Wer bin ich?. Keith Hamaimbo
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Aus den zwei Beispielen wird deutlich, dass das Enneagramm in erster Linie ein Instrument für das eigene Entdecken der Persönlichkeit und darüber hinaus für den Wachstumsprozess ist. Respekt vor der Privatsphäre ist unabdingbar, wenn dem Menschen die Chance gegeben werden soll, sich auf ehrliche Weise mit sich zu beschäftigen und zu identifizieren.
2.5. Vergleichender Überblick der Enneagramm-Typen
Bevor die einzelnen Enneagramm-Muster umrissen werden, ist es an dieser Stelle angemessen zu zeigen, wie Enneagramm-Autoren die einzelnen Typen als Teil einer größeren Konstellation mit Berücksichtigung ihrer Besonderheiten hervorheben, zum Beispiel, dass alle Typen/Muster mit Angst zu tun haben. Jedoch wird bei jedem Muster die Angst anders wahrgenommen und bewältigt. In Fritz Riemanns Klassiker, „Grundformen der Angst“, geht er davon aus, dass Angst ein Grundbestandteil des Lebens ist und dass in der Geschichte der Menschheit erkannt werden kann, wie das Leben darauf basiert, entweder die Angst zu bewältigen, zu verhindern, zu überwinden oder zu binden.417 In seiner tiefenpsychologischen Auseinandersetzung der verschiedenen Angstformen zeigt Riemann, wie die persönliche „Angstausrichtung“ nicht nur das zwischenmenschliche Zusammenleben durchdringt, sondern auch welchen Einfluss dies auf das berufliche Leben haben kann. In Riemanns Schriften wird gezeigt, dass hinter jedem Dienst oder jeder Arbeit eine Persönlichkeit steht, die ihren Dienst im Rahmen der persönlichen Einstellung zum Leben (mit der jeweiligen Form der Angst) leistet.418 Diese Erkenntnis ist für diesen Teil der Arbeit insoweit wichtig, weil damit die Nützlichkeit der enneagrammatischen Arbeit für die Praxis analysiert werden kann, so wie bisher die Arbeit Riemanns auch in kirchlichen Rahmen Anwendung gefunden hat.
Im Folgenden wird ein Grundthema gewählt – in diesem Fall die Angst –, das alle Typen durchzieht, jedoch bei jedem Typ auf unterschiedliche Weise. Es wird verglichen, wie Maitri und Riso/Hudson die Typen in Bezug auf ihre Grundangst beschreiben. Hier ist zu bemerken, dass bei Enneagramm-Autoren nicht nur die Angst, sondern auch unterschiedliche Qualitäten für eine Differenzierung der Typen unter sich verwendet werden. So kann es sein, dass das Ideal-Ich (Selbstidealisierung), wie man sich gern sähe oder gesehen werden möchte, für alle Typen gemeinsam ist, jedoch hat jeder Typ ein bestimmtes eigenes Bild von sich.419
Typ 1
„Wenn wir Angst haben, dass irgendetwas grundlegend falsch an uns ist oder dass wir so, wie wir sind, nicht gut genug sind, sind wir wahrscheinlich eine Eins.“420
„Angst, unvollkommen, unehrlich, schlecht oder böse zu sein.“421
Typ 2
„Wenn wir Angst vor Zurückweisung haben, Angst davor, bedürftig zu sein und nicht geliebt zu werden, sind wir wahrscheinlich eine Zwei.“422
„Angst, keine Liebe zu verdienen.“423
Typ 3
„Wenn wir Angst vor Misserfolg haben, sind wir wahrscheinlich eine Drei.“424
„Angst, nutzlos oder ohne innere Werte zu sein.“425
Typ 4
„Wenn wir Angst haben, verlassen zu werden, Angst vor unserer Traurigkeit und dem Gefühl von Verlorenheit, sind wir wahrscheinlich eine Vier.“426
„Angst, unbedeutend oder ohne Identität zu sein.“427
Typ 5
„Wenn wir Angst vor Verstrickungen haben und Angst davor, das, was wir haben, zu verlieren, sind wir wahrscheinlich eine Fünf.“428
„Angst, inkompetent, unfähig oder nutzlos zu sein“429
Typ 6
„Wenn wir andererseits bis zu einem gewissen Grad vor allem und jedem Angst haben, wenn die Angst selbst auf eine namen- und gesichtslose Art und Weise die treibende Kraft in unserer Psyche ist, dann sind wir wahrscheinlich eine Sechs.“430
„Angst, ohne Anleitung oder Unterstützung zu sein.“431
Typ 7
„Wenn wir Angst vor Langeweile und vor anstrengender Arbeit haben, und Angst davor, als Scharlatan bloßgestellt zu werden, sind wir wahrscheinlich eine Sieben.“432
„Angst, ausgeschlossen zu sein oder im Schmerz zu versinken.“433
Typ 8
„Wenn wir Angst davor haben, schwach zu sein, nicht die Führung zu haben oder nicht an der Spitze zu stehen, sind wir wahrscheinlich eine Acht.“434
„Angst, von anderen verletzt oder beherrscht zu werden.“435
Typ 9
„Wenn wir Angst davor haben, einen Konflikt heraufzubeschwören, indem wir uns oder unsere Bedürfnisse zu sehr in den Mittelpunkt rücken (zu sichtbar machen), sind wir höchstwahrscheinlich eine Neun.“436
„Angst vor Trennung, vor Aufsplitterung“437
Durch diese Reihe an Vergleichen kann beobachtet werden, dass – obwohl es kaum gemeinsame, beschreibende Wörter für den jeweiligen Typ gibt – der Sinn im Allgemeinen bei den zwei Autoren gleich ist. Beispielsweise werden bei Typ ACHT bei Maitri Begriffe wie Schwäche und Führung (Spitze) verwendet. Bei Riso/Hudson würde das bedeuten, dass jemand, der schwach und nicht an der Spitze oder in Führung ist, Angst davor haben kann, dass die Position des Schwachen und Unterlegenen angreifbar und leichter zu beherrschen ist. Die Vergleiche zeigen auch, dass – obwohl die Beschreibungen den gleichen Typ in seiner unterschiedlichen Ausrichtungen darstellen, es keine feste Eigenart eines Typs gibt, sondern es lediglich von den einzelnen Autoren abhängt, wie sie die Typen beschreiben.438 Diese Tatsache führt zu einem weiteren Problem, nämlich, dass es bei den Enneagramm-Autoren große Unterschiede gibt, wie sie einen Enneagramm-Typ insgesamt betrachten. Dies spiegelt sich darin wider, wie der Typ bei unterschiedlichen Autoren genannt wird. Susan Rhodes macht auf dieses Problem aufmerksam. Sie hat unter anderem eine vergleichende Tabelle angefertigt, bei der sie versucht, die Unterschiede bei den Autoren hervorzuheben.439 Rhodes analysiert nicht nur die angewandte Sprache, sondern die beizumessende Bedeutung der unterschiedlichen Deskriptoren. So bemerkt sie unter anderem unter den Autoren Abweichungen, welche Beschreibungen der Typen das Gesamtbild des Typs vorgibt. Einige Autoren geben positive Eigenschaften an, während andere negative Eigenschaften des Typs nennen. So hat Typ SECHS nach der Tabelle sieben unterschiedliche Beschreibungen, bei denen jeder ein anderes Bild von Typ SECHS vermittelt.440 Die dritten Kategorien sind diejenigen Autoren, die beide Eigenschaften hervorheben. Zusätzlich ist in der Tabelle zu sehen, dass sich bei denselben Autoren die Beschreibung im Laufe der Zeit verändert. Beispielsweise nennt Riso (1989) die Nummer VIER „Künstler“ und später in seinem Werk mit Hudson (2000) die Nummer VIER „Individualist“.
Das Problem liegt nicht nur darin, dass dadurch die