Den österlichen Mehrwert im Blick. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Den österlichen Mehrwert im Blick - Группа авторов страница 6

Den österlichen Mehrwert im Blick - Группа авторов Erfurter Theol. Schriften

Скачать книгу

zwischen vielen Völkern schlichten.

      Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden,

      ihre Lanzen zu Winzermessern.

      Nicht mehr wird Nation gegen Nation das Schwert erheben,

      noch werden sie ferner das Kriegshandwerk lernen.

      5 Haus Jakob, kommt doch, lasst uns gehen im Licht JHWHs! (Jes 2,1–5)

      Man darf wohl auf die Formulierung „Schwerter zu Pflugscharen“ tippen. Die Formulierung dürfte selbst Zeitgenossen bekannt klingen, denen die Bibel eher unbekannt ist. Denn die Formulierung ist vor nicht allzu langer Zeit zu einem Slogan aufgestiegen und hat eine beeindruckende Wirkungsgeschichte entfaltet. Wie war es dazu gekommen?

      Eine Skulptur trug dazu bei. Der sowjetische Bildhauer Ewgenij Viktorowitsch Wutschetitsch (1908–1974) hatte die Skulptur angefertigt: Ein Mann schmiedet ein Schwert in eine Pflugschare um. 1957 kam diese Skulptur als Geschenk der UdSSR an die UNO nach New York. Dort aufgestellt, führte das Werk zu Reaktionen, die von den Schenkenden vermutlich gar nicht beabsichtigt worden waren. Angesichts militärischer Hochrüstung sowie düsterer großpolitischer und gesellschaftlicher Erfahrungen wurde die Skulptur als eine Verdichtung von Hoffnungen gedeutet und angenommen. Das geschah von Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre an vor allem in der Friedensbewegung der DDR, die in Teilen auch christlich geprägt war. Die Skulptur wurde auf einem Kreisrund als Bild wiedergegeben. Das Bild wurde zudem im Kleinformat auf Stoff geprägt, um es auf Bekleidungsstücke aufnähen zu können. Das Bild unterlegte man mit der Formulierung „Schwerter zu Pflugscharen“. Das Wort war für viele zum Motto ihrer Einstellung und Erwartung geworden. Das Bild und das Motto wurden auch schnell im Westen Deutschlands bekannt.

      Das Bild enthielt von Anfang an einen Hinweis auf die Bibel: „Micha 4“. Der Hinweis hätte ebenso „Jesaja 2“ lauten können. Die beiden Abschnitte Jes 2,1–5 und Mi 4,1–5 sind im Wortlaut sehr ähnlich.

      Die hier skizzierte Wirkungsgeschichte kennt also ein inspirierendes und beflügelndes Potential, das man dem alttestamentlichen Text zu entnehmen vermochte. Aber nicht nur die Wirkungsgeschichte ist interessant.

      Beachtenswert sind auch die Funktionen, die der Abschnitt 2,1–5 innerhalb des Buches Jesaja übernimmt. Dem wird dieser Beitrag nachgehen. Der Abschnitt Jes 2,1–5 übt eine Art Signalfunktion für den Lesegang durch das Prophetenbuch aus. Diese Signalfunktion entsteht aber erst dadurch, dass der Abschnitt zusammen mit den Texten, die ihm vorausgehen, eine Spannung aufbaut.

      Ein erster Pol, durch den die Spannung entsteht, ist leicht einsichtig und ergibt sich aus dem Gedanken in Jes 2,1–5, dass eine künftige Wallfahrt der Völker zum Zion, nach Jerusalem, die Lage auf der Welt deutlich verbessern könnte. Dabei würden global die Grundlagen für Krieg und Zwist abgeschafft werden und verschwinden – ein kühner Gedanke im antiken Buch Jesaja, dessen Entstehung sich vom 8. Jh. bis zum 4. Jh. v. Chr. erstreckte. Allseits würde Frieden einkehren.

      Der andere Pol, der zur Spannung beiträgt, wird erst deutlich, wenn man das erste Kapitel des Jesajabuches als Hintergrund hinzunimmt. Am Anfang des Buches steht es innerhalb der Gemeinschaft am Zion und in Jerusalem offenkundig nicht zum Besten. Der Anfang des Buches muss bei der Gemeinschaft Desiderate feststellen. Die Gemeinschaft folgt nicht ihren religiösen und gesellschaftlich-politischen Idealen und Satzungen, sondern verkehrt diese Ideale und Satzungen eher in ihr Gegenteil. Die Desiderate haben bereits zu fatalen Schlägen und zu Verlusten für die Gemeinschaft geführt und könnten noch weitere, ähnliche Folgen für sie heraufbeschwören.

      Die Spannung, die sich aus diesen beiden Polen ergibt, ruft im Jesajabuch eine eindringliche Fragestellung hervor: Wird die in Aussicht gestellte, erstrebenswerte Zukunft der Völker von der Gemeinschaft am Zion und in Jerusalem als etwas für sie Relevantes angenommen werden? Wird sie ihr Verhalten lenken können?

      Diese Spannung im Jesajabuch lädt letztendlich die Größe „Jerusalem und Juda“ ein, sich ihrer Rolle und Verantwortung in der Welt der Völker bewusst zu werden. Verkehrungen im Innenbereich sind eine schmerzliche und beklagenswerte Sache. Aber das Jesajabuch bleibt dem kleinen Innenbereich und dessen Mängeln nicht verhaftet, sondern bietet eine Art Selbstbesinnung anhand einer geweiteten Perspektive an. In der Besinnung reicht es nicht aus, nur auf sich selbst zu starren wie auf einen isolierten Binnenzirkel. Vielmehr ist es nötig, die förderliche und die fordernde Verwobenheit in die breite Völkerwelt in den Blick zu nehmen. Dieser neue, weite Blick über den Innenraum hinaus kann vielleicht eine Motivation dafür liefern, die eigene Lebensführung zu überdenken und neu zu gestalten.

      Wie das konkret in den Texten und im Buch aussieht, sei nun dargestellt. Zu beginnen ist mit dem oben schon zitierten Abschnitt Jes 2,1–5.

       Die Völker kommen

      Die zweite Überschrift im Prophetenbuch, Jes 2,1, wirkt wie eine kommentierende Stimme. Die Stimme stellt die Lektüre des Abschnittes 2,1–5 unter eine Regieanweisung. Was in diesem Abschnitt zu vernehmen ist, gehört zu „dem Wort“, welches Jesaja geschaut hat und welches sich auf die Zweiheit „Juda und Jerusalem“ bezieht. Beide Namen benennen Themen, die das Buch Jesaja durchziehen („Juda“ bis 65,9; „Jerusalem“ bis 66,20). Das Übergreifende im Buch gilt es zu beachten. Zwar wird unser Abschnitt nur „Jerusalem“ (vgl. 2,3) erwähnen und das ansprechen, was mit diesem Stadtnamen eng verbunden ist. Aber dem stellt die Überschrift 2,1 Signale voran, die sich an die erste Überschrift im Buch anlehnen (1,1). Die erste Überschrift bezieht sich auf das ganze Buch. Somit sind die wallfahrenden Völker zusammen mit dem wahrzunehmen, worum es der prophetischen Schrift laut ihrer ersten Überschrift insgesamt auch geht: Jesajas Vision über „Juda und Jerusalem“ (1,1). Wenn im Buch erstmals der Abschnitt 2,1–5 eine Wallfahrt der Völker zum Zion schildert, will die Schilderung anscheinend als eng auf das Buch bezogen wahrgenommen werden, und zwar derart, dass die Wallfahrt der Völker für die Konzepte im Buch bedeutsam ist. Juda und Jerusalem werden mit den Völkern konfrontiert. Man kann auch sagen: Die für das Buch ausschlaggebende theologische Größe „Israel“ wird auf die Völker bezogen.

      Von Jes 2,2 an kommt der literarische Prophet Jesaja sozusagen selbst zu „Wort“. Seine Stimme ist jetzt im Text zu vernehmen. Sofort richtet Jesaja seinen Blick auf die „zukünftigen Tage“. Er denkt dabei an keine jenseitige Ära, die erst nach dem Abbruch der Geschichte eintreten würde. Jesaja versteht die kommenden Tage und das, was sich an ihnen ereignen wird, binnengeschichtlich. Jesaja rechnet damit, dass Völker in die Stadt Jerusalem kommen werden. Aber es gibt noch einen zeitlichen Spielraum, bevor die Völker herbeiströmen. Dieser Spielraum wird für Jesaja noch wichtig werden.

      Jesaja ordnet das Kommen der Völker in eine hintergründige Topographie ein. Die Topographie stimmt nicht überein mit unserer Kenntnis über die faktische Lage der Stadt Jerusalem, über ihr Höhenniveau im Verhältnis zum Umland. Aber das Landschaftsbild, letztlich die Weltlandschaft, wird während des Kommens der Völker verwandelt sein. Das kontrafaktische Landschaftsbild hebt theologisch-konzeptionell auf die einmalige Bedeutung „des Berges des Hauses JHWHs“, des Zions, und von Jerusalem ab. Dieser Berg werde einst eine Festigkeit in der Schöpfung besitzen, er sei dann zugleich der höchste der Berge, und kein Hügel erreiche seine Höhe. Diese metaphorische Erhöhung Zion-Jerusalems wird mit der Aufwärtsbewegung der Völker zu dieser Stätte einhergehen: Sie werden „hinaufziehen“ wollen (Jes 2,3). Diese Aufwärtsbewegung der Völker schließt den Aspekt mit ein, dass die Völker solch „göttliche“ Höhe nicht mehr bei sich und in ihrem Umfeld werden finden können. Die Antike verband oft Götter und Berge, wobei die „Höhenverhältnisse“ Religiös-Theologisches zum Ausdruck brachten. Das Jesajabuch wird später – insbesondere ab Kapitel 40 – noch ausweisen, dass sich die Götter der Völker in der Geschichte als Nichtse entpuppen und dass sich Israels Gott JHWH

Скачать книгу