Beten bei Edith Stein als Gestalt kirchlicher Existenz. Christoph Heizler

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Beten bei Edith Stein als Gestalt kirchlicher Existenz - Christoph Heizler Studien zur systematischen und spirituellen Theologie

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sich denn überhaupt als der Geschehenssinn des Gebets“.118 Casper weist darauf hin, dass auch bei Thomas von Aquin der Zusammenhang von Gebet und Hoffnung begegnet. Er behandelt das Gebet im Compendium theologiae im Rahmen der Frage nach der Hoffnung, während es in der Summa theologiae im Rahmen der Tugend der Gerechtigkeit zum Thema wird.119

      Mit Blick auf die Fragestellung der vorliegenden Studie können die von Bernhard Welte und Bernhard Casper geleisteten Forschungsansätze und methodischen Zugänge zum Gebet wichtige Anregungen liefern. Diese seien nachfolgend zusammenfassend benannt.

      Beten kommt im Verständnis von Berhard Welte und Bernhard Casper als existentieller Grundvollzug menschlicher Freiheit in den Blick, in dem der Mensch seine Transzendenzfähigkeit aktualisiert erfährt. Der Ereignischarakter des Betens und damit dessen zeitliche Verfasstheit erfahren besondere Beachtung. Das ist für die angestrebte Erkundung des Betens der Edith Stein insofern bedeutsam, als eine betonte Sensibilität für die Dimension der Zeitlichkeit des menschlichen Daseinsvollzugs in Denken und Glauben und damit auch im Beten in entsprechender Weise bei Edith Stein aufgewiesen werden kann.120

      Bernhard Welte und Bernhard Casper kommen hinsichtlich des Gebetsgeschehens auch darin überein, dass sie eine phänomenologische Beschreibung des Betens anstreben. Diesen Zugang wählen sie statt einer abschließenden Definition, die dem Ereignischarakter eines prinzipiell uneinholbaren, sich im Vollzugsganzen erstreckenden Geschehens ihres Erachtens nicht gerecht wird.121 Im Fokussieren auf eine deskriptive Explikation des Betens als einem Prozess und Fluss von Ereignismomenten ist eine Konsequenz der Rücksichtnahme auf die Dimension der „Zeit“ zu sehen. Insofern kann man sagen, dass sich in dem Maße, wie die Dimension der zeitlichen Erstreckung und das Moment der fundamentalen Offenheit des als Freiheitsgeschehen sich zeigenden Gebetsverhältnisses zu Gesicht kommen, ein phänomenologisches Herangehen nahelegt. Denn wo ein Geschehen fundamental von Unabschließbarem und immer neu radikal Unvordenklichem geprägt ist, das sich je und je von sich her erscheinend offenbart, dort muss eine vorwegnehmende Definition versagen, die das Geschehen im Vorhinein umfassend einholen und spekulativ eruieren wollte.122

      Sowohl Bernhard Welte als auch Bernhard Casper wählen einen Zugang zum Gebet, bei dem sie es betont im Horizont der Besinnung auf die menschliche Sprache situieren. Durch die Beachtung der sprachlichen Prägung des Betens wird möglich, diesen existentiellen Grundakt von vorne herein als geschichtlichen und sozialen zu verstehen, dessen fundierende Bedingung und zugleich radikale Verdichtung das Geschehen des Schweigens ist. Dem Phänomen des schweigenden Betens geben beide Autoren entsprechend in unterschiedlicher Akzentsetzung Raum, wobei verbindend bleibt, dass Schweigen nicht als Deprivationsform des Sprachgeschehens angesehen wir. Vielmehr sehen beide Autoren das Schweigen als Grenzfall der Sprache an und als Anzeiger für die alle Intentionalität begründende Qualität des religiösen Verhältnisses, das sich im Schweigen nicht verliert, sondern auf grundlegende Weise zu sich kommt.

      Wie in der zwischenmenschlichen Wirklichkeit Sprache als je dialogische und in ihrer Intersubjektivität und geschichtlichen Vorfindlichkeit unhintergehbare Größe beschrieben werden kann, so auch – in analoger Weise, und als Grenzfall – auch im religiösen Verhältnis. Welte und Casper verbindet somit, wo Gebet im Horizont der Sprache situiert wird, die Einschätzung einer grundlegenden Analogizität des zwischenmenschlichen Verhältnisses mit dem religiösen Verhältnis. Diesen Gedanken einer analogia entis findet man auch in nahezu allen Werken der Edith Stein, die dahingehend wesentlich von E. Przywara SJ beeinflusst wurde.123 Edith Stein kommt schon im Vorwort zu ihrem religionsphilosophischen Hauptwerk „Endliches und ewiges Sein“ auf den diesbezüglichen Einfluss des Jesuiten auf die Bedeutung des Analogiedenkens zu sprechen. Mit Blick auf die erste Fassung ihrer Studie schreibt sie von sich als Verfasserin: „Die erste Fassung ihres Buches und die endgültige Fassung der ‚Analogia entis‘ sind etwa gleichzeitig geschrieben, aber sie durfte die früheren Entwürfe der ‚Analogia entis‘ einsehen und hat überhaupt in den Jahren 1925–31 in lebhaftem Gedankenaustausch mit E. Przywara gestanden. Dieser Austausch hat wohl auf seine wie auf ihre Fragestellung bestimmend eingewirkt“.124 Mit Blick auf Überschneidungen zwischen ihrer Studie und dem Werk Przywaras bemerkt sie: „Eine gewisse Überschneidung liegt aber doch vor, da auf der einen Seite die Analogie als das Grundgesetz aufgewiesen wird, das alles Seiende beherrscht und darum auch für das Verfahren maßgebend sein muss, auf der anderen Seite die sachliche Untersuchung des Seienden auf den Sinn des Seins hin zur Aufdeckung desselben Grundgesetzes führt.“125

      Den Jesuiten, durch den sie zum vertieften Studium und zur Aneignung von thomasischen Positionen gelangen wird, lernte Edith Stein Mitte der Zwanzigerjahre des 20. Jahrhundert in ihrer Speyrer Zeit kennen. Przywara lud sie zu dieser Zeit ein, die quaestiones disputatae de veritate des Thomas von Aquin ins Deutsche zu übertragen. Diese neben ihrer Tätigkeit als Lehrkraft entstandene Studie126 zeigt klar das hohe Maß an sprachlichem und denkerischem Einfühlungsvermögen, mit dem sich Edith Stein einem theologischen Denker nähert, dessen scholastische Begrifflichkeit ihr nicht durch ein akademisches Theologiestudium vertraut war. Sie rezipiert den Aquinaten gleichwohl auf der Basis dieser Übersetzungen später mit großer Eigenständigkeit im Rahmen ihres philosophischen Werkes „Endliches und ewiges Sein“, bei dem sie allerdings mit Blick auf die menschliche Person stärker Augustinus folgt.127 Steins Anliegen, scholastische Philosophie mit Denkwegen und Methoden der zeitgenössischen Philosophie zu erschließen und für die Gegenwart fruchtbar zu machen, trifft sich mit dem Grundanliegen Bernhard Weltes, worauf bereits hingewiesen wurde.128 Somit kann für meine Studie festgehalten werden, dass sowohl eine hohe thematische als auch methodische Affinität zwischen dem 18 Jahre jüngeren Religionsphilosophen Bernhard Welte und Edith Stein ins Auge fällt. Ein Hinweg zum Werk Steins unter Einbezug der Positionen Weltes scheint somit von der Sache her angemessen.

      Als Ertrag aus der Sichtung der zwei vorgestellten Positionen zum Ereignis des Betens ergeben sich somit mehrere Anregungen für den Umgang mit Phänomenen des Gebetes im Werk und Leben der Edith Stein. Von einem betonten Augenmerk auf die Dimensionen Zeit, Schweigen und Dialogizität war bereits die Rede. Den Gebetsvollzug in einer durch die phänomenologische Blickperspektive sensibilisierten Optik wahrzunehmen und Beten in einer davon angeregten Weise zu beschreiben, zählt ebenfalls zum Ertrag, den für die vorliegende Studie aus der Werken der Freiburger Religionsphilosophen gewonnen wurde.

      In der gegenwärtigen Edith-Stein-Forschung greifen Studien und Beiträge zur Biographie, zum literarischen Werk und zur Wirkungsgeschichte verschiedene Aspekte und Stationen ihres Lebens auf und beleuchten diese in ihrem Zusammenhang oder hinsichtlich ihrer Einzelheiten und situativ-geistesgeschichtlichen Verortung. Eine umfangreiche Literaturübersicht mit Monographien, Aufsätzen und anderen Publikationsformen jüngeren und älteren Datums seit 1942 bietet eine entsprechende Sonderausgabe des „Edith-Stein-Jahrbuchs“ von Francesco Alfieri aus dem Jahre 2012.129

      Untersuchungen, die ausdrücklich und systematisch das Thema Gebet bei Edith Stein in den Blick rücken, fehlen bisher in der Edith-Stein-Forschung. Weder eine umfassende Sichtung der einzelnen Aspekte ihres Betens noch eine zusammenschauende Betrachtung ihrer Gebetsmanifestationen liegen vor. Studien zu den geistlichen Texten unserer Autorin sind ebenfalls nicht erstellt worden. Vom Umfang her kleinere Beiträge wenden sich entweder lediglich einzelnen Aspekten des geistlichen Lebens unserer Autorin zu oder sichten das gesamte Leben Edith Steins global unter bestimmten Gesichtspunkten, die eine rückblickende Einteilung in biographische Phasen der spirituellen Entwicklung ermöglichen.

      So skizziert in knapper Form Terrence C. Wright im Jahre 2005 den Zusammenhang zwischen Steins phänomenologischem Ansatz, ihrer Sicht von Innerlichkeit in Verbindung mit der Verwobenheit hin zur äußeren, sozialen Welt und ihrem

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