Wer bin ich?. Keith Hamaimbo
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0.6. Zum Aufbau der Arbeit
Die Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert. Ausgangspunkt sind die historischen Hintergründe des Enneagramms. Die Rückführung auf die christlichen Bezüge in der Entwicklung des Enneagramms soll zum christlichen Verständnis des Enneagramms beitragen. Hier werden besonders Aspekte der Lehre des Wüstenmönchs Evagrios Pontikos eingehend bearbeitet.
Das zweite Kapitel setzt sich mit der Enneagramm-Theorie auseinander. Ausgehend vom ersten Kapitel soll hier ein umfassenderes Bild vom Enneagramm gezeichnet werden. Im Rahmen einer derartigen wissenschaftlichen Arbeit soll die Vorstellung des Enneagramms lediglich dazu beitragen, den Lesern dieser Arbeit, die noch nicht mit der Theorie des Enneagramms vertraut sind, seine Grundanteile näher zu bringen. Hier wird nur auf eine generelle Auseinandersetzung mit der Enneagramm-Theorie eingegangen. Mit Verweis auf Ennagramm-Literatur, die sich detailliert mit den einzelnen Enneagramm-Typbeschreibungen beschäftigt, wird auf eine eingehende Darstellung der Typen verzichtet.
Im dritten Kapitel wird das Enneagramm aus theologischer Perspektive diskutiert: Im ersten Teil werden die Hauptthemen dargestellt, die in Bezug auf die Theologie in der Enneagramm-Arbeit wichtig sind. Dieser Teil beginnt mit einer Analyse des Diskussionsstandes des Enneagramms in der Theologie und endet mit einer Vorstellung von Themen und Praxen des Enneagramms, die für eine christlichtheologische Legitimität der enneagrammatischen Arbeit plädieren. Dies wird dann in den zwei weiteren Teilen konkretisiert. Der zweite Teil ist systematischtheologisch ausgerichtet und beschäftigt sich mit der Klärung der wichtigsten theologischen Terminologien, die in der Enneagramm-Arbeit zu finden sind. Der dritte Teil führt die pastoraltheologische Ausrichtung dieser Arbeit aus. Der Teil ist stark an die Literatur und die zeitgenössischen pastoraltheologischen Konzepte angelehnt. Der vierte Teil greift die Ergebnisse der vorangegangenen drei Teile auf, zieht Schlüsse und gibt Vorschläge für eine christliche Enneagramm-Arbeit und Theorie.
Exemplarisch werden im vierten Kapitel drei pastorale Handlungsbereiche zum Einsatz des Enneagramms behandelt. Angefangen von den Erfahrungen der Interviewten wird in diesem Kapitel gezeigt, wie das Enneagramm in der Praxis angewendet wird. Das Enneagramm in der geistlichen Begleitung, in der geistlichen Ausbildung von Priestern und Ordensleuten und in der Jugendarbeit und Jugendpastoral verbindet das Schlagwort „Begleitung“. Durch die Interviews und Berichte von anderen Projekten wird das Alltagswissen der Menschen hier vergleichsweise stärker rezipiert als in anderen Teilen der Arbeit. Damit wird ein Bezug zwischen den theoretischen Diskussionen und den Lebensrealitäten und Meinungen der Menschen über das Enneagramm hergestellt.
Das letzte Kapitel möchte unter der Überschrift „Perspektiven und Grenzen“ einerseits die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammenfassen, andererseits darauf aufbauend eine zukünftige Enneagramm-Praxis vorschlagen, die sowohl in der theologischen Diskussion als auch im christlich-kirchlichen Handeln und für die Menschen verständlich ist. Dafür sind die Beschlüsse handlungsrelevant ausgerichtet, indem kritisch auf die Chancen und Gefahren des Enneagramms hingewiesen wird. Abschließend werden Vorschläge für die Organisation von Enneagramm-Arbeit unterbreitet. Diese sind in dem Sinne gedacht, dass sie nicht nur auf die drei in der Arbeit vorgestellten Handlungsfelder beschränkt sind, sondern auch Orientierung für weitere Gebiete der Enneagramm-Arbeit geben, auf die sie ausgeweitet werden können.
1. Geschichtliche Hintergründe: Von Evagrios Pontikos bis zur Systematisierung des Enneagramms als Charaktertypologie in der neuen Zeit
Je nachdem, in welchem Rahmen mit dem Enneagramm gearbeitet wird, haben die Rückblickversuche in die Entwicklungsgeschichte des Enneagramms verschiedene Schwerpunkte. Im Aufsatz mit dem Titel „Das Ende der Sufi-These“ von Werner Küstenmacher wird zum Beispiel dafür plädiert, dass es nicht mehr reiche, den Ursprung des Enneagramms allzu schnell dem Sufismus zuzusprechen. Küstenmacher versucht, eine kurze aber präzise Rekonstruktion der historischen Entwicklung des Enneagramms zu leisten, worin er verdeutlicht, dass die Sufis nur einen Teil der Entwicklungskette des Enneagramms bilden. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Sufis das Wissen um das Enneagramm besonders geprägt haben. Aber zu erklären, dass sie das System erfunden hätten, würde das Enneagramm-Wissen verengen, denn es enthält mehr als nur die Elemente des Enneagramms, die in der sufistischen Lehre zu finden sind. Diesem Aufsatz nach wurde die These von den Sufi-Wurzeln des Enneagramms ohne genaue Überprüfung weitergegeben.14 Angesichts der unterschiedlichsten Hypothesen und Vorgehensweisen zu diesem Thema ist man im Allgemeinen der Ansicht, dass das Enneagramm uralt und sein Ursprung nicht bekannt sei. Sicher ist zumindest, dass es in Sufi-Gemeinschaften als ‚geheimes’ Wissen gelehrt wurde. Solche Angaben über die Herkunft des Enneagramms haben für das jeweilige Publikum einen gewissen Reiz, was nach Peter Winslow „dem Enneagramm auch einen unguten, elitären ‚Snob-Appeal’“15 verleiht.
Eine Analyse der Entwicklungsgeschichte des Enneagramms zeigt, dass das Enneagramm – wie wir es heute kennen – verschiedene Entwicklungsstufen durchlebt hat.16 Zusammenfassend schreiben Don Richard Riso und Russ Hudson: „Es ist ein Hybride, eine Mischung aus mehreren alten Weisheitslehren und moderner Psychologie.“17 Es besteht aus diversen Beiträgen verschiedener Strömungen, die sich im Laufe der Jahrtausende zu einem ganzen System geformt haben. Nach Riso/Hudson „handelt es sich um eine Zusammenfassung des universalen Wissens“18, in der die spirituellen und religiösen Traditionen des Buddhismus, der mystischen jüdischen Geheimlehre der Kabbala, des Christentums und des Islams (vor allem die islamischen Mystiker, die Sufis) vertreten sind.19
Enneagrammatiker machen einen Unterschied zwischen der Entwicklung des Enneagramm-Symbols auf der einen und der Beschreibung der Persönlichkeitstypen, wie wir sie heute kennen, auf der anderen Seite. Obwohl beide uralt sind, sind sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht im gleichen Rahmen entstanden. Dessen ungeachtet, dass das Enneagramm der Persönlichkeitstypen nicht so alt ist wie das Enneagramm-Symbol, sind die Grundideen, die dazu beigetragen haben, dass wir eine Psychologie der neun Typen haben, auch alt.20 „[E]rst in den letzten Jahrzehnten wurden diese beiden Quellen der Erkenntnis [das Symbol und die Persönlichkeitstypen] zusammengebracht.“21 Außer in den Ursprüngen ist dieses „Konglomerat“22 erkennbar in Riso/Hudsons Beschreibung der Zusammensetzung des Enneagramms: „Das Enneagramm ist eine geometrische Figur, in der die neun Persönlichkeitsgrundtypen und deren komplizierte Wechselbeziehungen symbolisch dargestellt sind.“23
Obwohl eine unumstößliche Festlegung des Ursprungs des Enneagramm-Symbols wegen fehlender genauer Überlieferung nicht möglich ist, wird behauptet, dass es schon in der babylonischen Zeit um 2500 v. Chr. entstanden sei. Nach Riso/Hudson sprechen die mit dem Enneagramm verbundenen Ideen weiter dafür, dass sie viel mehr mit dem klassischen Griechenland zu tun haben: insbesondere mit dem mathematischen und geometrischen Wissen, das unter anderem auf Pythagoras, Platon und einige Neuplatoniker hinweist.24
Der US-Amerikaner Michael J. Goldberg schreibt über das Enneagramm als „The Enneagramm styles“25, die so bereits Homer (ca. 750 v. Chr.) gekannt habe, wie wir sie auch heute im Wesentlichen kennen.26 Goldberg spricht nicht explizit vom Enneagramm der Persönlichkeitstypen, sondern über „the nine basic themes“.27 Mit den ‚neun Grundthemen’ zeigt er dann, wie der Dichter Homer in seinen mythologischen Schilderungen den König Odysseus auf dem Weg von Troja nach Ithaka, seinem Zuhause, irrfahren lässt. Auch in dem Roman „Odysseus“ des deutschen Fantasy-Autors Wolfgang Hohlbein28 sind die Schilderungen der Charaktereigenschaften seiner Charaktere auffallend und für diese Arbeit sehr interessant.29 Denn es kann auch bedeuten, dass Homer – obwohl er das Enneagramm in seiner heutigen Form nicht gekannt hat – Zugang zu einer Art ‚Charakterbeschreibungs-system´ hatte. Homer beschreibt die Charaktere so, dass jemand, der das Enneagramm nicht kennt – in diesem