Wer bin ich?. Keith Hamaimbo

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Wer bin ich? - Keith Hamaimbo Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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Verhalten der Menschen beschreibt, was nicht konfessionell gebunden ist, sondern nur menschlich. „Modell sagt, es gibt […] neun verschiedene Brillen, mit denen man die Welt anschaut. Und ob man jetzt evangelisch ist – man hat einfach so eine Brille“.272 Für Herrn Schulte ist das Enneagramm eine Orientierungshilfe. Es ist für ihn ein Kennenlernmodell, das Informationen über den Mitmenschen gibt, und zwar auf zweierlei Weise: auf reiner Wissensbasis und auf Gewissensbasis. Es sei gut, wenn man sagen könne, durch den Glauben sollte man alles akzeptieren und verstehen, aber im Alltag funktioniere dies nicht immer. Es sei besser, wenn man wisse, was hinter einem Verhalten steckt.273 Auf diesen Punkt bezogen kritisiert Lütz, dass das Enneagramm esoterische Züge aufweise: „von daher ist das Enneagramm dann schon ein Problem, weil [man] tatsächlich […] so ein scheinbar esoterisches Wissen über das ‚Eigentliche‘ hinter dem Menschen“274 hat.

      Für Herrn Schulte besteht die Hilfe im Enneagramm darin, unbeantwortete Fragen in seinem Leben zu beantworten, allerdings in einer Weise, dass das Enneagramm seine Hypothesen bestätigt oder widerlegt. Andererseits sagt er, dass das Enneagramm nur Teile vom Ganzen beschreibe. Es könne keine einzelne Person gänzlich beschreiben, als sei sie ein Objekt. Für ihn sind die Beschreibungen einerseits grob, zum anderen eine feine Einteilung der menschlichen Eigenschaften.275

      Und zuletzt sagt Gündel, dass es ein zweistufiges System – psychologisch und spirituell – sei. Die Typbeschreibungen weisen auch daraufhin, wie eine Person sich spirituell entwickeln kann, und zwar für jeden auf seine eigene Weise:

      Gündel: Also für mich ist das auf der einen Seite ein psychologisches System der Menschenkenntnis, da beschreibst du einfach neun unterschiedliche Persönlichkeitstypen[…] und auf der anderen Seite ist es sozusagen ein System im Übergang von Persönlichkeit zur Spiritualität, was einen jeweils persönlichkeitsspezifischen Weg zur Spiritualität weist. […] Wo ist mein nächster Schritt, wenn ich nicht gerade mehr mit meiner Mechanik beschäftigt bin?276

       2.1.1. Flügel

      Abbildung 3.

      Mit der Theorie der Flügel wird im Enneagramm veranschaulicht, dass ein Haupttyp auf beiden Seiten von zwei weiteren Typen umgeben ist, deren Eigenschaften sich mit dem Haupttyp vermischen können. Nach dem obigen Enneagramm-Modell (Abbildung 3.) hat z.B. Typ FÜNF die Typen SECHS und VIER als Flügel. Einer der Flügel kann dominanter sein als der andere, so dass er mehr zum Vorschein kommt. Das bedeutet, er hat mehr Bezug zum Haupttyp als der andere Flügeltyp. Nach Helen Palmer „wäre es [aber] unzutreffend, das Potential des anderen [des nicht dominanten Typs] zu negieren.“277 Obwohl der andere Flügel nicht dominant ist, kann er sich unter Umständen bemerkbar machen, sodass ein Haupttyp stets mit beiden Flügeln betrachtet werden sollte.

      In den letzten Jahren hat das Konzept der Flügel für das Verständnis der Typen mehr an Bedeutung gewonnen. Es wird häufiger in der Enneagramm-Literatur und den -Vorstellungen nicht nur von den neun Haupttypen geredet, sondern auch auf die benachbarten Typen Bezug genommen. Statt nur z.B. von Typ FÜNF zu sprechen, wird von Typ FÜNF mit VIERer-Flügel und Typ FÜNF mit SECHSer-Flügel usw. gesprochen. Obwohl es um den gleichen Typ geht, erscheinen die zwei Varianten wegen der „Färbung“ des Haupttyps mit den Eigenschaften der Flügeltypen unterschiedlich voneinander. Einige Menschen berichten, dass sie sich besser typisieren ließen, nachdem sie die Flügelvarianten berücksichtigt hatten. Das ist damit zu begründen, dass die Berücksichtigung der Flügel ermöglicht, das Verständnis der Typen zu erweitern und somit die Arbeit an sich individueller und gezielter zu gestalten278, denn die „Gewichtsverlagerung zu den Flügeln hin trägt zur Charakterisierung der Persönlichkeit bei. Zwei Menschen, die demselben Typ angehören, sind nie identisch, auch wenn sie die gleichen Themen und Probleme haben.“279

       2.1.2. Pfeile

      Im obigen Enneagramm-Modell (Abb. 3.) gibt es Linien, die einzelne Typen miteinander verbinden. Unter Enneagramm-Experten wird – besonders in Bezug auf die Entwicklungsmöglichkeiten – gezeigt, was die Richtungen der Pfeile und die Bewegung mit oder gegen den Pfeil für die Entwicklung bedeutet. Bei den meisten Enneagramm-Experten werden die Begriffe „Stress-“ und „Trostpunkt“ verwendet, um die Bewegung zu beschreiben. Für Helen Palmer kann zum Beispiel die Arbeit mit den Bewegungen der Pfeile unter folgenden drei Aspekten betrachtet werden: Der erste Aspekt beschreibt, wie die Eigenschaften des Haupttyps in normalen Umständen zum Vorschein kommen. Der zweite Aspekt kommt zum Vorschein, wenn man sich von dieser Mitte zum Stress hinbewegt und somit zur Aktion übergeht; und der dritte Aspekt, wenn man sich in die andere Richtung zur Ruhe begibt. Insgesamt betrachtet heißt es nun, dass – je nachdem, in welcher Situation der Haupttyp sich befindet – eine der Bewegungen überlagernd ist.280

      Wenn zum Beispiel ein (gewöhnlich stiller, introvertierter) Beobachter (Fünf) unter Stress steht, bewegt er sich zur Position des Epikureers (Sieben); er versucht paradoxerweise, den Stress zu reduzieren, indem er extrovertierter und freundlicher wird und mit Menschen in Verbindung tritt. In einer sicheren, entspannten Lage tendiert er dazu, ein Boss (Acht) zu werden (andere zu lenken und den persönlichen Raum zu kontrollieren).281

      Anhand von Berichten in Interviews, die Helen Palmer mit unterschiedlichen Gruppen durchführt, zeigt sie, dass die Bewegungen im obigen Zitat nicht automatisch verlaufen, wie sie dargestellt werden. So Palmer:

      Eine Sicherheitsreaktion erscheint sehr viel anziehender als eine Aktion-Streß-Reaktion, weshalb der Weg zum Heil in der Kultivierung der »besseren« Aspekte des Sicherheitspunkts gesehen wird. Die Sicherheitsenthusiasten des Enneagramms glauben, dass die Bewegung mit dem Pfeil, das heißt zu Aktion und daher Streß, die Zwanghaftigkeiten ihres Typs fördert. Dabei wird aber nur an die positiven Aspekte des Sicherheitspunkts und die negativen des Streßpunkts gedacht. Meine Interviews mit Teilnehmern von Diskussionsrunden deuten nicht darauf hin, daß eine klare Chance für die Bewegung in Richtung Sicherheitspunkt, wie etwa das Verliebtsein in einen passenden, bereitwilligen Partner, zwangsläufig die besseren Qualitäten des Sicherheitspunkts zum Vorschein bringt.282

      Hier wird gezeigt, dass die Bewegung in eine Richtung nicht nur in ihrer Positivität oder Negativität bewertet werden sollte, sondern danach, welche Qualitäten in einer bestimmten Lage zum Vorschein kommen. Es wird gezeigt, dass sowohl die Bewegung mit dem Pfeil als auch die gegen den Pfeil positive und negative Aspekte haben.283 Demzufolge bedeutet es, dass es keine klare Vorgabe gibt, in welche Richtung man sich begeben sollte. Diese Theorie zeigt, dass die Arbeit mit dem Enneagramm mehr an Dynamik und Breite gewinnt. Nach Mario Sikora würde es auch bedeuten, dass Menschen kein eingeschränktes Bild von sich entwickeln. Mit den Pfeilen kann es vorkommen, dass einem Rat erteilt wird, z.B. sich weniger mit seinem Haupttyp zu identifizieren und eher zum anderen Punkt – gegen die Pfeilrichtung – hin zu bewegen und weniger zum Punkt in die Pfeilrichtung. Die Gefahr besteht hier darin, dass Menschen sich in den vorgegebenen mathematischen Schemata sehen könnten.284

      Im ersten Kapitel wurde deutlich, welche grundlegende Rolle Claudio Naranjo in der Entwicklung des Enneagramms gespielt hat. Von Beginn an wurde die Enneagramm-Theorie von unterschiedlichen Personen weiter entwickelt. Eine dieser Theorien war die der Pfeile. In einem Interview im „Enneagram Monthly“ macht Naranjo deutlich, dass persönliche Entwicklung darin bestehe, dass die beiden „Bewegungen“ der Pfeile in Betracht gezogen werden. Er beobachtet, dass die Bewegungen der Pfeile

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