Wer bin ich?. Keith Hamaimbo

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Wer bin ich? - Keith Hamaimbo Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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sind als er selbst, und sie kommen und wohnen hier. So befindet sich der Mensch am Ende in einem schlimmeren Zustand als am Anfang.’ Nach Evagrius ist der erste böse Geist die ‚Völlerei’, die sich schließlich die sieben weiteren Laster ‚einverleibt’, sodass es zur Achtzahl kommt. Die acht Laster sind: Zorn (EINS im Enneagramm), Hochmut (ZWEI); Eitelkeit bzw. Ruhmsucht (DREI), Traurigkeit (im Sinne von Selbstmitleid) bzw. Neid (VIER), Habsucht (FÜNF), Völlerei (SIEBEN), Wollust (ACHT) und Trägheit bzw. ‚Akedia’ (Neun). Die ‚Furcht’, die im Enneagramm Typ SECHS zugeordnet wird, fehlt. Papst Gregor I. hat diese Liste später auf die bis heute gängige Liste der sieben klassischen Hauptsünden reduziert, bei der Eitelkeit und Traurigkeit_wegfallen, sodass Zorn, Hochmut, Neid, Habsucht, Völlerei, Wollust und Trägheit übrig bleiben.157

      Der Text „De vitiis quae opposita sunt virtutibus“ (ca. Über die Laster im Gegensatz zu den Tugenden), worauf Rohr und Ebert sich beziehen, ist an einen Mönch namens Eulogios adressiert. Unterteilt in neun Abschnitte, werden in jedem der Abschnitte die gegenseitigen Pole eines Lasters und einer Tugend dargestellt.158 Auffallend ist, dass Evagrios die Beschreibung der Laster, im Gegensatz zu seiner ‚normalen’ Achtzählung der Laster in seinen anderen Schriften, in neun Kapitel einteilt, Die Reihenfolge in diesem Schreiben ist so wie in den anderen Werken des Evagrios,159 allerdings gibt es einen Einschub des ‚Neids’ zwischen Hochmut und Stolz.160 Ein Vergleich der Laster im Enneagramm mit denen in De vitiis quae opposita sunt virtutibus des Evagrios zeigt, dass die im Enneagramm dem Muster Vier zugeschriebenen Laster (Traurigkeit und Neid) zwei Mal vorkommen. Bei Evagrios werden die Traurigkeit und der Neid als einzelne Laster gezählt. Mit der Liste der neun Leidenschaften im Text von Evagrios kann zwar wegen der Zahl der Neunteilung eine Verbindung zum Enneagramm hergestellt werden, dies aber stellt noch keinen überzeugenden Beweis dar, weil die Liste der Leidenschaften bei Evagrios nicht genauso im Enneagramm zu finden ist. Die Furcht als Leidenschaft wird in dem Text nicht eindeutig als solche genannt, was aber notwendig wäre, um die Liste des Evagrios in Bezug auf das Enneagramm zu vervollständigen. Interessant ist aber, dass das Wort Furcht (φόβος) in dem Text auch vorkommt, zwar nicht als Leidenschaft, sondern als eine falsche Haltung. „Ὑπομονὴ, άκηδίας διακοπὴ, λογισμῶν κατακοπὴ, θανάτου μέριμνα, σταυροῦ μελέτη, καθηλωμένος φόβος, τυπτόμενος χρυσὸς, θλίψεων νομοθήκη, βίβλος εύχαριστίας, θώραξ ἡσυχίας, πόνων ὅπλον, άναζέουσα καλλιπονία, άρετῶν ύπογραφή.“161 Wie auch in diesem Motiv erkennbar wird, ist Furcht bei Evagrios ein wichtiger Begriff. Denn jemand, der mit φόβος bezeichnet wird, kann Vertrauen in Gott nicht zulassen. Dieser steht im Gegensatz zum Glauben. (2Tim 1,7; Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.).φόβος wird interessanterweise in Verbindung mit Akedia (Trägheit) verwendet, und zwar unter den Gegenbeispielen (Tugenden) der Trägheit. Die englische Übersetzung der oben angegebenen Stelle lautet: “Perseverance is the severing of acedia, the cutting down of thoughts, concern for death, meditation on the cross, fear firmly affixed, beaten gold, legislation for afflictions, a book of thanksgiving, a breastplate of stillness, an amour of ascetic works, a fervent work of excellence, an example of the virtues.”162 φόβος kann in diesem Satz zweideutig verstanden werden: Im Sinne von passender, angebrachter Angst oder als eine starke unangebrachte Angst. Obwohl Angst und Furcht synonym verwendet werden, ist es bezeichnend, dass bei Evagrios die Furcht eher verwendet wird als die Angst. Der Religionswissenschaftler Günter Lanczkowki beschreibt den Unterschied zwischen Angst und Furcht so, „dass unter Angst eine unbestimmte, auf nichts Konkretes gerichtete Gemütsverfassung verstanden wird, während Furcht eine objektivierte Macht als auslösendes Moment dieser Gefühlsreaktion voraussetzt“163. Jemand, der sich fürchtet, steht vor einer Gefahr, die in seiner Sicht bedrohlich erscheint. Obwohl diese Gefahr nicht unbedingt bedrohlich sein mag, für den Betroffenen ist die Angst real. „Damit können dem Begriff der Furcht ebenso wie dem griechischen Etymon φόβος die Begleitmotive des Schauers, der dämonischen Scheu und des panischen Schreckens eigen sein.“164 Für die Stoa galt die Furcht als ein „Grundübel“, das die Freiheit der Person bedroht und daher nicht nur zwingend abgetötet, sondern gar ausgerottet werden muss.165

      Bei Evagrios werden die Gedanken als Synonym für die Dämonen angesehen, allerdings nicht im Sinne von intellektuellen Gedanken, sondern diejenigen, die emotionsbetont sind.166 In Anlehnung an Evagrios schreibt Grün: „Die Gedanken, die von den Dämonen stammen, betrachten die Dinge immer mit Leidenschaft und Emotionen. Sie überlegen z.B., wie man die Dinge besitzen könne, welche Vergnügen sie bereiten und ob sie einem Ruhm verschaffen können.“167 Diese Gedanken beeinflussen die Person auf dreifache Weise (platonische Dreiteilung der Seele). „Die ersten drei Laster werden dem begehrlichen Teil (epithymia), die nächsten drei dem erregbaren oder emotionalen Teil (thymos) und die letzten dem geistigen Teil (nous) zugeordnet.“168

       1.4.5. Definition und Näheres zu den Leidenschaften

      Weil die Leidenschaften den Weg zum persönlichen und spirituellen Wachstum erschweren oder gar verhindern,169 sind sie eine Form von „Desintegration der menschlichen Persönlichkeit.“170 Sie sind die „Arten, wie wir unsere Mitte verlieren und in unserem Denken, Fühlen und Handeln irregeleitet werden.“171 Das, was als zu unseren Gunsten erscheint, ist in Wirklichkeit das, was uns zerstört.172 In diesem Sinne können die Leidenschaften dem Menschen nur zugutekommen, wenn sie zu ‚Tugenden’ werden, denn von sich aus sind sie „defizitärer Natur“173, so Johannes Bartels. „Sie fungieren als Kompensation für einen je spezifischen Mangel an essentieller Qualität.“174 Daher sind Tugenden und Laster eng beieinander. Daher ist es auch „entscheidend, dass die jeweilige Tugend nur dann ausgebildet werden kann, wenn die entsprechende Leidenschaft als solche wahrgenommen“175 werden kann. Näheres dazu schreibt Bunge:

      Man muss auch die Unterschiede zwischen den Dämonen erkennen und sich ihre zeitlichen Umstände merken […]. Dies zu wissen ist notwendig, damit wir, wenn die Gedanken anfangen, ihren eigenen Stoff anzuregen, noch ehe wir allzu weit aus unserem eigenen Zustand hinausgeworfen worden sind, etwas wider sie vorbringen und den anwesenden (Dämonen) kenntlich machen.176

      Nach Robert E. Sinkewicz ist die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung dabei unverzichtbar. In seinem Kommentar zu Evagrios’ ‚Abhandlung über Gedanken’ (Thoughts) beschreibt er ‚Beobachtung’ als spirituelle Übung zum besseren Bewusstwerden der eigenen Gedanken (im Sinne von Leidenschaften). Ein angemessenes ‚Ich-Bewusstsein’ kommt nicht zustande, indem die dunkle Seite der eigenen Person oder der Gedanken ignoriert wird. Im Gegenteil – der Mensch darf die Leidenschaften zulassen, damit er sie überhaupt beobachten kann. So kann er durch die Beobachtung der Leidenschaften wissen, wie er mit ihnen umgehen kann, wenn sie die Ober- hand über ihn zu gewinnen drohen.177 Dadurch wird es für den Menschen einfacher, die Leidenschaften zu bändigen; denn eine genaue Beobachtung der Leidenschaften führt dazu, dass die richtigen Methoden angewendet werden, die für den Umgang mit der jeweiligen Leidenschaft geeignet sind. Das bedeutet zum Teil, dass durch die Verinnerlichung dieses Bewusstseins die innere Verfassung des Menschen so ausgerichtet wird, dass sie unabhängiger von den Leidenschaften wird.178

       1.4.5.1. Apatheia (oder Leidenschaftslosigkeit)

      Evagrios warnt davor, die eigene geistliche Entwicklung als Verdienst unseres Tuns zu feiern. Nach ihm ist jede Tugend, jedes Wissen, jeder Sieg über die Leidenschaften eine Gnade Gottes. Nur durch diese Gnade

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