Den österlichen Mehrwert im Blick. Группа авторов

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Den österlichen Mehrwert im Blick - Группа авторов Erfurter Theol. Schriften

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dem Evangelium zu tun? Ist ein phantasieloses Festhalten an Gewohntem und Vertrautem (Stichwort: Pastoralstrukturen) mit christlicher Hoffnung vereinbar? Ist glaubhaft, dass wir auch kirchlich in „Zelten“ leben sollten, weil die Gestalt dieser Welt (und doch wohl auch der Kirche) vergeht? Und ein ganz heißes Thema: Ist eine Diakonie, die sich gänzlich (!) von öffentlichen Geldern abhängig macht, noch Caritas Christi? Lügen wir uns nicht mit manchen kirchlichen Einrichtungen in die Tasche? Oder: Ist Kirchenzugehörigkeit auch für jene praktisch und existentiell lebbar, die nicht allen kirchlichen Erwartungen entsprechen? Oder: Warum ist hierzulande das Zeugnis für das Evangelium Nichtglaubenden gegenüber so merkwürdig verhalten und ängstlich?

      Dieser Gesprächsgang wird – so vermute ich einmal – schmerzlich sein. Aber er ist bitter notwendig.

       Verabredung konkreter, aber verbindlicher Schritte („handeln“)

      Das Gespräch über den künftigen Weg unserer Kirche in Deutschland sollte Handlungsbereiche in den Blick nehmen, bei denen wirklich etwas gemeinsam zu bewegen ist, beispielsweise etwa folgende:

       Lebensdienliche Kirche bleiben und noch mehr werden

      Es ist meine Erfahrung: Dort leuchtet das Evangelium am überzeugendsten auf, wo Christen Barmherzigkeit in die Strukturen dieser Welt einbringen. Diese Aussage meint nicht, dass die Welt keine Gerechtigkeit nötig hätte. Doch braucht der Mensch mehr als Gerechtigkeit. Dort wird das Licht des Evangeliums verbreitet, wo auch die Versager, die Zu-Kurz-Gekommenen, die Fortschrittsverlierer Beachtung und Zuwendung erfahren; wo diese von anderen hören: „Du bist keine Fehlkonstruktion, sondern du bist eine Sonderanfertigung Gottes!“ (für mich, für unsere Kirche). Hier lagen und liegen übrigens die überzeugenden Stärken unserer Caritas, der verfassten und der ehrenamtlichen. Hier bewährt sich auch die Ausstrahlungskraft unserer katholischen Verbände und Gemeinschaften.

      Diese „Einfärbung“ der Lebensdienlichkeit muss freilich auch die Kirche selbst durchdringen, ihre Strukturen, ihre Pastoral. Ohne Erbarmen keine Umkehr zu Gott – das ist eine bleibende Erfahrung der Seelsorgegeschichte. Hier sind Bischöfe, Seelsorger und Theologen gefordert, den auch kirchenrechtlich gegebenen Spielraum für Lösungen in besonderen Lebenssituationen auszuloten. Bloßes Verurteilen und Ausgrenzen als einzige Antwort auf heutige Lebensprobleme verdunkeln das Evangelium. Das Scheitern oder das Zurückbleiben hinter dem, wozu uns das Evangelium drängt, muss dabei nicht kaschiert oder gar zur Normalität erklärt werden. Einem Kranken ist nicht geholfen, wenn man seine Not bagatellisiert. Doch sollte gelten: Auch der Gescheiterte kann sich auf Christus hin in Bewegung setzen, wenn auch manchmal nur auf Krücken.

      Hier geht es also um das dritte Stichwort in der Rede von Erzbischof Zollitsch: Die Kirche ist am meisten bei sich selbst und ihrem ureigensten Auftrag, wenn sie „dient“. Dienende Kirche sind wir gottlob schon auf vielfältigste Weise, öffentlich und verborgen, als Einzelne und gemeinschaftlich, auch in der Seelsorge, in der Begleitung, im Angebot des Bußsakraments. Wir fangen mit der im kirchlichen Innenraum geübten Barmherzigkeit nicht beim Nullpunkt an. Freilich: Wie sieht heute konkret Barmherzigkeit aus? Wissen wir das wirklich? Gerade nichtprofessionelle „Barmherzigkeitsdienste“ werden künftig noch mehr gefragt sein. Es lohnt sich, darüber zu reden. In einem Beitrag vom 18. Juni 2010 im „Rheinischen Merkur“, der die Vision einer den Menschen dienenden Kirche in den Blick nahm, habe ich diese Frage noch einmal aufgeworfen. Ich hatte dabei auf die Werke der Barmherzigkeit verwiesen, die wir im Elisabethjahr 2007 „auf thüringisch“ neu durchbuchstabiert hatten. Das Echo darauf hat mir gezeigt, wie sehr sich Menschen davon ansprechen lassen.

      Als Seelsorger kann ich durchaus die oft komplizierten Lebenssituationen der Menschen würdigen und in meinem Handeln berücksichtigen. Im Umgang mit konkreten Lebenssituationen könnte unsere Kirche vom ostkirchlichen „Ökonomie-Prinzip“1 lernen, auch wenn wir wissen, dass damit nicht alle Probleme gelöst sind. Unsere Seelsorge kann helfen, Menschen auf Christus hin in Bewegung zu bringen. Wir brauchen noch stärker eine Pastoral, die gestuft der Situation der Menschen in ihren Unterschiedlichkeiten Rechnung trägt, auch der Tatsache, dass Menschen scheitern können.

      In unserer praktischen Diakonie tun wir das. Deswegen sind wir dort überzeugend und finden Vertrauen. Das sollte für uns eine Herausforderung sein. Warum nur leibliche Diakonie und nicht auch pastorale? Wenn das Erbarmen die Grundsignatur des Evangeliums ist, dann sind Caritas und Pastoral Geschwister im Geist. Es gibt „Sakramente“, die vor den Kirchentüren gespendet werden, wie Hans Urs von Balthasar formuliert hat. Nach Christus hungern mehr Menschen als nur jene, die unseren kirchlichen Normen entsprechen.

      Nur eine, mir freilich wichtige, Nebenbemerkung: Wir spüren, dass sich die Sozialgestalt des Kirchlichen in der Gesellschaft langsam wandelt. Die bislang tragende pfarrliche Seelsorgestruktur dünnt sich aus. Sie wird gleichsam weitmaschiger. Sie entspricht zudem oft nicht mehr einer mobil gewordenen Welt, in der Menschen, besonders junge Menschen, sich anders verorten als früher.

      Ich möchte einmal folgendes Bild gebrauchen: Wenn sich der Aggregatzustand eines Elementes verändert, also z. B. Wasser verdunstet, verliert sich dieses Element nicht. Es bleibt vorhanden. Und es ist zu erwarten, dass es sich in absehbarer Zeit neu „kondensiert“, in einer neuen Gestalt sich zurückmeldet. Das, was unsere herkömmlichen Gemeinden religiös getragen hat, scheint derzeit zu verdunsten. Aber ist dann wirklich weg, was an Verlangen nach Gemeinschaft, nach Verlässlichkeit, nach Angenommen-Werden, nach der Möglichkeit, wirklich Anbetungswürdiges anbeten zu können, bislang vorhanden war? Ich meine: Nein. Aber diese tragenden Grundkomponenten einer christlich-religiösen Existenz werden sich in einem anderen, veränderten „Aggregatzustand“ bemerkbar machen. Sie werden nach neuen Ausdrucksformen suchen. Hie und da kann man das schon wachsen sehen.

      Hier tun sich also neue Türen auf. Ich mache es an dieser Beobachtung fest: Manche kirchlichen Einrichtungen, besonders auch solche sozialer Art, erreichen täglich viele Menschen, darunter auch nichtkirchliche Menschen. Ich denke an unsere Kindergärten, aber auch Schulen, Betreuungs- und Beratungseinrichtungen. Immer hängen an solchen Einrichtungen und Häusern auch Angehörige und Besucher, die solche „Brücken“ zur Kirche hin eher betreten als Kirchen und Pfarrhäuser. Wie können wir das stark machen, worin Kirche heute als „lebensdienlich“ erfahren wird? Die Deutsche Post z. B. scheut sich nicht, postalische Dienstleistungen in Lebensmittel-Discountern anzubieten. Es macht mich nachdenklich, was in der säkularen Gesellschaft an Beweglichkeit dieser Art zu beobachten ist. Sind wir kirchlich noch zu phantasielos? Ist unsere Pastoral noch zu sehr von der Vergangenheit fixiert?

       Das Handeln von Laien in der Kirche fördern und profilieren

      Ich schlage vor, den Ausbau und die „Ermächtigung“ laikaler Beauftragungen und Dienste weiter voranzubringen. Wenn das Weiheamt bei seinen spezifischen Diensten bleiben soll, wird den Getauften und Gefirmten vermehrt neue, eigenständige, aber nicht unbegleitete Verantwortung in der Verkündigung, der Liturgie, der Leitung und „ekklesialen Vernetzung“ zuwachsen.

      Ich weiß um die Unersetzbarkeit des Weiheamtes. Aber diese Unersetzbarkeit darf sich nicht so absolut setzen, als ob ohne das Weiheamt vor Ort Glaube, Hoffnung und Liebe unmöglich würden. Das demütige Selbstbewusstsein aller Getauften und Gefirmten sollte gestärkt werden. Das wird auf Dauer auch positive Auswirkungen haben für ein neu akzentuiertes Dienstprofil der weniger werdenden Kleriker. Wir haben mehr und mehr Gläubige, die in Glaubensdingen wieder neu für andere auskunftswillig und auskunftsfähig sind. Das macht mich zuversichtlich für die Kirche von morgen – übrigens auch für die Weckung geistlicher Berufungen.

      Hier gälte es Strategien der Weckung, der Akzeptanz und der Vernetzung solcher Kompetenzen zu entwickeln. Die Kirche morgen wird sich weniger auf Institutionen verlassen können, sondern sich mehr durch Gesichter ausweisen. Es muss sich noch mehr herumsprechen, dass wir die Sakramente nicht allein für uns selbst empfangen. Getauft- und Gefirmt-Sein ist immer auch Beauftragung

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