Lebendige Seelsorge 5/2017. Группа авторов

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Wichtiger als die rückblickend korrekte Zuschreibung von christlich-kirchlichem Engagement in der Öffentlichkeit ist die Notwendigkeit, dass möglichst viele kompetente Akteure zugunsten der Kinderrechte, nicht zuletzt für die Partizipationsrechte von Kindern eintreten, um deren Rolle in der gegenwärtigen Welt zu kräftigen.

      Christen und Kirchen sind erstrangige Inkulturationspartner zugunsten einer Wertschätzung der Kinder.

      Im skizzierten Rahmen dürften Christen und Kirchen aufgrund ihrer internationalen Vernetzungen erstrangige Inkulturationspartner zugunsten einer alltags- und gesellschaftskonkreten Wertschätzung der Kinder sein. So könnten Christen und Kirchen von heute einerseits die eigene lange Tradition des Kinderschutzes und der Kinderförderung als Provokation zum fortdauernd-humanisierenden Engagement in den Bereichen von Kinderschutz und Kinderförderung dienen.

      Andererseits sollte sich auch der christlichkirchlich bisher allzu sporadische Einsatz im Bereich der Kinderpartizipation als Provokation auswirken, um hier die Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Gruppen im Dienste der UN-Kinderrechtskonvention zu suchen.

      Vielleicht bietet es sich als kleiner Anfang auf lokaler Ebene beispielsweise an, wenn sich auch christlich getragene Schulen an dem von UNICEF Deutschland und zahlreichen Abgeordneten des Deutschen Bundestages seit 2010 anlässlich des Jahrestages der UN-Kinderrechtskonvention am 20. November abgehaltenen „Aktionstag Kinderrechte“ beteiligen. Ziel der Aktion ist es, Entscheidungsträger aus der Bundespolitik mit Kindern und Jugendlichen im jeweiligen Wahlkreis zusammenzubringen und einen Dialog über die Rechte von Kindern zu fördern.

      So ergibt die vorgelegte christentumsgeschichtliche Vergewisserung wie nebenbei zugleich neue Perspektiven sowohl für das religiös mitgeprägte Verständnis als auch für die alltagspraktische Ausrichtung von christlich mitgetragener Kinder- und Jugendarbeit. Immerhin: Seit Jahrzehnten zeigt die „Pfadfinderschaft St. Georg“ oder die „Katholische Junge Gemeinde“ mit ihrem jeweils demokratiefördernden Engagement exemplarisch, wie sich Kinderschutz, Kinderbildung und Kinderpartizipation als ein stimulierender und gesamtgesellschaftlich vernehmbarer Dreiklang verwirklichen lassen.

      LITERATUR

      Hart, Roger, Children’s Participation. From Tokenism to Citizenship, Florence 1992. (Erläuternd auch Liebel, Manfred, Partizipation und Gleichberechtigung, in: Liebel, Manfred, Wozu Kinderrechte. Grundlagen und Perspektiven (Reihe Votum o. Nr.), Weinheim/München 2007, 183-197).

      Ihne, Hartmut, Menschenwürde und Kinderrechte in der Einen Welt, in: Jahrbuch für biblische Theologie 17 (2002) 3-20.

      Lansdown, Gerison, Children’s Rights to Participation. A Critique, in: Cloke, Christopher/Murray, Davies (Hg.), Participation and Empowerment in Child Protection, Chichester 1995, 19-38.

      Lutterbach, Hubertus, Kinder und Christentum. Kulturgeschichtliche Perspektiven auf Schutz, Bildung und Partizipation von Kindern zwischen Antike und Gegenwart, Stuttgart 2010.

      Partizipation ohne Leiter

      Die Replik von Heinz Hengst auf Hubertus Lutterbach

      Auf das, was Hubertus Lutterbach als „christentumsgeschichtliche Vergewisserung“ und als „historische Fundierung“ seiner Überlegungen zur Wertschätzung von Kindern und Jugendlichen in Gegenwartsgesellschaften anführt, möchte ich hier nicht eingehen. Das Thema ist zu komplex, als dass man ihm mit ein paar Sätzen gerecht werden könnte. Ich konzentriere mich auf die Ausführungen zu seinem wichtigsten Stichwort: Partizipation.

      Beginnen möchte ich allerdings mit ein paar Sätzen zum Verhältnis von katholischer Kirche und UN-Kinderrechtskonvention. Von Herrn Lutterbach erfahren wir, dass der Vatikan „diese vom neutestamentlichen Menschenbild mitgeprägte Konvention […] als erster europäischer Staat unterzeichnet“ hat. Das klingt nach mehr Übereinstimmung und Harmonie als tatsächlich gegeben ist.

      Der UNO-Bericht zu Kinderrechten in der katholischen Kirche, der Anfang 2014 der Weltöffentlichkeit vorgestellt wurde, in dem es nicht nur um den Kindesmissbrauch ging, den ja auch Hubertus Lutterbach anspricht, sondern der auch den Umgang der katholischen Kirche mit Homosexualität und Abtreibung anprangert, ist vom Vatikan harsch als grundsätzliche Kritik an der katholischen Sittenlehre, als Einmischung in die Ausgestaltung der katholischen Lehre, abgewiesen worden. Die UNO, das wird hier deutlich, setzt, anders als der Vatikan, die Kinderrechte absolut.

      In meiner Interpretation ist die UN-Kinderrechtskonvention von 1989 nicht zuletzt ein Dokument, aus dem die Zeit spricht, in der es konzipiert wurde. Eines ist allerdings unbestreitbar: Die Konvention hat ein neues Kapitel in der Geschichte der Kindheit aufgeschlagen. Zum ersten Mal wird Kindern der Status von Rechtssubjekten zuerkannt, wird auf diese Weise die generationale Ordnung von Gesellschaften und Nationen grundsätzlich infrage gestellt.

      Aber die Konvention hat auch Mängel. Als Ergebnis diplomatischer Verhandlungen in einem Zeitraum von 10 Jahren enthält sie eine Reihe von Kompromissen und lässt viel Interpretationsspielraum. Vor allem muss man sich klarmachen, dass die Konvention in den Achtzigerjahren, und damit zu einer Zeit erarbeitet wurde, in der das Verständnis von Kindheit noch ganz entscheidend von den traditionellen Kinderwissenschaften und dem Entwicklungsparadigma dominiert wurde, sowohl in der Forschung als auch in adultistischen, paternalistischen und familistischen Haltungen, in der Politik und im Handeln.

      Schon deswegen ist die Ratifizierung, die inzwischen, mit Ausnahme der USA, alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen geleistet haben, zwar ein entscheidender Schritt, aber doch nicht alles. Mindestens so wichtig ist die Umsetzung, die Implementierung der in 54 Artikeln fixierten Inhalte, deren Gestaltung den Einzelstaaten obliegt. Es leuchtet ein, dass jeder Staat, der die Konvention ratifiziert hat, alle paar Jahre einer Prüfung durch die UNO unterzogen wird. (Im Fall der katholischen Kirche monierte das UN-Komitee 2014, dass trotz aller Absichtserklärungen und Zusagen bei der ersten Überprüfung im Jahre 1996 praktisch nichts geschehen sei.).

      Die Kritik von Kinderrechtlern und sozialwissenschaftlichen Kindheitsforschern betrifft nicht nur Probleme der Implementierung, sondern entzündet sich vor allem an den bereits angesprochenen paternalistischen Elementen in verschiedenen Artikeln der Konvention.

      In aller Regel erfolgt die Auseinandersetzung mit den Inhalten entlang der „drei Ps“ (protection, provision, participation). Die Begriffe in der Überschrift von Lutterbachs Beitrag kann man – trotz kleiner Unterschiede – als Synonyme dieser Termini betrachten.

      Ich teile die Sicht der Beziehung von Schutz und Partizipation, die er, Gerison Landsdown zitierend, geltend macht. Die Anerkennung von Kindern als selbständig handelnden und partizipationsfähigen Subjekten ist keine Absage an ihren Schutzbedarf: Schutz ohne Geltendmachen von Rechten öffnet dem sozialen und politischen Paternalismus Tür und Tor.

      Skeptischer bin ich, wenn es um Konkretionen von Partizipation geht. Ich werde hier nicht auf Partizipationsstufen und -modelle eingehen. Diese Diskussion wird auf nationaler und internationaler Ebene seit den Neunzigerjahren intensiv geführt.

      Partizipation ist fester Bestandteil der Sozial- und Kulturarbeit, der Kinder- und Jugendpolitik. Ein Blick ins Internet zeigt, dass hierzulande kein Mangel an Partizipationsprojekten herrscht. Und diese Projekte werden nicht selten – wie auch von Hubertus Lutterbach – Roger Harts „ladder of participation“ zugeordnet. Das ist keineswegs im Sinne des Erfinders. Hart hat sich (2008) in einem Aufsatz mit dem bezeichnenden Titel „Stepping back from ‘The Ladder’…“ ausdrücklich von denen distanziert, die seine „Leiter“ als fertiges Konzept betrachten, an dem man die partizipative Arbeit mit Kindern „messen“ kann. Er versteht die Leiter, die er zuerst 1992 bei UNICEF vorgestellt hat – zu einer Zeit, in der Kinderpartizipation noch wenig erforscht war –, als „jumping-off

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