Den österlichen Mehrwert im Blick. Группа авторов

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Den österlichen Mehrwert im Blick - Группа авторов Erfurter Theol. Schriften

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für die Drucklegung zwischen Verlag und staatlicher Zensur (Hübner 2010, 294–304). Das Vertrauen der Bischofskonferenz war so groß, dass sie die Erteilung des „Nihil obstat“ in die Verantwortung der Mitglieder unseres Professorenkollegiums legte.

      Ich kann mich nicht daran erinnern, dass auch nur einer der von uns Professoren für einen Lehrstuhl vorgeschlagenen Kandidaten von der Bischofskonferenz abgelehnt worden ist. Sie entsandte Mitglieder unserer Konferenz zum Zweiten Vatikanischen Konzil und in die bis heute bedeutsame „Internationale Theologenkommission“, ebenso in zahlreiche wichtige philosophische und theologische Gremien, Konferenzen und Arbeitskreise. Besonders – für unseren damaligen gesellschaftlichen Kontext – der Erinnerung wert erscheint mir im Rückblick die Arbeit, die meine Kollegen vor allem in der Ökumene und in der Pastoral geleistet haben. Wir durften ferner viele der anerkanntesten deutschsprachigen Theologen – auf dem Weg einer privaten Einladung! – zu Gastvorlesungen bei uns begrüßen, von Professor Joseph Ratzinger bis hin zu Professor Johann Baptist Metz. Nach meiner Erinnerung gab es in unserem Kollegium nur ein einziges Mal keine Zustimmung für eine Einladung eines bekannten Tübinger Professors, weil wir fürchteten, dass durch diesen Besuch ein Zwiespalt mit unseren Bischöfen entstehen und Vertrauen zerstört werden könnte.

       Gesellschaftliche Relevanz theologischen Wirkens

      Der katholischen Kirche in der DDR wurde häufig zum Vorwurf gemacht, sie habe sich von der Gesellschaft abgeschottet und ein Binnendasein geführt. Im Vergleich zur evangelischen Kirche, die nach dem Krieg eine Volkskirche war, waren wir gewiss nur eine „kleine Herde“. Doch ist dieser Vorwurf gegenüber uns Katholiken nur zum Teil berechtigt. So lebten unsere Gläubigen mitten in einer sozialistischen Gesellschaft, wenn auch nicht gleichberechtigt, oft diskriminiert, aber sie waren präsent und bezeugten ihren Glauben. Ich möchte daran erinnern, dass alle Mitglieder unseres Professorenkollegiums in die Gesellschaft durch vielfältige theologische Arbeit hinein gewirkt haben: bei kirchlichen Veranstaltungen, in unseren Bildungshäusern, mit Vorträgen, durch Literatur und durch vieles andere mehr.

      Für mich hatte zunächst die Pastoralsynode von 1973 bis 1975 in Dresden eine besondere Bedeutung. Die Diözesen wählten selbstständig ihre Kandidaten als Mitglieder diese Synode. Daneben wurden aber auch Teilnehmer aus überpfarrlichen und überdiözesanen Gremien delegiert; aus dem Philosophisch-Theologischen Studium und dem Priesterseminar waren es vier. Ich selbst wirkte in zwei Arbeitsgruppen als Berater mit. Die eine konzipierte einen Beschluss zu dem Thema „Der Christ in der Arbeitswelt“, die andere über den „Dienst der Kirche für Versöhnung und Frieden“. Leiter der Synode war Alfred Kardinal Bengsch. Ihm war es ein primäres Anliegen, jede Nähe zum Staat oder sozialistischen Gruppierungen zu vermeiden. Ein erster Entwurf des Beschlusses über die Arbeitswelt suchte – ohne mein Zutun – Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Marxisten herauszuarbeiten. Kardinal Bengsch befürchtete Missverständnisse und Vereinnahmungen seitens des Staates. Er vertraute darauf, dass die zwei in dieser Arbeitsgruppe mitwirkenden Erfurter Professoren, Professor Wilhelm Ernst und meine Person, diesen Gefahren entgegenwirken würden. Unvergesslich bleiben mir die Diskussionen mit dem Kardinal bis in die Nachtstunden hinein. Wir mussten bei beiden genannten, sehr brisanten Themen eine Reaktion der staatlichen Stellen befürchten. Schließlich gelang es in der Arbeitsgruppe über den Christ in der Arbeitswelt, zwei sehr unterschiedlich argumentierende Richtungen der Synode zu einem veränderten Beschlusspapier zu bewegen, welches auf die Betonung einer Gemeinsamkeit zwischen Christen und Kommunisten verzichtete. In der damaligen Situation war es nicht möglich, Missstände in der DDR offen beim Namen zu nennen. Das hätte sofort zu Schikanen gegen unsere pastorale Arbeit geführt. Schwerpunkt war für uns die Darstellung eines christlichen Verständnisses von Arbeit. Es enthielt aber eine bis an die Grenze gehende indirekte Kritik an der herrschenden Ideologie mit ihrer Deutung von Leistung und Arbeit. Später wurde zwar öfter auf Defizite dieses Beschlusses hingewiesen, zugleich aber meistens zugestanden, die Synode habe versucht, das in dieser politischen Situation Mögliche zu sagen, ohne weitere Benachteiligungen für die Christen zu provozieren (Schumacher 1998, 181–193).

      Der Beschluss „Dienst der Kirche für Versöhnung und Frieden“ kam ebenfalls erst nach heftigen, vielleicht noch schärferen Auseinandersetzungen zustande. Entwürfe von Gemeinden und Gruppen wollten dieses Thema mit anderen Fragen in Zusammenhang bringen, wie z.B. mit dem Thema „Jugendweihe“ oder mit dem Problem über das „Verhältnis zwischen Kirche und sozialistischem Staat“. Ein erster Entwurf wurde folglich vom Präsidium der Synode abgelehnt. Daraufhin bat mich Relator Pfarrer Bruno Diefenbach um eine Textvorlage aus eigener Feder. Zunächst lehnte ich diesen Wunsch ab, ich glaubte nicht, dieses Minenfeld heil durchschreiten zu können: Die DDR behauptete, sie sei ein Friedensstaat wie kein anderer. Sie missbrauchte ständig die Enzyklika „Pacem in terris“ von Papst Johannes XXIII. zur eigenen Rechtfertigung. Außerdem ging es in der DDR–Gesellschaft oft sehr unfriedlich zu: es gab keine Gleichberechtigung der Christen, keine Reise- und Pressefreiheit, die Militarisierung der Jugend wurde vorangetrieben u.a. Diefenbach überzeugte mich dann doch mit dem Argument, nur unsere Kirche könne im Ostblock – im Vergleich zu allen anderen sozialistischen Ländern – zu diesem Thema unseren christlichen Standpunkt öffentlich darlegen, für alle Kirchen in den anderen Ländern sei dies unmöglich; wir sollten also nicht schweigen. So habe ich einen Entwurf für eine Beschlussvorlage konzipiert, die zwar Korrekturen erfuhr, wesentliche gesellschaftliche Themen aussparen musste, doch im Wesentlichen konsensfähig war und schließlich von der Synode verabschiedet wurde. Bischof Hugo Aufderbeck hat sich in hervorragender Weise als Vermittler zwischen den gegensätzlichen Strömungen bewährt. (Schumacher 1998, 194–208)

      Schon damals erlebte ich Kardinal Bengsch als eine herausragende Persönlichkeit. Im Rückblick aus unserer Gegenwart heraus wird immer deutlicher, wie sehr ihn Klarsicht und Willensstärke auszeichneten. Sein übergeordnetes Ziel war die Einheit unserer Kirche. Tendenzen von einzelnen Persönlichkeiten oder Gruppen, mit dem Sozialismus damaliger Prägung zu paktieren, widersprach er mit Entschiedenheit. Sein Vertrauen in die theologische Arbeit unseres Professorenkollegiums bildete die wesentliche Grundlage unserer Lehrtätigkeit. Er holte auch während der Synode häufig den Rat der Vertreter aus der Erfurter Priesterausbildung ein und führte – bei all seinem Berliner Temperament – stets eine sachliche Diskussion. Nicht selten kam es zu Gesprächen zwischen einzelnen Kollegen von uns in seiner Berliner Wohnung. Er suchte oft unseren Rat. Unvergessen bleibt mir, wie der Kardinal vor einem Gespräch, zu dem er mich gebeten hatte, das Radio einstellte. Dieses Vorgehen hatte einen makabren Hintergrund: man hatte zuvor seine Räume mit Abhörwanzen bestückt. Alle Welt erfuhr von diesem Schurkenstück sofort nach dessen Entdeckung. Kardinal Bengsch habe ich als einen klugen Seelsorger, Hirten und Kirchenpolitiker in Erinnerung, aber auch als mitunter eigenwilligen Theologen. Das wurde besonders deutlich in seiner Ablehnung der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“. Wir Theologen fühlten uns, so glaube ich sagen zu dürfen, unter seiner Führung geborgen und in Sicherheit, besonders vor staatlichen Einmischungsversuchen und Repressionen, seien sie gegen einzelne Persönlichkeiten oder gegen unser Philosophisch-Theologisches Studium beabsichtigt gewesen.

      Die Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung fand in der DDR 1988/89 statt. Heute wird weithin anerkannt, dass sie wesentlich dazu beigetragen hat, Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft aufzudecken und bewusst zu machen. Die Perestroika-Politik Gorbatschows hatte bereits damit begonnen, die Versteinerungen des kommunistischen Sozialismus zu sprengen. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass dieses große, einmalige ökumenische Ereignis wesentlich zum Verschwinden der DDR beigetragen hat. Die katholische Kirche erklärte sich erst nach langem Zögern am 1. / 2. Dezember 1987 zur vollen Teilnahme bereit. Die Eröffnung fand bereits am 12. Februar 1988 statt. Das lange Zögern der Bischöfe erklärt sich aus ekklesiologischen und politischen Bedenken. (Seifert 2000, 112) Träger der Vollmitgliedschaft unserer Kirche waren 26 Delegierte, fast ausschließlich aus der Gruppe „Justitia et Pax“, die durch Joachim Kardinal Meisner eine offizielle Beauftragung erhielten. Wiederum wurde seitens unserer Bischöfe an Professoren aus dem Erfurter Studium ein wichtiger Auftrag erteilt: Sie sollten die katholische Theologie in der Ökumenischen Versammlung vertreten, ein

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