Geist und Leben 2/2015. Группа авторов

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Alle monotheistischen Religionen haben so ein Element der Verbindung von Transzendenz und Immanenz, von Gott und Mensch, von Himmel und Erde, ein Element der Erdung des Göttlichen. Die Juden kennen den Bund Gottes mit dem von ihm erwählten Volk Israel durch die Geschichte hindurch. Die Muslime haben den Koran als wortwörtliche, heilige Willensbekundung Gottes und halten ihn in Ehren.

      Die Windeln Jesu nun verweisen auf die, wie mir scheint, intensivste Form der Erdung des Göttlichen, auf die Menschwerdung Gottes. Aber was wäre, wenn die Menschwerdung Gottes ein Hirngespinst wäre? Klar, Windeln waren und sind im wahrsten Sinne stinknormal, sind anrüchig. Und so erscheint die Geburt Gottes als Mensch auch manchem Zeitgenossen wie ein windelweiches Ammenmärchen. Aber Christentum ist nicht ohne den Gedanken der Inkarnation zu haben. Ein Gott ganz ohne Erdung, ohne Menschwerdung, ohne Menschennatur, wäre ein völlig abstrakter Gott, ein spekulativer Gott für „großkopferte“ Philosophen, ein Gott, der nicht zu Herzen geht, weil er kein Herz hat, der uns nicht unter die Haut geht, weil er nicht in unserer Haut steckt.

      Das Schürztuch Jesu

      Mit dem Schürztuch soll Jesus den Jüngern nach der Fußwaschung am Gründonnerstag die Füße abgetrocknet haben. Es ist ein Leinentuch, gewebt ohne Musterung aus starken Leinenfäden. Es misst 230 mal 128 cm an der einen und 95 cm an der anderen Seite. Eine genaue Datierung besitzen wir leider nicht. Die biblische Belegstelle von der Fußwaschung mit dem Hinweis auf das Leinentuch, mit dem sich Jesus zu diesem Zweck umgürtet hat, findet sich bei Joh 13,1–13.

      Was fehlte dieser Welt, wenn es das, worauf das Schürztuch Jesu hinweist, wenn es die Fußwaschung, von der der Evangelist Johannes berichtet, nicht gegeben hätte? – Es fehlte das Vorbild eines selbstlosen Dienstes, der die menschengemachten Rangordnungen und Hierarchien, auch die kirchlichen in dieser Welt der Lächerlichkeit preisgibt. Jesus wäscht seinen Jüngern nicht den Kopf, sondern die Füße. Da kümmert sich der, mit dem niemand auf gleichem Fuße verkehren kann, um den Dreck von der untersten Fußsohle seiner Untergebenen und erklärt das zum Maßstab. „Ihr nennt mich Herr und Meister und ihr habt Recht, ich bin es. Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr tun, wie ich euch getan habe.“ (Joh 13,13)

      Mit dem Fehlen dessen, woran das Schürztuch Jesu erinnert, wäre zudem die enge Verbindung von Abendmahl, also Gottesdienst, und Fußwaschung, also Menschendienst, nicht mehr gegeben. Dass Liturgie und Diakonie zusammengehören, nicht zuletzt darauf verweisen das Schürztuch und seine Verwendung im Kontext des letzten Abendmahles auch noch. Gottesdienst ist immer zweierlei, der Dienst Gottes an den Menschen und der Dienst des Menschen für und vor Gott. Der Menschendienst Gottes und der Gottesdienst des Menschen gehören zusammen.

      Das Lendentuch Jesu

      Schauen wir uns nun das Lendentuch Jesu an, das er am Kreuz getragen haben soll, um seine Blöße zu bedecken. Es wird im Dom aufbewahrt und besteht aus grobem dreieckigen Leinengewebe, mit bräunlichen, auf Blutspuren hindeutenden Verfärbungen. Es ist ein grobschlächtig aus einer Tunika zugeschnittenes Dreieckstuch. Seine Maße betragen 127,5 mal 151 cm. Von einem Gewand oder allgemeiner von Kleidungsstücken, die Jesus zum Zeitpunkt seiner Hinrichtung getragen hat, berichten Lk 23,32–35 und Joh 19,23. Von einem speziellen Lendentuch ist allerdings in den Hinrichtungsschilderungen nicht die Rede.

      Das Lendentuch war das einzige, was man römischer- wie jüdischerseits bei einer Hinrichtung den Gekreuzigten in der sonstigen Nacktheit und Ausgesetztheit an Intimität noch konzedierte. Es war gewissermaßen der letzte Schamlappen gegen den blanken Voyeurismus und den Sadismus, der seine sexuelle Lust durch die Quälerei und in der Quälerei anderer Menschen erfährt.

      Was fehlte dieser Welt, wenn es das, worauf das Lendentuch Jesu hinweist, nicht gäbe oder gegeben hätte? – Es fehlte der Gedanke der Solidarität Gottes mit den Bloßgestellten, mit den Begafften, mit den Ausgezogenen und den Zur-Schau-Gestellten, mit den Entblätterten, mit den bis auf die Haut und bis ins Mark Blamierten, mit den schamlos Entehrten. Es fehlte das Zeichen der Solidarität mit den Menschen, die wie er durch einen Justizskandal, ja einen Justizmord beseitigt wurden und werden in dieser Welt. Im Tod Jesu Christi begibt sich Gott selbst in die tiefsten Niederungen des menschlichen Leidens und Sterbens, weil er leiden kann und den Menschen leiden mag. Hier begegnet uns ein zutiefst sympathischer, d.h. leidensfähiger und mitleidender Gott.

      Das Grabtuch Jesu

      Das Grabtuch Jesu (Sindon munda) meint das Tuch, in das Jesus gehüllt worden sein soll, als er vom Kreuz abgenommen und ins Grab gelegt worden ist. Es ist ein feines, kostbares Leinentuch und misst heute 105 mal 180 cm. Es muss einmal doppelt so lang gewesen sein. Es sind auch Stücke herausgeschnitten worden. Vermutlich stammt das Grabtuch aus dem 1. Jh. v. Chr.

      Was fehlte dieser Welt, wenn es das, worauf das Grabtuch Jesu Christi hinweist, wenn es seinen bestialischen Tod nicht gegeben hätte? – Es fehlte der Gedanke einer bis zum Äußersten, einer über die Todesgrenze hinausgehenden Heilsintervention Gottes für den Menschen und diese Welt. Gott macht sich, so sagt der christliche Glaube, angesichts des Leids der Welt keinen schlanken Fuß. Er geht den Weg des Menschen mit, den scheinbaren Holzweg vom Holz der Krippe bis zum Holz des Kreuzes, den Weg vom Geburts- bis zum Todesschrei, den Weg von den Windeln bis zum Leichentuch. Er steht wie wir im Leid und durchsteht mit uns das Leid bis in Sterben und Tod hinein. Er markiert den Weg durch das Sterben, den Weg in den Tod mit den Wegzeichen zum Leben. Er macht auch diesen letzten, uns allen zugemuteten Weg noch zum Lebensweg.

      Das Schweißtuch Jesu

      Das sog. Sudarium, das Schweißtuch Jesu besteht aus feinster alexandrinischer Muschelseide, aus Byssos. Es ist 352 mal 615 cm groß, sechzehnfach gefaltet, wurde 1860 auf eine Schutzunterlage genäht und 1895 mit einer Schutzdecke verziert. Es stammt spätestens aus dem 1. Jh. unserer Zeitrechnung, überschneidet sich also mit der Lebenszeit Jesu. Vom Schweißtuch Jesu spricht die Heilige Schrift in Joh 20,6–7. Es ist die Rede davon, dass es auf dem Haupt Jesu gelegen, dann aber, nach der Auferstehung Jesu, nicht mehr bei den Leinentüchern, sondern separiert und zusammengebunden an einem eigenen Platz gelegen habe.

      Was wäre, wenn es das, worauf das Schweißtuch Jesu hinweist, nicht gegeben hätte oder geben könnte? – Das Schweißtuch markiert im Evangelium den entscheidenden Übergang, es steht für den Schritt aus dem Ende, für das der Tod steht, zu einer Vollendung, für die das Leben steht. Es ist ein Signum, das die Geschichte des Todes Jesu mit der ersten Erfahrung von Auferstehung verbindet, ein verbindendes Zeichen, das auf die Identität und die Kontinuität des Gestorbenen und Auferstandenen hinweist. Ohne das, worauf das Schweißtuch hinweist, fehlte der Gedanke an die Auferstehung Jesu Christi und der Gedanke an die Auferstehung der Ermordeten, der Gemeuchelten, der zu Tode Geschundenen, der Verhungerten, der Verdursteten dieser Welt. Es wäre die endgültige absolute Irreversibilität des zugleich gleichmacherisch gerechten und des zugleich gnadenlos ungerechten Todes. Es gäbe keine ausgleichende endgültige Gerechtigkeit, sondern ausschließlich die Verewigung bleibender Ungerechtigkeit.

      So aber hören wir in der ersten Präfation der Totenmesse noch die Worte: „Deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen. Und wenn die Herberge der irdischen Pilgerschaft zerfällt, ist uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet.“ Und so beten die Katholik(inn)en in jeder Eucharistiefeier nach den auch uns selbst geltenden Wandlungsworten: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Durch diesen Blick auf Tod und Auferstehung Jesu Christi wandelt sich auch die persönliche menschliche Unheils- in eine Heils- und Hoffnungsperspektive über den Tod hinaus.

      Was bleibt?

      Alle diese textilen

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