3:2 - Deutschland ist Weltmeister. Fritz Walter
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So alt wie diese Überlegung ist Herbergers Entschluss, nicht die stärkste Mannschaft gegen Ungarn einzusetzen, um einige Spieler für das zweite Treffen mit den Türken zu schonen. In vielen deutschen Zeitungen und auch in der breiten Öffentlichkeit hat man ihn dieses Planes wegen vernichtend kritisiert.
Der 17. Juni, der Tag unseres ersten Spiels im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft, kommt heran! Wir haben ihn brennend herbeigesehnt. Endlich werden wir zeigen können, dass trotz aller Unkereien etwas in uns steckt.
Vor dem Mittagessen ruft Herberger zur heute besonders wichtigen Spielersitzung, bei der auch die endgültige Mannschaftsaufstellung bekanntgegeben wird. Der Stamm ist zwar schon lange bestimmt, nur in der Rechtsaußenfrage – Rahn oder Klodt? – und in der Torhüterbesetzung – Turek oder Kubsch? – wird noch hin und her überlegt? Die Elf spielt schließlich mit Turek; Laband, Kohlmeyer, Eckel, Posipal, Mai; Klodt, Morlock, O. Walter, F. Walter, Schäfer.
»Die Türkei braucht, weil sie ›gesetzt‹ ist und weil sie gegen Korea bombensicher gewinnt, nur ein Unentschieden! Vergesst das nicht!« Herberger hämmert es uns immer wieder ein.
»Sie wird betont auf Deckung spielen, uns anrennen lassen und dann versuchen, mit einem blitzschnellen Vorstoß ein Tor zu schießen. Ihr dürft euch in der ersten Viertelstunde auf keinen Fall überrumpeln lassen!« Aufmerksam hören wir zu. Der Chef studiert jede Nationalmannschaft gründlich, bevor er uns gegen sie aufs Feld schickt, und seine Ratschläge sind nur zu oft Stütze und Halt.
»Versucht, möglichst bald ein Tor zu machen, damit die Türken aus ihrer zu erwartenden Defensive herausgehen. Das könnt ihr dann ausnutzen, um euren Vorsprung auszubauen.«
Auch die Aufgaben der Verteidigung werden noch einmal durchgehechelt, die Zusammenarbeit von Außenläufern und Halbstürmern. Wenn sich die Außenläufer vorn in den Angriff einschalten, soll dafür der Halbstürmer zurückbleiben und Deckungsaufgaben übernehmen.
Bei Einwürfen auf keinen Fall herumstehen und warten, bis der Ball kommt! Einer läuft hin zu dem, der einwirft, als ob er das Leder annehmen möchte. Damit zieht er den Gegner auf sich; der Ball aber wird in Wirklichkeit einem anderen Kameraden zugeworfen, der inzwischen in entsprechende Position gelaufen ist. Ständig soll Bewegung sein, der Gegner muss irritiert werden! Keinen Augenblick darf er wissen, woran er ist.
Ein Problem für sich sind die gegnerischen Freistöße. Immer wieder, vor allem bei unserem Grünwalder Lehrgang, haben wir geübt, wie sie am sichersten abzuwehren sind. Einer legt den Ball in Strafraumnähe zum Freistoß bereit, die anderen mussten blitzschnell eine Mauer bilden. Toni Turek, oder wer gerade im Tor war, hatte fix den Standpunkt des Flügelmannes der Abwehrmauer zu bestimmen. Kam der Freistoß von rechts, war nach Möglichkeit unser rechter Läufer Flügelmann, kam er von links, war es der linke Läufer. Er hatte sich so zu stellen, dass dem Gegner kein freies Schussfeld blieb, dass er entweder die Mauer oder den Torwart anschießen musste. Bei eigenen Freistößen gilt als abgemacht, dass sie kurz vor dem gegnerischen Strafraum von mir getreten werden. Mit Effet hebe ich sie über die Mauer. Im Mittelfeld übernehmen Leute mit kräftigem Schuss, wie Ottmar oder Max Morlock, die Ausführung.
Bei eigenen Eckbällen halten wir uns an folgende Regel: Von rechts schießt sie der Rechtsaußen, die von links übernehme ich. Sie sind meine Spezialität; in einem einzigen Training habe ich sie oft dreißig- bis vierzig Mal geübt. Ich schieße Ecken von links mit dem rechten Fuß und gebe ihnen – Gefühlssache! – den nötigen Effet. Um den Gegner zu irritieren, haben wir eine oft erfolgreiche List ausgeheckt: Bei der ersten Ecke läuft ein Spieler dem Ball entgegen, als rechne er damit, dass er kurz hereinkommt. Dadurch zieht er einen oder auch zwei Deckungsspieler auf sich. Die Ecke kommt aber lang. Zwei, drei Spieler von uns, die sich von vornherein darauf eingestellt haben und am langen Eck lauern, sind dadurch weniger bewacht. Sie haben oft eine Chance, das Leder ins Tor zu schießen oder zu köpfen. Beim zweiten Eckball läuft wieder einer unserer Stürmer dem Ball entgegen. Die gegnerische Abwehr, die sich nicht an der Nase herumführen lassen will, reagiert auf die vermutliche Finte nicht, weil sie, gewarnt durch das erstemal, mit einer langen Ecke rechnet. Aber die Ecke kommt wirklich kurz.
Eine Kriegslist, die man beliebig variieren kann, und die komplizierter klingt als sie ist.
Dann die Elfmeter! Am Anfang hab’ ich mich heftig gesträubt, sie auszuführen. Herberger aber hat angeordnet:
»Bei mir schießen Sie die Elfmeter! Auch wenn es in Ihrer Vereinsmannschaft ein anderer macht! Sie können ruhig einen Strafstoß verschießen. Die Verantwortung dafür übernehme ich. Hauptsache, dass Sie schießen!«
Es kann natürlich vorkommen, dass der Elfmeterschütze aus irgendwelchen Gründen gerade nicht einsatzfähig ist. Vor dem Spiel wird deshalb schon ein Schütze Nummer Zwei bestimmt. Beim Türken-Spiel hieß er Jupp Posipal.
Auch die eventuelle Verletzung des Torwarts ist einzukalkulieren. Beim Training sind Kohlmeyer, Liebrich, Rahn und Ottmar im Tor ausprobiert worden. Wenn Turek verletzt wird, soll Ottmar für ihn ins Tor gehen. Aber nur für den Fall, dass wir im Vorteil sind und auf einen Stürmer verzichten können. Umgekehrt, wenn es darum geht, unter allen Umständen einen gegnerischen Vorsprung aufzuholen, soll Kohlmeyer die Torhüterrolle übernehmen.
Ich glaube nicht, dass Herberger in dieser gründlichen Spielersitzung etwas vergessen hat. Voll guter Vorsätze für das Spiel gehen wir in den Speisesaal zum Mittagessen.
»Poulet« steht auf der Karte, unser vor Länderspielen schon zur lieben Gewohnheit gewordenes Hähnchen; ein leichtes, aber kräftiges Essen.
Nach Tisch ist wie jeden Tag Bettruhe. Wer nicht schlafen kann, liest oder hört wie ich Kofferradio. Geruht werden muss auf jeden Fall. Deuser geht von einem Zimmer zum anderen und macht bei den elf, die zum Spiel aufgestellt sind, eine leichte Auflockerungsmassage.
Langsam wandert der Uhrzeiger! Endlich können wir dann aber doch unsere Siebensachen zusammenpacken und in den Omnibus klettern, der uns nach Bern bringt.
»Singen oder laufen!« heißt es beim Einsteigen, und ich kann versichern, dass noch niemand gelaufen ist.
Von Spiez nach Bern sind es nur etwa dreißig Kilometer. Als wir vor dem Stadion eintreffen und den Bus verlassen, nehmen uns begeisterte deutsche Schlachtenbummler in Empfang. Fähnchenschwenkend wünschen sie uns alles Gute.
Zum ersten Mal im Verlauf der Weltmeisterschaft gehen wir in unsere Kabine. Jeder sucht einen Platz und beginnt sich umzuziehen. Wir spielen in schwarzen Hosen und weißen Trikots!
Das ist heute nicht so selbstverständlich, wie es klingt, denn die Türken haben ebenfalls weiße Trikots (mit rotem Brustring). Damit der Schiedsrichter nicht irritiert werden kann und Verwechslungen zwischen den Spielern selbst ausgeschlossen sind, muss eine Mannschaft andere Trikots tragen. Es wird gelost, wer in seinem gewohnten Dress auf den Rasen darf. Eine Viertelstunde vor Spielbeginn kommt Dr. Bauwens freudestrahlend in die Kabine und verkündet.
»Das richtige Los hab’ ich schon mal erwischt! 1:0 für uns! Alles andere liegt jetzt bei euch!« Wir dürfen unsere gewohnten Trikots tragen, die Türken nehmen rote mit weißem Bruststreifen.
Herberger prüft den Rasen, Dassler sorgt dafür, dass die richtigen Stollen auf die Schuhe geschraubt werden, Arzt, Masseur – sie alle sind auf ihrem Posten. Auch ein paar von den elf Mann, die nicht spielen, müssen in der Kabine bleiben. Es könnte in letzter Minute noch etwas passieren. Erst wenn alle Spieler draußen sind,