3:2 - Deutschland ist Weltmeister. Fritz Walter

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3:2 - Deutschland ist Weltmeister - Fritz Walter

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sie, »Ihr werdet der ganzen Welt zeigen, was Ihr könnt. Du wirst die Spiele Deines Lebens spielen, damit ich auch weiß, warum ich Dich so oft und so lange hab’ hergeben müssen.«

      Am anderen Morgen beginnt gleich nach dem Frühstück der Ernst des Lebens. Für uns heißt das: Training! Zehn Kilometer von Spiez entfernt steht uns in Thun ein gepflegter, wunderschön gelegener Sportplatz zur Verfügung. Zufällig trainieren hier auch die Uruguayer, die über dem See in Hilterfingen wohnen. Es ergibt sich, dass sie den Platz von neun bis halb elf Uhr benutzen, und wir anschließend bis zwölf. Als wir das erstemal auftauchen, werden wir stürmisch begrüßt. Das Hallo gilt vor allem Helmut Rahn, der mit seinem Verein Rot-Weiß Essen wochenlang in Südamerika war und auch gegen die Nationalelf der Urus gespielt hat. Zweimal konnte Rot-Weiß-Essen in Uruguay gewinnen, gegen die Nationalmannschaft allerdings hat es 1:5 verloren. Der Boss bekam Bombenkritiken und auch zahlreiche Angebote. Jetzt fallen ihm die Urus um den Hals, schlagen ihm temperamentvoll auf die rechte und auf die linke Schulter. Der Helmut in seiner burschikosen Art steht ihnen nicht nach. Auch er: rechte Schulter, linke Schulter. Es ist ein unbeschreibliches Palaver!

      Am nächsten Tag treffen wir in Thun die Urus wieder. Ich täusche mich bestimmt nicht: bei aller Liebenswürdigkeit mustern sie uns ziemlich mitleidig. Ganz offensichtlich denken sie: »Ja, was wollen denn die?« In den Zeitungen liest man, dass die Urus, die 1950 bei der IV. Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien den Coupe du Monde zum zweiten Mal gewonnen haben, den Pokal erst gar nicht mit in die Schweiz bringen wollten. So fest sind sie davon überzeugt, dass sie ihn ein drittes Mal erringen – in diesem Fall würde er ihr Eigentum.

      Die Schweizer schenken uns neben der großen Konkurrenz nur wenig Beachtung. In Scharen kommen sie und schauen den Südamerikanern beim Training zu; sie können sich an ihrer

      Ballartistik nicht sattsehen. In unserer mehr nüchternen und sachlichen Art warten wir, bis sich die Zuschauer verlaufen, und nur noch unsere Anhänger auf dem Platz sind. Das Training umfasst ein reichliches Pensum an Laufarbeit. Wir drehen Runden auf der Bahn, erst gemächlich, machen zwischendurch ein paar Starts wie in Grünwald. Dann spielen wieder fünf Mann gegen fünf oder Sturm gegen Hintermannschaft. Jedenfalls ist alles darauf abgestellt, uns zu lockern und gut in Kondition zu halten.

      »Ich werde einfach das Gefühl nicht los, wir müssen eines Tages gegen die Urus spielen!«

      Davon bin ich fest überzeugt, und die anderen sind es auch. Die Vorstellung hält sich, weiß der Teufel warum, lange Zeit und wird zur fixen Idee für die ganze Mannschaft.

      Es ist selbstverständlich, dass uns diese Vorahnung gleich am Samstag, einen Tag nachdem wir in der Schweiz eingetroffen sind, nach Thun treibt, wo die Urus gegen die Thuner Stadtmannschaft antreten. Die Gastgeber, die uns ihr schönes Stadion zum Training überlassen, sind gerade in die I. Schweizer Liga aufgestiegen.

      Auch die Ungarn kommen aus Solothurn, um ihre viel gerühmten Rivalen spielen zu sehen. Unser Jupp Posipal, der aus dem Banat stammt und ungarisch spricht, geht gleich auf Rechtsaußen Zoltan Czibor zu. Vor Jahren hat er mit ihm die Schulbank gedrückt, jetzt begrüßt er ihn herzlich. Jupp kennt auch die anderen Ungarn ganz gut, weil er mit Herberger beim Spiel Österreich gegen Ungarn (0:1) in Wien war.

      Die Zuschauer des ungleichen Fußballkampfes Uruguay – Thun kommen voll und ganz auf ihre Kosten. Die Südamerikaner sparen nicht mit Tricks und Raffinessen. Ihre spielerische Eleganz, ihre traumwandlerisch sichere Ballbehandlung sind bestechend. In der ersten Halbzeit wehren sich die Thuner noch recht tapfer, sie haben sogar ein paar Torgelegenheiten. Nach der Pause aber gehen sie im Wirbel der Urus unter. Mit einer zweistelligen Packung verlassen sie den Platz.

      Wir bestaunen und bewundern die Südamerikaner, erkennen aber auch, dass ihre Deckung nicht reibungslos funktioniert. Taktisch, als Mannschaft gesehen, sind diese Individualisten durchaus verwundbar. Wenn wir in bester Form gegen sie antreten könnten, mit unserem schnellen, direkten Spiel ohne jeden Schnörkel, trauen wir uns durchaus eine Chance gegen den Weltmeister von 1950 zu. Wir sind zwar beeindruckt, aber doch nicht so, dass wir Komplexe mit heimnehmen. Im Gegenteil – unser Selbstvertrauen wächst um ein gutes Stück.

      Nur ein Spieler fasziniert mich von der ersten Minute an, Juan Schiaffino, der berühmte Halbstürmer. Auch Herberger ist der Meinung, dass er hoch über alle hinausragt. Es ist ein Genuss, diesem Mann zuzuschauen. So begeistert bin ich, dass ich meiner Frau schreibe:

      »Ich wünschte mir nur, zehn Jahre jünger zu sein und mit ihm in einer Mannschaft spielen zu können!«

      Wie dir Urus nutzen die Ungarn und die Brasilianer jede sich bietende Gelegenheit zu ähnlichen Übungsspielen. So wählen die Ungarn beispielsweise Young Boys Bern als Partner.

      Herberger hält weniger von dieser Art zu trainieren.

      »In solchen Begegnungen tritt doch immer deutlich die Überlegenheit einer Mannschaft zutage. Und das ist für die Weltmeisterschaft, bei der man nur mit gefährlichen Gegnern zu rechnen hat, nicht ganz das Richtige.«

      Andere Trainer vertreten demgegenüber den Standpunkt, durch solche Spiele würde sich ein Team noch eher finden und noch besser kennenlernen. Unangefochten steht eine Ansicht neben der anderen. Jeder handelt nach seiner Fasson.

      Im Hotel Belvédère leben wir uns prächtig ein. Die Speisekarte ist reichhaltig, und wir haben keinen Grund, uns über irgend etwas zu beklagen. Hinter dem Büfett in unserem Speisesaal regiert eine energische Blondine, von der die hin und her flitzende Bedienung ganz nett am Gängelband gehalten wird. Werner Liebrich, bei uns nur der »Kleine« genannt, tauft sie dann auch bald »Feldwebel«, später heißt sie einfach »Sergeant«. Sie ist aber keineswegs beleidigt, und wir haben bald heraus, dass hinter ihrer rauen Schale ein weicher Kern steckt. Auch die Serviermädchen haben schnell ihren Spitznamen weg, eine rufen wir zärtlich »Schwärzchen«. Doch gleich ob »Sergeant« oder »Schwärzchen«, sie sind rührend um uns besorgt, und wir fühlen uns geborgen und gut aufgehoben.

      Helmut Rahn sprüht vor Kraft und Lebensfreude. In aller Herrgottsfrühe steht er auf dem Balkon und imitiert in zwerchfellerschütterndem Tonfall seine geliebte Essener Marktfrau:

       »Prima schnittfeste Tomaten heute, Leute!

       Kauft die prima Oma-Lutsch-Birnen!«

      Oder er wälzt sich mit Werner Liebrich in einem turbulenten Freistilringkampf am Boden, stellt seinem Gegner den Fuß auf den Bauch und verdreht ihm fürchterlich die Glieder. Zum Zeichen der Aufgabe klopft Werner dreimal auf den Boden. Beide Kämpfer sind nassgeschwitzt. Wir stehen im Kreis herum und klatschen hingerissen Beifall. Der Boss aber hat noch nicht genug. Er dreht Werner, der vor Lachen kaum noch Luft kriegt, auf den Bauch und beißt ihn mit aller Kraft in den Hintern. Der »Kleine« schreit wie am Spieß, und wir brüllen vor Vergnügen. Krumm genommen wird grundsätzlich nichts, das versteht sich ganz von selbst. Einer mag den anderen gern, auch wenn man sich mal ein wenig auf die Schippe nimmt.

      DAS ERSTE TÜRKEN-SPIEL

      Unter täglich gleich gewissenhaftem Training vergehen die Tage bis zum Spiel gegen die Türkei. Die Vorbereitungen lassen keinen Zweifel darüber, dass wir diesen Kampf auf alle Fälle gewinnen müssen. Schon als wir uns in Saarbrücken die nötigen Punkte holten, um in die Schweiz fahren zu können, war Herbergers Programm fix und fertig: Über die Ungarn würden wir es nie schaffen, unter die letzten Acht zu kommen, das stand für ihn fest. Alles dreht sich deshalb einzig und allein darum, gegen die Türken zu gewinnen. Selbst ein Unentschieden würde uns praktisch aus dem Rennen werfen, denn dann müssten wir die Ungarn besiegen, und diese Möglichkeit lässt der Chef, wie schon gesagt, ganz außer Betracht. Auch zwei Unentschieden,

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