Geist & Leben 4/2016. Группа авторов

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Selbstidentifikation einer Person als „kontemplativ“ zu begründen.18 Was auch immer zu dieser Identifikation führt, ihr Ausdruck ist nicht weltverneinend; die Spiritualität, die aus dem authentischen, kontemplativen, in der Welt geführten Leben hervorgeht, ist noch immer „für die anderen“.19 Es kann viele Formen annehmen für eine gewöhnliche Person, die ein gewöhnliches Leben in gewöhnlichen Umständen von Heim und Arbeit lebt.

      Transformierendes Gebet und der „kleine Weg“

      Die Tendenz zu glauben, dass wir nur dann wertvoll sind, wenn wir große Dinge tun, ist allgegenwärtig. Menschen, die in Industrieländern leben und von extremem Leid verschont geblieben sind, verspüren eine subtile Schuld, die die Freude am Ruf zu einem kontemplativen Leben untergräbt und die andeutet, dass sie nicht genug tun, um die Last derjenigen, die in weniger günstigen Bedingungen als sie leben müssen, zu erleichtern. Die implizite, unbewusste Annahme ist, dass wir nur dann von Wert sind, wenn wir von anderen als jemand gesehen werden, der/die einen großen Beitrag für eine bedürftige Welt leistet. Für diejenigen mit Begabungen, Kapazitäten und der Kraft, strukturellen Wandel zu bewirken, sind solche Handlungen tatsächlich richtig und angemessen. Für die weniger Begabten verstecken allerdings solche Forderungen den Wert des Kleinen vor Gott, welches sie berufen sind, zu tun und tun können. Selbst für die Begabteren kann es Mut bedürfen, der Kritik einer Gemeinschaft standzuhalten, und den „kleinen“ mehr als den „großen“ sozialen Nöten Wert beizumessen – wie Mutter Teresa, die angesichts ihrer Konzentration auf die Bedürfnisse des Individuums dafür kritisiert wurde, die sozialen Strukturen Indiens nicht genügend anzufechten.

      Für viele ist es ein langer Weg zur Selbstakzeptanz für das Geringe, das sie tun können. An einem bestimmten Punkt in seinem Leben dachte Parker Palmer, dass er „ein Leben wie Martin Luther King Jr. oder Rosa Parks oder Mahatma Gandhi oder Dorothy Day leben müsste, um der Anforderung eines ‚hohen Zieles‘ gerecht zu werden“.20 Auch der Hl. Johannes vom Kreuz hält fest, dass wir es als ein spezielles Leid empfinden können, wenn wir merken, dass wir nicht leiden.21 Was kann getan werden, um Menschen für den Wert der „kleinen“ Nöte vor ihnen zu sensibilisieren? Während es tatsächlich ein echtes Risiko gibt, dass die Annehmlichkeiten eines westlichen Lebensstils uns für das Leid blind machen, das von jenen, die weniger Glück im Leben hatten, erlitten wird, können uns diese gleichen Annehmlichkeiten und die oft unbewusste Schuld, die mit ihnen einhergeht, auch blind machen für den Wert der „kleinen“ Wege, in denen wir liebevoll denen um uns dienen.

      Die Schwierigkeit, uns selbst für die Nöte anderer zu sensibilisieren, ist für Metz und Sobrino eine Frage, die in die Tiefen unserer Beziehung zu Gott reicht. Es ist eine Frage, die die Natur unserer Spiritualität herausfordert. Unsere Spiritualität ist nur authentisch, wenn wir wach, aufmerksam und ansprechbar für die Realität des Leidens sind. Wie soll das allerdings bewerkstelligt werden? Für Metz und Sobrino wie auch für Simone Weil, finden sich Antworten auf diese Frage im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Für sie ist dieses Gleichnis das „grundlegende biblische Narrativ“ für eine authentische Spiritualität, die mitfühlend und ansprechbar für das Leid anderer ist.22

      Aus der Sicht von Metz und Sobrino sind der Priester und der Levit so beschäftigt mit scheinbar gewichtigen Angelegenheiten des Gesetzes, dass sie an dem Bedürftigen vorbeigehen.23 Sie sind der Meinung, dass ein intuitives Mitgefühl den Samariter motiviert hat, zu handeln. Seine Handlung beinhaltete ein kenotisches Aufgeben egozentrischer Bindungen an Komfort und Sicherheit. Solch ein gestaltgewordenes Mitgefühl, das uns auch zu handeln antreibt, ist leider sehr selten. Eigeninteresse und Ablenkungen lassen uns bereitwillig in einem selbstzufriedenen Schlummer zurück, der uns davon abhält, das Leid anderer zu sehen.24 Eggemeier hält eine asketische Praxis kontemplativen Gebets für notwendig, um die Augen des Herzens zu öffnen und um die damit einhergehende leibliche Sensibilität für die Nöte anderer zu entwickeln.25 Er zitiert Arbeiten von Sarah Coakley und Simone Weil, die aufzeigen, wie dieses Einfühlungsvermögen entwickelt werden kann. Coakley hat eindringlich über die transformierende Wirkung der kontemplativen Gebetspraxis und das darin liegende Vermögen geschrieben, eine prophetische Dynamik mitfühlenden Tuns zu entwickeln.26 Ihre Arbeit mit Häftlingen z.B. zeigte, dass regelmäßige Zeiten der Stille die Erfahrung des Selbst transformieren wie auch einen heilenden, alternativen Raum zu der unterdrückenden Umgebung bereit stellen können. Simone Weil stellt fest, dass eine kontemplative Disziplin für die fokussierte Aufmerksamkeit des barmherzigen Samariters essentiell war, um die Not des Mannes auf der Straße wahrzunehmen. Sie beschreibt diese Aufmerksamkeit als das Wissen, wie man eine Person auf eine bestimmte Weise ansieht: „Dieser Blick ist zunächst ein aufmerksamer Blick, wenn die Seele sich selbst leert von all ihrem Inhalt, um das Wesen, das sie ansieht, in sich aufzunehmen, genauso wie es ist, in all seiner Wahrheit. Es ist nur dazu fähig, wenn es zu Aufmerksamkeit fähig ist.“27

      Praktiken, die das Aufgeben egozentrischer Bindungen stimulieren, sind notwendig, da wir ansonsten nicht natürlicherweise ein selbstaufopferndes Bewusstsein erlangen. Ein weiteres Zeugnis über die transformierende Kraft des Gebetes kommt von dem Theologen Sebastian Moore, der darauf besteht, dass das „Gebet die radikalste Therapie für unsere Kultur ist“28.

      Eggemeier, Coakley, Weil und Moore sind nur einige der vielen Stimmen, die auf die Früchte des schweigenden Gebets verweisen, das wachsam für die Notwendigkeit mitfühlenden und liebevollen Tuns im Streben nach Gerechtigkeit macht. Darüber hinaus gibt es eine Fülle an empirischer Literatur, die die Auffassung dieser Denker(innen) unterstützt, dass meditative Praktiken notwendig sind, um neurophysiologische Veränderungen zu bewirken, die ein erhöhtes, verleiblichtes, intersubjektives Einfühlungsvermögen ermöglichen.29

      Die Frage taucht nun auf, welche Form dieses Handeln für das Leben derjenigen unter uns annehmen kann, die weniger Möglichkeiten und Fähigkeiten haben, „Großes“ zu bewirken, aber nichtsdestotrotz von Gott berufen sind, „Kleines“ zu bewegen und zu verändern.

      Eine wichtige Prämisse, um zu verstehen, wie wir anderen in unseren bescheidenen und einfachen Umständen dienen können, ist die Einsicht, dass Liebe und Gerechtigkeit synonym sind. Der Ausdruck „soziale Gerechtigkeit“ kann oft einschüchternd sein. Wenn wir, laut Simone Weil, Christi Ruf nach Gerechtigkeit zu einem Ruf nach Liebe neu ausrichten, dann vervielfachen sich die wahrgenommen Möglichkeiten für Gerechtigkeit und sozialer Handlung unter dem erweiterten Horizont, der durch kontemplatives Gebet entsteht.

      Weil besteht darauf, dass „Christus seine Wohltäter nicht liebevoll oder wohltätig nennt. Er nennt sie gerecht. Das Evangelium macht keinen Unterschied zwischen der Liebe für unseren Nächsten und Gerechtigkeit (…) Wir haben die Unterscheidung zwischen Gerechtigkeit und Nächstenliebe erfunden.“30

      Auch Augustinus hinterfragt den Gedanken, ob wir weit reisen müssen, um unseren bedürftigen Nächsten zu helfen: „Alle Menschen sollen gleichermaßen geliebt werden. Aber du kannst nicht gleichermaßen Gutes für alle Leute tun, somit sollst du dich besonders um jene kümmern, als sei es durch Los, die dir hinsichtlich Ort, Zeit und jeglichen anderen Umständen besonders nahe sind.“31 Die Lehre von Bruder Lawrence, Pierre de Caussade und Thérèse von Lisieux, nur um ein paar wenige aus der kontemplativen Tradition zu nennen, macht uns auch für die Notwendigkeit aufmerksam, die Vorsehung Gottes und den Ruf, die kleinen Möglichkeiten vor uns zu sehen, zu erkennen.32 Unser bedürftiger Nächster ist hier neben uns, vielleicht unterhält er sich mit uns, jedoch brauchen wir Augen, um zu sehen.

      Es ist wichtig, aktiv auf den Glauben zurückzugreifen, um unser Leben als Kanal für Gottes Gnade zu erfahren und zu verstehen, dass andere von Liebe und Segen berührt werden können, wenn wir unserem kontemplativen Ruf folgen. Während die größte der theologischen Tugenden die Liebe ist (1 Kor 13,13), können wir ohne Glauben Gott nicht gefallen und Gottes Willen für unser Leben erfüllen (Hebr 11,6). Es ist unumgänglich, Glauben zu haben, damit Gottes Gnade durch uns in liebevoller, heilender und befreiender Weise

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