Den österlichen Mehrwert im Blick. Группа авторов

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Den österlichen Mehrwert im Blick - Группа авторов Erfurter Theol. Schriften

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zusammensetzt. Dieser Begriff „alles Fleisch“ verwies schon am Anfang der Bibel auf eine Menschheit (Gen 6–9), die noch nicht in verschiedene Ethnien gespalten war (Gen 10). Die Gottesdienstgemeinde im Buchfinale realisiert sich durch das Miteinander von jenen, die sich aus Israel und aus den Völkern aufrichtig JHWH zuwenden können.

      Das Ende des Buches ist von seiner Ouvertüre her zu lesen. Dabei sind drei Punkte ausschlaggebend: (1) Wie gesehen, gelang in der Ouvertüre dem Binnenraum Israel kein JHWH gefallender Kult und Gottesdienst. Aber auch am Ende des Buches ist einem abgeschlossenen Binnenraum Israel allein ein solcher Kult und Gottesdienst nicht möglich, auch wenn Israel in Teilen von Schuld und Sünden gereinigt sein mag. Gelingender Kult und Gottesdienst werden erst durch Vertreter „allen Fleisches“, eben aus Israel und den Völkern, vollzogen werden können.

      (2) Der Appell an das Haus Jakob in Jes 2,5 zielte „nur“ auf eine theologische Ethik ab. Israel sollte seinem Gott die Möglichkeit offen halten, vom Zion aus Frieden in der Völkerwelt herbeiführen zu können. Die Entwicklungen im Buch gehen dann über diese Ethik hinaus und führen zu einer neuen „Ekklesia“ (vgl. LXX Dtn 23,2–9) im Jesajabuch. Sollte eingangs die Zion-Israel-Gemeinde lediglich zugunsten der Völker agieren, treten dann zu guter Letzt Vertreter der Völker in die Gemeinde ein und formatieren ihre Zusammensetzung neu.

      (3) Das Buchende erwähnt eine fortbestehende Gefahr, die schon in der Ouvertüre zum Gericht geführt hat und die im Brechen mit JHWH und mit seinen Anliegen besteht (Jes 1,2.18). Der Schlussvers hebt von der neuen Gemeinde Einzelne ab, die durch solch ein Brechen ihren Untergang herbeigeführt haben (66,24). Das Neue und das Richtungsweisende ist gegeben, aber das Alte und die Existenz Bedrohende besteht fort. Die Lesenden haben am Buchende zu überlegen und zu entscheiden, auf welcher Seite sie stehen wollen.

       Schlussreflexion

      Das Jesajabuch entfaltet das Thema „Israel und die Völker“ viel breiter, als es hier wenige Federstriche andeuten konnten. Doch wurden zumindest Einzelaspekte des Themas deutlich. Israel hat eine Aufgabe und Verantwortung für die Völkerwelt. Dabei sollen die Geschicke der Völker Israel im Inneren bewegen. Im Gegenzug können dann Vertreter der Völker die Zusammensetzung Israels verändern.

      Die folgende Reflexion zu diesem Befund holt zu einem weiten Bogen aus und wird zugegebenermaßen gewagt anmuten. Die Reflexion bezieht einige pastorale Gedanken von Bischof Joachim Wanke ein, dem dieser Band gewidmet ist. Wanke entwickelte seine Gedanken zunächst in einer konkreten geschichtlichen Situation.

      Die Geschichte der katholischen Kirche in der ehemaligen DDR und in den neuen Bundesländern durchlief einige Phasen. Eine erste Phase war geprägt von negativen Erfahrungen mit den politischen und ideologischen Realitäten im Ostblock. Die katholische Kirche und die Bischöfe der DDR richteten sich in dieser Phase mehr oder weniger im eigenen, mühsam freigekämpften Binnenraum ein. Pastorale Konzepte dachten von einem „geschützten Raum“ Kirche her. „Geschützt“ bedeutete in diesem Fall zugleich: abgeschottet. Selten geschah eine interne Ermutigung der Gläubigen und der Kirche dahin, dass sie sich gesamtgesellschaftlich engagieren könnten. Ihre notgedrungene geistige Distanz zum realen System ließ für die Kirche auch das Land und die Gesellschaft, in denen das System herrschte, eher als Nichtheimat und als Fremdes erscheinen. Diese Sichtweise und Einstellung änderten sich schrittweise – nicht zuletzt mit der Übernahme des Bischofsamtes in Erfurt durch Joachim Wanke.

      Wanke trat sein Bischofsamt 1980 an, nachdem das Zweite Vatikanische Konzil zu alten, bisweilen vergessenen Einsichten über das Wesen der Kirche Gottes zurückgefunden hatte. In den Einsichten des Konzils ist der Kirche ein Weltauftrag gegeben, der sich jeweils am Ort und in der konkreten Zeit segensreich auszuwirken hat. Wanke vermochte für sein Aufgabenfeld als Bischof eine Differenzierung vorzunehmen. Er unterschied zwischen zwei Seiten: dort Staat und System, hier das Land und seine Menschen. Auf die zweite Seite lenkte Joachim Wanke seine pastoralen Überlegungen. Schon 1981 sah der Bischof auf Pastoralkonferenzen den DDR-Raum nicht mehr nur als unleidliche Schicksalsstätte für die Kirche an. Dieser Raum war für Wanke und seine Mitbrüder im Presbyterium zuerst einmal Heimat, in der das Evangelium auf „mitteldeutsch“ buchstabiert werden muss. Der Sendungsauftrag der Kirche wurde von Wanke mit einer neuen Positionierung zur Mitwelt im gemeinsamen Raum verbunden. Die Konsequenzen daraus gingen für Wanke dahin, dass die Kirche in vielen ihrer Lebensäußerungen unterschiedslos für alle Menschen des Landes solidarisch da sein muss. Der Raum für die Kirche ist eine von Gott gegebene Realität und verlangt eine Hinwendung zu den Menschen, welche dem gemeinsamen Raum angehören.

      Wanke griff seine frühen pastoralen Gedanken mehrfach auf, spitzte sie aber auch zu. Dreißig Jahre nach seiner Weihe zum Bischof, am 30.11.2010, hielt er in der Katholischen Akademie Berlin einen Vortrag mit dem Titel „Katholische Kirche in Deutschland – wie geht es weiter?“ Der Vortag befasste sich mit der „Glaubwürdigkeit“ dieser Kirche. Diese hat bekanntlich in den letzten Jahren arg gelitten. Wanke nahm seine Kirche in die Pflicht: „Der Auftrag der Kirche ist es, Gott zum Vorschein zu bringen, nicht sich selbst. Es ist einfach falsch zu meinen, wir müssten als Kirche eine Gegengesellschaft zur Welt bilden, vielleicht noch perfekter als diese werden. Gerade diese Mentalität hat in der Vergangenheit manche strukturelle Heuchelei verursacht. Der Schein war dann wichtiger als das Sein. Die Kirche muss sich als Ferment im Ganzen verstehen, nicht als Rückzugsort für die Vollkommenen und Reinen.“ Ferment bedeutet u.a. „Gärungsmittel“ oder „Sauerteig“. Beide wirken, sobald sie in organischer Materie eingemischt sind. Wo hat Kirche zu wirken?

      Die pastoralen Gedanken Wankes enthalten Momente, die offenkundig dem ähneln, was hier aus dem Jesajabuch erhoben werden konnte: Gemeinschaften, die sich vom biblischen Gott her verstehen, können keine rein auf sich bezogenen Binnenräume bleiben, sondern haben sich in weiten Bezugsfeldern wiederzufinden. Doch ein direkter Vergleich der Gedanken Wankes mit den Inhalten des Jesajabuch verbietet sich. Die Differenzen in den historischen Umständen und in den Konstellationen, in den die jeweiligen Gemeinschaften stehen, sind zu groß.

      Vor allem aber ist der Unterschied zu beachten, ja zu betonen, dass im Jesajabuch Israel im Fokus steht und bei Wankes Gedanken die Kirche. Zwar fußt die christliche Kirche auf dem biblischen Israel auf, und Christen begegnen im aktuellen Judentum ihren „älteren Brüdern“ (Johannes Paul II.). Doch das Alte Testament kreist im sogenannten ersten Lesegang durch die christliche Bibel zunächst einmal um Gott, die Welt und insbesondere Israel, und Bezüge auf Christen und Kirche fehlen dabei im Alten Testament. Erst danach kommt von christlicher Seite her der notwendige zweite Lesegang unter Kenntnis des Neuen Testamentes hinzu, und dabei erst dürfen sich Christen im Alten Testament – ohne das Judentum zu vereinnahmen – erhellend widerspiegeln.

      Unter diesen Konditionen und Einschränkungen lassen sich dem Jesajabuch Aspekte ablauschen, die sowohl Wankes Gedanken als auch eine Selbstbesinnung der Kirche theologisch grundieren und vertiefen können.

      Das Prophetenbuch stellte sich dem Wandel und Wechsel in der Geschichte. Das Gottesvolk erlebte Verluste und Niederlagen, machte Erfahrungen mit dem Exil und in der Diaspora und hatte mühsame Neuanfänge in der alten Heimat zu bestehen. Die geschichtlichen Entwicklungen wurden im Buch nicht nur einfach zur Kenntnis genommen. Die Geschichte wurde von Gott her gedeutet und verstanden. Nicht zuletzt die Einsicht, dass JHWH mit langem Atem sein Volk durch Zeiten und Räume leitet, führte im Buch zur Erkenntnis der Einzigkeit JHWHs. Aufgrund dieser Einzigkeit wurde JHWH zugleich als Schöpfer der Welt und als der Lenker auch der Geschichte der Völkerwelt angesehen.

      Damit war im Prophetenbuch eine zentrale theologische Ausgangsbasis gegeben. In dieser Denkweise steht zuerst JHWH in universellen lebendigen Bezügen. Und umgekehrt steht dann auch jede Mitwelt, die es zum Gottesvolk geben kann, schon immer in Beziehung zu JHWH. Von dieser Theologie her hat das – bzw. ein – Gottesvolk je neu seine Mitwelt in den Blick zu nehmen und der Mitwelt zu begegnen.

       Literatur

      Berges,

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