Wer bin ich?. Keith Hamaimbo
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Ich [Evagrios] habe diese Abhandlung über das Gebet in 153 Kapitel eingeteilt. Mit ihnen sende ich dir einen Leckerbissen des Evangeliums, damit du dich an einer symbolischen Zahl erfreuen kannst, die eine dreieckige und ein sechseckige Figur miteinander verbindet. Das Dreieck steht symbolisch für die Trinität, das Sechseck für die geordnete Erschaffung der Welt in sechs Tagen. Die Zahl 100 bezeichnet ein Quadrat, die Zahl 53 ein Dreieck und zugleich einen Kreis. Weshalb? Weil sie die Summe von 25 und 28 ist. 28 ist das Dreieck und 25 das Quadrat, da 25 fünf mal fünf ist. So stellt diese Summe eine quadratische Figur dar, da sie die vierfache Qualität der (sieben) Tugenden symbolisiert. Der Kreis drückt durch seine runde Form den Fluss der Zeit aus und ist zugleich ein angemessenes Symbol für die wahre Welterkenntnis. Im Fluss der Zeit folgt Woche auf Woche, Monat auf Monat, Jahr auf Jahr und Jahreszeit auf Jahreszeit, wie es die Bewegung von Sonne und Mond, Frühling und Sommer und so weiter zeigen. Das Dreieck, das in der Zahl 28 zum Ausdruck kommt, bezeichnet die Erkenntnis der Heiligen Trinität. Oder wir könnten die ganze Summe von 153 als ein Dreieck deuten, das die asketische Praxis, die Kontemplation der Natur und die Betrachtung des spirituellen Wissens von Gott bedeutet – oder Glaube, Hoffnung und Liebe, oder Gold, Silber und Edelsteine.239
Die Formen sehen dann so aus:
Abbildung 1.
Eine Kombination der Formen und der dynamischen Verbindungen zwischen ihnen ergibt eine ähnliche Symbolik wie die des Enneagramms:
Abbildung 2.
In Bezug auf das menschliche Verhalten schreibt Evagrios: „Und so verhält es sich mit allen Regungen und ihren Gegensätzen, die wir aufgezählt haben, nach jenen drei Ordnungen und sechs Verhaltensweisen, die wir oben durchgegangen sind, ich will sagen nach dem Leben und der Gesundheit und der Krankheit.“240
Die Belege von Evagrios’ Vertrautheit mit Symbolen und Zahlen können zum besseren Verständnis der Arbeit mit dem Enneagramm in christlichen Kreisen beitragen, da nun die Frage, die gestellt werden sollte, nicht mehr die ist, ob die Zahlen und Symbole überhaupt christlich sind, sondern wie damit umgegangen werden sollte.
1.4.8. Das Ziel des Evagrios und der enneagrammatischen Lehre
Evagrios war nicht nur Mystiker, sondern auch Theologe und Philosoph. Aber bei ihm diente alles dem Einen: der Gotteserkenntnis. Die Seelenkenntnis war bei ihm keine philosophische oder psychologische Spekulation, sondern eine bewusste Tat auf dem Weg der Gotteserkenntnis. Das scheint Evagrios Einsatz als geistlicher Vater gewesen zu sein. Denn „Evagrios scheint recht bald in den Ruf eines herzenskundigen Vaters gekommen zu sein, und die Mönche, aber wohl auch Laien, kamen zum Teil von weit her, um seinen Rat einzuholen.“241
Nach Evagrios macht das Wissen auf dem Weg der Gotteserkenntnis den Menschen liebesfähig. Nur der Liebesfähige kann auch gottesfähig sein.242 „Das aber ist ohne die Überwindung der das menschliche Wesen verfälschenden, liebetötenden Leidenschaften nicht möglich.“243 Damit man von einer Überwindung der Leidenschaften sprechen kann, muss man laut Bunge genau wissen, wie die Leidenschaften wirken.244 Denn, nach Bunge sind die „Laster, die die Menschheit bedrängen, seit jeher und überall dieselben, nur ihre konkreten Ausformungen variieren entsprechend der jeweiligen Lebensumstände der Menschen.“245 Im gleichen Sinne ist das Wissen um das Enneagramm ein Wissen um die Leidenschaften. Das heißt, das Enneagramm soll eigentlich den Menschen liebesfähig machen in je ihren eigenen Begegnungen.
1.4.9. Humor bei Evagrios
Ein anderer Aspekt, der die Lehre des Evagrios begleitet, ist der Humor. Dieser Aspekt gehört auch zur Arbeit mit dem Enneagramm oder ist zumindest bei einigen Enneagrammatikern ein bewusster Aspekt des Umgangs mit Menschen in ihrer Arbeit mit dem Enneagramm.
Wenn man die Beschreibungen einiger Erscheinungsmerkmale der Leidenschaften bei Evagrios liest, ist es viel leichter, wenn man sich vorstellt, dass das alles mit einer gewissen Leichtigkeit getragen wird. Auf ähnliche Weise beschreibt Zander, was Humor nach seiner Meinung bedeuten könnte, nämlich dass „aufgeklärter Spott den göttlichen Dingen besser bekommt als esoterische Anstauung“246. So finden wir bei Evagrios viele Beschreibungen des Mönches, die nicht so ernst erscheinen, obwohl die dahinter stehende Lehre doch für den geistlichen Weg des Mönches unverzichtbar ist. Bunge beschreibt diese Eigenschaft des Evagrios folgendermaßen:
[Es] bedarf wirklich keines besonderen Scharfsinnes, um in diesen, z.T. orts- und zeitgebundenen, manchmal recht humorvollen und gelegentlich fast karikaturistisch anmutenden Skizzen des Mönchs- und Eremitenlebens den allgemeinen menschlichen Untergrund wiederzuerkennen. Manche dieser Karikaturen werden den Leser unmittelbar zum Lachen reizen – und das ist eben ihr Sinn. Denn wer lacht, weiß sich ertappt und hat damit seine eigene Schwäche bereits erkannt.247
In der nachfolgenden Ausführung Bunges kann man deutlich erkennen, wie Evagrios eine Person beschreibt, die mit der Trägheit kämpfen muss: Es entsteht ein karikaturistisches Bild. In seinem Werk „Tractatus de octo spiritibus malitiae“ schreibt Evagrios Folgendes:
Das Auge des Überdrüssigen beobachtet häufig die Fenster und sein Geist stellt sich die Besucher vor. Die Türe hat geknarrt – und er ist aufgesprungen. Er hat eine Stimme gehört – und aus dem Fenster gespäht, und er geht von dort nicht weg, bis er, lahm geworden, sich setzt. Beim Lesen gähnt der Überdrüssige oft, und leicht versinkt er in Schlaf. Er reibt sich die Augen und streckt die Arme aus und wendet die Augen vom Buch ab; er starrt die Wand an, kehrt wieder ein wenig zur Lektüre zurück, und indem er (das Buch) durchblättert, vergeudet er seine Zeit mit den Schlussworten. Er zählt die Seiten, bestimmt die (Zahl der) Hefte, bemäkelt die Schrift und die Ausstattung, schließlich klappt er das Buch zu, legt den Kopf darauf und verfällt in einen nicht sehr tiefen Schlaf, denn der Hunger weckt schließlich seine Seele wieder auf, und sie geht (wieder) ihren eigenen Sorgen nach.248
Diese Leichtigkeit und der Humor können gerade für das Enneagramm sehr hilfreich sein, weil es dadurch nicht in die Gefahr der ‚esoterischen Anschauung‘249 gerät, sondern gnädig und menschlich bleibt. Für Thomas Laubach ist es dies, was Glaube und Humor verbindet: Sie machen es möglich, Distanz zur Welt zu haben, aber gleichzeitig in der Welt zu leben.250 In ähnlicher Weise schreibt Wilfried Härle:
Glaubende sind dessen gewiss, dass die Entscheidung über das Scheitern oder Gelingen ihrer Existenz letztlich nicht von ihren eigenen Anstrengungen und Bemühungen abhängt, sondern von dem, was ihnen von Gott her zugedacht ist und zuteil wird. Das nimmt dem eigenen Handeln nicht