Wer bin ich?. Keith Hamaimbo

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Wer bin ich? - Keith Hamaimbo Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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sich nicht so sehr mit eigenen Gefühlen identifizieren sollten. Nach den Ausführungen von Zuercher mahnt Ebert, dass diese Empfehlung für die Typen in diesem Zentrum gerade kontraproduktiv sei, denn sie sollten eher den Zugang zu den eigenen Gefühlen finden, als sich davon zu distanzieren.338 Was zu diesem Missverständnis führt, ist nach der vorangegangenen Ausführung zweierlei: dass den Zentren überhaupt Qualitäten und Namen zugeschrieben werden und dass es unterschiedliche Meinungen gibt, welche Qualitäten zu welchen Zentren gehören.

      Eine bessere Vorgehensweise bei dieser Problematik ist, sich nicht so sehr auf die Beschreibungen und Benennungen von bestimmten Mustern zu beschränken, sondern, wie Evagrios zeigt, dass es letztendlich darum geht, das Enneagramm als Ganzes zu kennen, weil jede Person nicht nur mit einem Muster zu tun hat, sondern die Muster bzw. Leidenschaften in unterschiedlichen Zeiten und Situationen zum Vorschein kommen.

       2.3. Prozess und Typologie

      In der theologischen Diskussion über das Enneagramm ist die Frage der Kompatibilität des Enneagramms mit der christlichen Lehre von zentraler Bedeutung. Der evangelische Theologe, Erziehungswissenschaftler und Pfarrer Michael Th. Schulz geht auf diese Thematik in seiner umfangreichen Monographie „Enneagramm, Spiritualität und Theologie der Zukunft“ aus mehreren Perspektiven ein. Schulz behauptet unter anderem, dass es im wissenschaftlichen Diskurs über das Enneagramm keine gute Ausgangslage für einen wissenschaftswürdigen Anknüpfungspunkt gegeben habe, als es in die Öffentlichkeit rückte. Für die Arbeit mit dem Enneagramm bedeutet dies, dass das Enneagramm sich außerhalb der Grenzen der Wissenschaft und somit auch der Grenzen der Theologie befand, von denen es geringschätzig herabgestuft worden sei. Nach Schulz soll diese Beurteilung der Lage zwischen Wissenschaft/Theologie und Enneagramm objektiv und ohne jedes Schönreden erfolgen.339 Einer der Gründe der Vorurteile war „[w]egen einer fälschlich vermuteten Nähe zur Numerologie (die gravierenden Unterschiede wurden nicht gesehen: Enneagramm als eine Hilfe zu spezifisch prozessualer Umkehr. Numerologie dagegen vor allem als Bestätigung des Soseins.)“340

      In diesem Abschnitt wird nun gezeigt, dass das Enneagramm, obwohl es ebenfalls eine Typologie ist, darüber hinausgeht, weil es letztendlich nicht um den Zustand, sondern um einen Prozess geht. Nach Ebert geht es bei dieser Frage darum, welche Möglichkeiten es gibt, das Enneagramm als Typologie, die starre Muster beschreibt, wieder in Fluss zu bringen, sodass man nicht mehr von Zustand, sondern von Prozess spricht. Ebert versteht die Muster (Typologie) als Blockade, und demnach sollte die Arbeit mit dem Enneagramm sich darum bemühen, die je typische Blockade zu sprengen.341 Die Theologin und Enneagramm-Autorin Marion Küstenmacher benennt die Gefahr, die davon ausgehe, wenn man das Enneagramm als eine Form von Horoskop verwende; d.h., es bestätige und zeige nur, wie jemand so „tickt“. Nach Küstenmacher ist eine solche Vorgehensweise weder spirituell noch wissenschaftlich, aber vor allem entspreche sie nicht dem Geist der Bibel. Sie kritisiert Menschen, die das Enneagramm nur als Werkzeug sehen. Wenn es als reine Typologie ohne jeglichen Prüfungsprozess verwendet wird, um nur auf andere zu schauen und nach Möglichkeiten zu suchen, wie man besser mit ihnen umgehen könne, ist es zum Scheitern programmiert.342 Auf dem Büchermarkt ist die Zahl der Enneagramm-Werke anhaltend gestiegen. So wie die Anzahl der Bücher sind auch ihre Ansätze mannigfaltig. Eine Gemeinsamkeit aber haben die Werke in der Weise, wie sie das Enneagramm als Typologie darstellen.

      Die Enneagramm-Autorin und NLP-Meisterin Jean Adeler bezeichnet in einem Beitrag in der Enneagramm-Zeitschrift mit dem Titel “Enneagram 2.0: Deep Structure of Personality“ den Umgang mit den Typen mit dem aus dem Gesundheitswesen stammenden Wort „nosography“, was für eine schriftliche Klassifizierung und Beschreibung verschiedener Krankheiten steht. Nach ihr nehmen die Typbeschreibungen einen großen Teil der Werke ein, und somit gelten sie im Vergleich zum Verständnis des Enneagramm als Prozessmodell als Schwerpunkt. Die Beschreibungen sind insofern als „nosography“ zu bezeichnen, als sie die Typen als starre Entitäten darstellen. Das Enneagramm als „nosography“ mag einige Basisinformationen über die Persönlichkeit liefern und somit zu Verständigung in der zwischenmenschlichen Kommunikation beitragen, aber es sagt nicht, wie das Enneagramm als Prozessmodell über die Arbeit mit der Persönlichkeit hinaus aufschlussreich verwendet werden kann.343

       2.3.1. Gefahren des Enneagramms als Typologie

      „Alle Typologien haben den Nachteil, dass sie die Einmaligkeit, Originalität und Besonderheit des Individuums notgedrungen vernachlässigen.“344 Das Wesen einer Typologie beinhaltet eine Art von Zusammenfassung, die immer auch ein Stück Reduzierung bedeutet. Diese Reduzierung kann eine Gefahr darstellen, aber eben auch eine Chance sein, um eine Vereinfachung und Gliederung zu erzielen. Eine der weithin bekanntesten Kritiken am Enneagramm ist, dass Menschen mit dem System in Schubladen eingeteilt würden. Darauf geht Pater Grün ein und betont, dass das Enneagramm nicht als Schubladensystem benutzt werden dürfe, wo Menschen automatisch aufgrund von Merkmalen eingeordnet werden. Auf diese Weise verfehle man eines der Ziele des Enneagramms, nämlich, als Hilfe für Menschen ihre Fallen und Stärken zu erkennen, dabei aber individuell seinem eigenen Wesen nach gerecht zu leben.345 Palmer beschreibt die Fixiertheit der Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen, die einem Typ zugesprochen werden, als Sich-und-andere-in-Schubladen-Stecken.346 „Wenn wir uns nicht von einem immer wiederkehrenden Thema lösen können und uns die Fähigkeit fehlt, das eigene Verhalten auch einmal von einem anderen Standpunkt aus zu beobachten, werden wir von den eigenen Gewohnheiten kontrolliert und haben die Freiheit des Wählens verloren.“347

      Eine weitere Gefahr des Enneagramms als Typologie ist die persönliche Einstellung im Umgang mit typologischen Informationen. Der Ordensmann Robert J. Nogosek weist darauf hin dass Menschen die Typologie allzu ernst nähmen. Das bedeutet, sie versuchen nach dem Schema „Typ(o)-logisch“ alles über den Menschen als systematisch und am besten als vorhersehbar zu betrachten.348 Frau Phiri erzählt, dass sie die einschränkenden Aspekte des Enneagramms als Typologie nicht möge. Für sie fühlt es sich so an, als werde man von dem eigenen Enneagramm-Muster umrankt und habe keine Freiheit mehr. Nach ihr verzögert das nicht nur das Wachstum bei sich selbst, sondern auch bei den Mitmenschen.349

      Fritz Riemann beschreibt als ein Merkmal von Typologien, dass sie das Leben als fatalistisch, als schon vorher durch das Schicksal festgelegt betrachten. Alle neuen Informationen sind nur eine Bestätigung des „So-Seins“ und nach Riemann nur zum „Hinnehmen“ da.350 Bei einigen Herangehensweisen ist das Enneagramm als Typologie nicht von diesen Annahmen befreit. Auf einem anderen Niveau wird in diesem Zusammenhang mit dem „Herausfinden“ des eigenen Enneagramm-Typs der Prozess der „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ in Gang gesetzt. Menschen werden gemäß ihrem Enneagramm-Muster behandelt.351 „Wir ordnen Menschen einem Typ zu und behandeln sie dann als karikaturhafte Mischung verschiedener Charakteristika, was das Verhalten dieses Typs verstärken kann. Wir sind durch die Art und Weise geformt, wie man uns behandelt, und wir tendieren dazu, zu glauben, was andere in uns hineininterpretieren“352 Im wissenschaftlichen Sammelband zu modernen Suggestionsverfahren wird unter anderem gezeigt, wie die Suggestion in unterschiedlichen Bereichen wie z.B. in der Hypnose, im autogenem Training, im Biofeedback, im Neurolinguistischen Programmieren (NLP) oder in der Pädagogik eingesetzt wird. In ihrem Beitrag mit dem Titel, „Wie sag’ ich’s meinem Kinde? – Sprache und Suggestion im Alltag“ weist Theres Miller darauf hin, dass die Suggestion auf vielerlei Art passiere. Sei es bewusst oder unbewusst – die Suggestion könne im positiven, aber auch im negativen Sinne eine enorme Wirkung im Leben eines Menschen haben.353 Die folgenden Beobachtungen zeigen, wie sich auf unterschiedliche Art die Suggestion im Enneagramm zeigt. Teilweise werden die Typencharakteristika freudig als Ausrede für bestimmte Verhaltensweisen angegeben. So Riso und Hudson:

      Tatsächlich

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