Beten bei Edith Stein als Gestalt kirchlicher Existenz. Christoph Heizler
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Im Jahre 2008 blickt Dianne Marie Traflet in pastoraltheologischer Perspektive und mit dem Anliegen der Erkundung spiritueller Theologie auf die geistliche Vita Edith Steins. Ihr Beitrag „Edith Stein. A Spiritual Portrait“160 zeichnet das geistliche Leben Edith Steins unter vier wesentlichen Gesichtspunkten nach. Dazu lässt sie eine breite Anzahl von Belegstellen aus Steins Schriften und Briefen sowie Aussagen von Zeitzeugen im klösterlichen Lebenskontext der Karmelitin zu Wort kommen. Die Autorin konturiert zunächst unter Einbezug dieser Quellen, wie die Suche nach Wahrheit für Edith Stein zur geistlichen Frage wird („Searching for the Truth: Edith Stein’s Spiritual Quest“161), bevor die Bedeutung die Eucharistie in den Blick rückt („Loving with His Love: The Importance of the Eucharist“162). Das Vorbild der Gottesmutter Maria („Carrying Divine Life: The Example of Mary“163) und schließlich Steins Berufung zur Kreuzesnachfolge („Carrying the Cross into a World of Flames“164) werden von Traflet als die beständig wirksamen geistlichen Quellen aufgewiesen, die Stein innerlich vitalisieren und ihren Lebensweg ausrichten. Dass die Autorin sich auf wenige Kristallisationspunkte der Spiritualität Edith Steins konzentriert, erlaubt der Lektüre, in kurzer Zeit vier bedeutsame Merkmale der geistlichen Biographie zu erfassen. Vor allem die Innigkeit, mit der Edith Stein die Suche nach Wahrheit, die Nähe zu Jesus Christus in Eucharistie und Kreuzesnachfolge sowie die Bezogenheit auf Maria lebte, gewinnt in der Darstellung Traflets plastische Gestalt. Wie Steins tiefer Glaube beständig ihren Alltag orientiert und wie ihre Frömmigkeit auf andere ausstrahlt, erlangt in Traflets Darstellung ebenfalls große Anschaulichkeit. Ihre Sicht auf Edith Stein wird schließlich von Überlegungen abgerundet, welche Botschaft Edith Stein für heute nahe bringt. Das geistliche Portrait, das dieser Beitrag zeichnet, kann daher als gleichermaßen facettenreich wie prägnant bezeichnet werden. Es ist um aktualisierende Aneignung der geistlichen Gestalt Edith Steins bemüht und verdichtet daher längere Suchprozesse und Entwicklungen in geraffter Darstellung und pointierter Skizzierung. Angesichts der reduzierten Kürze des Beitrags kann nicht erstaunen, dass die philosophische Prägung des Steinschen Betens nicht entfaltet wird und ihr jüdisches Erbe nur en passant Erwähnung findet. Gleiches gilt für die prägenden Einflüsse, die neben Teresa von Ávila von anderen Heiligen des Karmel auf Edith Stein ausgingen. Das Anliegen einer geistlichen Mystagogie, das Edith Stein und ihr Gebetsleben werbend als Modell und Vorbild für eine eucharistisch-marianisch geprägte Frömmigkeit vor Augen stellt, ist der Monographie Traflets anzumerken. Darin darf sich Traflet dem verbunden wissen, was Edith Stein bei ihrer öffentlichen Wirksamkeit stets als Ziel ihrer Ausführungen vor Augen hatte, und zwar wie man es anstellen kann, an der Hand Gottes zu leben.
2.2.2 Gründe für die geringe Anzahl an Forschungsbeiträgen
Es bleibt trotz der oben erwähnten Studien festzuhalten, dass das Thema Gebet in der Edith-Stein-Forschung mit Blick auf vorliegende Veröffentlichungen keine bedeutende Rolle spielt. Dies kann insofern erstaunen, als doch gerade das gemeinschaftliche und persönliche Gebet für die Frömmigkeit einer Karmelitin zentrale Bedeutung hat: sie soll beständig aus diesem religiösen Vollzug heraus leben.165 Dass Untersuchungen ausgerechnet zu dem Themenkomplex, der im Alltagsleben der Ordensfrau so eminent bedeutsam gewesen war, in bemerkenswerter Weise fehlen, lässt die Frage aufkommen, weshalb dem so ist. Mir scheinen dafür mehrere Gründe ausschlaggebend zu sein.
Für die sehr geringe Anzahl von Gesamtdarstellungen zum Gebet bei Edith Stein in der Sekundärliteratur mag zunächst eine Rolle spielen, dass Stein (neben einzelnen schriftlichen Äußerungen und einem Aufsatz zum „Gebet der Kirche“166) das Thema nicht ausdrücklich und systematisierend aufgegriffen hat. Jedenfalls gibt es von ihr keine Publikation in Form von ausdrücklichen Erläuterungen oder gar einer grundlegenden, theologisch-systematisierenden Zusammenschau von Einzelaspekten des betenden Geschehens, wie es etwas bei Teresa von Ávila ganz im Gegenteil der Fall ist. Zwar erwähnt Edith Stein die Worte „Beten“ und „Gebet’ “ sowie direkt davon abgeleitete thematisch relevante Worte häufig in ihren Briefen.167 Erwähnung findet das entsprechende Wortfeld auch in Nebensätzen bei ihren Studien und Aufsätze, die sie kontinuierlich verfasst. Eine zusammenschauende Gebetsystematik findet sich jedoch nirgends. Von daher ist einerseits lediglich eine schmale Textbasis an das Thema ausführenden Belegstellen vorhanden, die für aufgestellte Thesen zum Gebetsverständnis bei Edith Stein herangezogen werden können. Darin mag einer der Gründe liegen, wieso bisher kaum Forschungen zu diesen Fragen stattgefunden haben.
Beachtet man allerdings andererseits, wie frühzeitig und kontinuierlich sie liturgische Texte (also kirchliche Gebete) vom Lateinischen ins Deutsche überträgt,168 und schon seit 1924 eigene meditative geistliche Texte, Gebete, Gedichte und später Theaterstücke verfasst,169 dann wird erkennbar, wie stark ihr geistlich-literarisches Werk zuinnerst vom Leben aus dem Gebet geprägt war. Der unentwegt sich manifestierende literarische Kraftimpuls lässt erahnen und illustriert, wie stark sie täglich aus diesem Geschehen heraus lebte. Er zeigt in diversen Gattungen170 und literarischen Facetten, wie beständig virulent das innere Erleben gewesen sein musste, das nach Ausdruck suchte. Auch findet das Thema Gebet in ihren Aufsätzen, etwa den Schriften zu den Heiligengestalten des Karmel,171 durchgängig Erwähnung und ist insofern stets anwesend. Es kann vor diesem Hintergrund die Frage aufkommen: Wieso ist Edith Stein so zurückhaltend mit einer größeren172 Darstellung, wo sie doch als Phänomenologin gewohnt und umfassend darin geübt war, die Dinge in ihrem Zusammenhang zu sehen, ihr Wesen zu erforschen und dieses dann darzulegen?
Eine beachtenswerte Rolle für die Zurückhaltung Edith Steins bezüglich einer ausdrücklichen und systematisch entfalteten Gebetstheologie mag darin gründen, dass sie nie eine akademisch-theologische Ausbildung erfahren hat und von daher zurückhaltend gewesen war,