3:2 - Deutschland ist Weltmeister. Fritz Walter
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Erlaubt sind Apfelschorle, Trauben- und Orangensaft mit aufgelöstem Traubenzucker oder auch Milch mit ausgepressten Erdbeeren, natürlich alles schön frisch serviert. Sehen wir, dass an einem Tisch viel getrunken wird, dann heißt es gleich:
»Feuchter Tisch bei euch! Wie sieht’s denn da aus?«
Gegenseitig helfen wir uns, nicht mehr zu trinken, als unbedingt nötig ist. Nur eine Ausnahme machen wir, an dem Abend nämlich, an dem wir zu einem original-bayerischen Essen eingeladen sind. Es gibt Schweinsbraten mit Knödel und Kraut, Gselchtes und Würstl. Dazu wären Limo und Sprudel Todsünden. Also wird jedem ein Glas Bier bewilligt.
Die zünftige Einladung hat uns übrigens Jackl Streitle verschafft, der in Grünwald Herberger hilft, wo er nur kann. Er kümmert sich um die Bälle und sorgt dafür, dass der Lehrsaal frei ist, wenn ein Film vorgeführt werden soll. Außer Masseur Deuser, der uns in den letzten Jahren bei allen Länderspielen betreut hat, steht zum ersten Mal auch ein Arzt zur Verfügung, Dr. Loogen.
Nur ein Schatten fällt auf die Tage von Grünwald. Noch sind wir 28 Mann, aber nur 22 dürfen bekanntlich in die Schweiz. Sechs Kameraden, voll Freude und Erwartung wie wir alle, werden ausscheiden.
Das harte Los, zurückzustehen und damit die Chance ihrer Fußballkarriere aus der Hand geben zu müssen, fällt schließlich auf Baumann und Röhrig, die verletzt sind, auf Harpers, Gottinger, Schäfer aus Siegen und Deinert.
Am Mittwoch vor Pfingsten ist unser Lehrgang beendet, und am Mittwoch nach Pfingsten sollen wir 22, die nun endgültig feststehen, uns in der Sportschule Schöneck bei Karlsruhe-Durlach wieder melden.
Wir können also ein paar Tage nach Hause fahren und ausspannen. Das Training aber dürfen wir auf keinen Fall vergessen.
»Ihr wisst selbst, was ihr zu tun habt! Niemand von euch kann es sich leisten, die zwölf Tage von Grünwald aufs Spiel zu setzen!« Herberger spricht noch einmal aus, was uns längst klar ist. Wir müssen alles dransetzen, um in der Höchstform zu bleiben, in die wir uns gebracht haben. Das gilt für mich noch mehr als für die meisten anderen, denn wenn man einmal die berüchtigte 30-Jahres-Grenze überschritten hat, muss man unermüdlich an sich arbeiten, um mit den Jüngeren Schritt halten zu können.
»Wenn wir über Pfingsten zu Hause bleiben, geht wieder ununterbrochen die Klingel, rappelt pausenlos das Telefon«, sagte ich, nach Kaiserslautern zurückgekehrt, zu meiner Frau. »Du wirst sehen, wir haben keine Viertelstunde Ruhe! Am besten verschwinden wir ein paar Tage!«
Kurz entschlossen packen wir die Koffer, meine Trainingssachen ganz obendrauf, und fahren nach Obertal, wo es meinen Kameraden und mir so gut gefallen hat.
Hoch oben am Berg suche ich mir eine Waldlaufstrecke, die etwa einen Kilometer lang ist. Jeden Morgen nach dem Frühstück packe ich die tausend Meter viermal, hin und zurück und wieder hin und zurück. Zuerst laufe ich mich warm, dann verschärfe ich das Tempo und lege regelmäßig Zwischenstarts ein. Kein Mensch stört mich um diese Zeit beim Training. Während die Beine mechanisch laufen, hämmern in meinem Kopf die Gedanken an die Weltmeisterschaft. Was dürfen wir hoffen? Was werden wir erreichen?
Wie schwer ist es doch, so allein zu laufen! Wenn die Kameraden dabei sind, lässt man sich mitreißen, hat seinen Ehrgeiz, nicht zurückzustehen. Pfingsten ist heute! Im Tal gehen die Leute spazieren oder sitzen auf den Balkons und frühstücken.
»Und du machst dich hier verrückt, läufst und läufst, bis dir das Wasser aus allen Poren rinnt. Lauf doch langsamer! Wozu rennst du denn so blödsinnig? Wozu?«
Ganz einfach, um meine körperliche Form für die Weltmeisterschaft zu halten. So wie ich in Obertal, trainieren die anderen bei sich zu Hause. Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns nicht unbedingt aufeinander verlassen könnten? Die Pflicht den Kameraden gegenüber ringt dann auch bald die Stimme der Versuchung nieder.
VON SCHÖNECK NACH SPIEZ
Als ich in Schöneck eintreffe, sind die meisten von den 22 Spielern schon da. Bei der Einkleidung am ersten Tag gibt es ein Mordstheater und Hallo. Den größten Spaß haben wir mit den Hüten. Viele von uns gehen normalerweise ohne Kopfbedeckung, heute wird ausnahmslos jedem ein Deckel verpasst. Ein paar sehen unmöglich aus, andere kleidet er prima. Bei mir geht es grad so. Ich bin selbst überrascht, denn ich habe in meinem Leben bisher nur einmal einen Hut aufgesetzt: als ich aus russischer Kriegsgefangenschaft kam und einen weithin leuchtenden Plattkopf heimbrachte. Damals hab’ ich den Hut fast Tag und Nacht getragen und ihn selbst beim Training nicht abgenommen. Nur vor einem saftigen Torschuss wurde er ehrerbietig gelüftet.
Wir bekommen alle graue Hosen, grüne Sakkos mit dem DFB-Wappen, gleiche Hemden, Krawatten, Schuhe und, wie schon gesagt, gleiche Hüte. Auch einheitliche Trainingsanzüge erhalten wir, selbstverständlich alles nach Maß. Dazu werden noch Laufschuhe und Schultertaschen für unsere Sportutensilien ausgegeben. Fußballschuhe, Schienbein- und Knöchelschützer, Unterziehhosen bringt jeder selbst mit. Trikots und Hosen, von denen an manchen Tagen eine oder zwei Garnituren durchgeschwitzt werden, liefert wiederum die Geschäftsstelle des Deutschen Fußballbundes in Frankfurt.
Endlich ist es soweit!
Am 11. Juni 1954 um 11.38 Uhr fahren wir freudestrahlend von Karlsruhe nach Basel ab. Unsere Expedition leitet Hans Huber aus München, der Zweite Vorsitzende des Deutschen Fußballbundes. Dazu kommen Bundestrainer Herberger, DFB-Geschäftsführer Dr. Xandry, Spielausschussvorsitzender Körfer, der Arzt Dr. Loogen, Masseur Deuser, Schuhspezialist Dassler und folgende 22 Spieler: Hans Bauer, Ulrich Biesinger, Horst Eckel, Herbert Erhardt, Richard Hermann, Bernhard Klodt, Werner Kohlmeyer, Heinz Kubsch, Heinrich Kwiatkowski, Friedrich Laband, Werner Liebrich, Karl Mai, Paul Mebus, Karl-Heinz Metzner, Max Morlock, Alfred Pfaff, Jupp Posipal, Helmut Rahn, Hans Schäfer, Toni Turek, Fritz Walter, Ottmar Walter.
Unser erster Schritt zur Weltmeisterschaft: Im Ulleval-Stadion von Oslo treten wir am 19. August 1953 gegen Norwegen an. Mit einem dürftigen 1:1 sind wir nach diesem Ausscheidungsspiel unserem Ziel, in der Schweiz dabei zu sein, nicht viel näher gekommen. Die Kritik ist entsprechend.
Kein Länderspiel ohne Morlock-Tor! Beim Stuttgarter 3:0 gegen unseren zweiten Gegner in der Ausscheidungsgruppe I, die Saar, hat Max Torwart Strempel überwunden und setzt zum erfolgreichen Torschuss an. In Hamburg, beim Rückspiel gegen Norwegen (5:1), verwandelt er mit phantastischem Hechtsprung eine Flanke zum Ausgleichstor (unten).
Erst zappelt der Ball, dann der glückliche Torschütze Max Morlock im Netz. Ein prächtig gelungener Schnappschuss aus dem Rückspiel gegen die Saar in Saarbrücken.
Nach meinem Ausscheiden in der ersten Halbzeit verfolgte ich neben Sepp Herberger, Dassler, Kubsch und Herrmann den entscheidenden Kampf von der Reservebank aus.