsten Sinne des Wortes gott-vollen Menschen. Was wäre, wenn es die Frau, aus der nach christlicher Lehre Gott in die Welt hinein geboren wird, nicht gäbe? Der Mensch könnte sich im Blick auf all die selbst zu verantwortenden Grässlichkeiten seiner Geschichte vorkommen wie die Ausgeburt der Hölle. Aber Gott kommt durch Maria – menschlich unverständlich und zugleich unverständlich menschlich – wie jeder von uns auf menschliche Weise beim Menschen an. Der christliche Glaube sagt damit aber auch, der Mensch sei prinzipiell offen auf Gott hin, sei begnadet damit, Gott zu empfangen. Er habe, wie an Maria sichtbar wird, die Anlage zur Gottesgeburt in dieser Welt. Maria bringt, darin ist sie uns Vorbild, Gott zur Welt und damit die Welt zu Gott.

      Die Windeln Jesu

      Eigentlich sind diese Windeln Teil eines größeren Gewandes, das in etwa trapezförmig zurechtgeschnitten worden ist. Es besteht aus einem ungefärbten dunkelbraunen Kamel- oder Ziegenhaar-Wollgewebe, misst 68 mal 94 cm und wird dreifach gefaltet im Aachener Dom aufbewahrt. Die Geburt Jesu wird mit dem Hinweis auf die Windeln, in die er gewickelt worden ist, in Lk 2,10–12 überliefert und uns alljährlich im Evangelium der Weihnacht präsentiert.

      Was wäre, wenn es das, worauf die Windeln Jesu hinweisen, nicht

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