Religion und Bildung in Kirche und Gesellschaft. Группа авторов

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Religion und Bildung in Kirche und Gesellschaft - Группа авторов Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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der Seelsorge“, Konrad Baumgartner und Erich Garhammer in Verbindung mit Franz Weber. Thomas Ruster ist zu danken, dass er einen stattlichen Druckkostenzuschuss der Universität Dortmund einbrachte und außerdem einer verborgen bleiben wollenden Spendenquelle. Endlich sei dem Echter-Verlag gedankt für die verlegerische Betreuung des Projekts, besonders Heribert Handwerk.

      Nun möge dieses Buch den Christen und Gemeinden im 21. Jahrhundert, in einer epochalen Umbauphase der Kirchen, Anstoß und Mut geben und Norbert Mette Ehre und Freude machen.

Gottfried Bitter csspMartina Blasberg-Kuhnke
1. RELIGION

      Religion ist heute ein Alltagswort geworden mit vielen Farben, in vielen Formen. Religion wird in unserer Gesellschaft von den einen gesucht als seltene Kostbarkeit, von den anderen gemieden wie eine ansteckende Krankheit. Insgesamt ist Religion zum Gebrauchsgegenstand geworden – je nach eigenem Verwendungszweck und Geschmack als freie Komposition unterschiedlicher religiöser Traditionen und Praxen. Darum ist es sehr schwierig, vielleicht sogar unmöglich, eine begriffliche Eingrenzung, ganz zu schweigen von einer begrifflichen Bestimmung von Religion und Religionen, umgangssprachlich zu benennen. Wenn aber hier nun ausführlich nach dem Wechselverhältnis von Bildung und Religion gefragt wird, so ist es unverzichtbar, wenigstens eine vorsichtige Umschreibung dessen anzugeben für das, was Religion genannt werden und was von Religion erwartet werden kann. Darum hier ein Umschreibungsversuch (eingeschlossen seine nicht näher genannten apriorischen Vorverständnisse). – Religion wird eine von vielen Menschen geübte alltägliche Lebensweise genannt, die sich leiten lässt von der nachdenklichen und hoffenden Überzeugung, dass eine überweltliche, unbedingte (göttliche) Macht der Welt und den Menschen nahe steht, sie begleitet und vollendet. Diese unbedingte Macht wird als Sinn-Grund erlebt, sie gibt zu denken und prägt das Handeln. Darum gibt Religion den einzelnen Menschen, einer Gesellschaft, einer Kultur jeweils ihr eigenes Gesicht, ihre Identität. Religion ist ganz selbstverständlich ein personales und ein soziales, ein kulturelles und politisches Phänomen, das sich wandelt, untergeht und aufersteht – in seinen Wirkungen und Ausgestaltungen, in seinen Ethiken und Riten. Diese Wirkungen und Wandlungen von Religion breiten die folgenden elf Beiträge aus, ehe dann die folgenden Kapitel die Themenfelder ‚Bildung’ und ‚Religion und Bildung’ samt ihren Auswirkungen zur Sprache bringen.

      Karl Gabriel geht den jüngsten Wandlungen der Umgangsformen mit Religion in unserer Gesellschaft nach, prüft das Verhältnis von Religion und „multiplen Modernen“ und gibt der noch immer oft angeführten Säkularisierungsthese den Abschied. – Rudolf Englert erkennt in den Formen religiöser Praxis heute eine deutliche „Zunahme intermediärer Religionsformate“ mit Neigung zum „Kulturchristentum“, das sich jenseits aller dogmatischen Vorgaben der möglichen „religiösen Dimension der Wirklichkeit“ vergewissern will. – Tobias Kläden nimmt das noch wenig erkundete Gespräch zwischen Theologie und Neurowissenschaften auf, die die neuronalen Korrelate von Religiosität erforschen und befragen – jenseits der Fragen nach der Existenz oder Nicht-Existenz Gottes. – Ottmar Fuchs wirbt für ein neues Verständnis von Reformation im Sinn von re-formatio, für ein neues Zusammenbinden von Glauben und Leben, von Martyrie und Diakonie – dargestellt an Elisabeth von Thüringen und Johannes von Gott als stillen Kirchen-Reformatoren. – Leo Karrer prüft die „Innenarchitektur“ der Kirchen, er mahnt die Christen und Gemeinden, „Gott nicht zu klein zu denken“ und endlich eine ehrliche, ernsthafte Selbstevangelisierung einzuleiten. – Martina Blasberg-Kuhnke berichtet von religions- und universitätspolitischen Unternehmungen, dem Islam aus christlichtheologischer Verantwortung heute wissenschaftliches und kulturelles Heimatrecht an deutschen Universitäten zu geben: durch die Einrichtung eigener Institute für Imam-Ausbildung. – Arnd Bünker prüft die Möglichkeiten, ob die sich weithin selbst organisierenden Migrantengemeinden in Mitteleuropa mit ihren phantasievollen Vitalitäten vielleicht ein Bild der künftigen Minderheiten-Kirchen in Europa abgeben können. – Ulrich Kuhnke plädiert für einen selbstverständlichen Platz samaritanisch gesinnter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kirchlichen Sozialeinrichtungen, auch wenn sie ihre helfenden Dienste nicht (mehr) aus christlicher Glaubensüberzeugung besorgen (wollen/können). – Hadwig Müller öffnet die vielfach apathisch gewordenen Herzen – mit Eduard Schillebeeckx und Frère Rudolf – auf die Empörung über das Leid und die Solidarität mit den Leidenden als „inspirative Kräfte für eine aufrichtende Theologie“. – Erich Garhammer spürt die Mutation von Religion heute auf, indem er den „religiösen Spuren in der Gegenwartsliteratur am Beispiel von Thomas Hürlimann“ nachgeht und dabei „Versuche einer narrativen Rettung des katholischen Kosmos“ aufdecken kann. – Udo Friedrich Schmälzle schaut auf die dramatischen Veränderungen der religiösen Landschaften in den letzten Jahrzehnten und fragt dazu kritisch an, ob die gesellschaftlichen und religionspolitischen Voraussetzungen noch zutreffen, auf denen die Rechtsgrundlage des schulischen Religionsunterrichts nach Art. 7 Abs. 3 GG aufbaut – ohne eine dringliche Verstärkung des Elterninteresses an diesem Religionsunterricht ihrer Kinder.

      Karl Gabriel

      Der lange Abschied von der Säkularisierungsthese – und was kommt danach?

      Für die Frage nach der Zukunft von Religion und religiöser Bildung war lange Zeit – zumindest in Europa – der Horizont der Säkularisierungsthese dominierend. Für diejenigen, die sich im Umkreis von Franz-Xaver Kaufmann seit den 1970-er Jahren mit einer Soziologie des Katholizismus beschäftigten, gab es von Anfang an gute Gründe, an den allzu einlinigen und teleologischen Vorstellungen der Säkularisierungstheorie zu zweifeln. Zu ihnen gehörte Norbert Mette mit seinen frühen Arbeiten über die „Kirchlich distanzierte Christlichkeit“ und die missglückten Versuche einer katholischen Religionssoziologie. (vgl. Mette 1980/1982) Heute stehen wir am Ende eines langen Abschieds von der Säkularisierungsthese. Dies ist inzwischen zumindest die Mehrheitsmeinung unter den Religionssoziologen. Weniger einig ist man sich in der Frage, was nach dem Abschied von der Säkularisierungstheorie angesagt ist. Als direkte Alternative hat die These von der Rückkehr bzw. Wiederkehr der Religion in den letzten Jahren eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Im folgenden Beitrag soll auch diese Vorstellung einer Kritik unterzogen werden. Stattdessen plädiere ich für die Perspektive einer an der Vorstellung multipler Modernen orientierten religiösen Modernisierung.

      Die Kritik der Säkularisierungsthese

      Wie sich insbesondere an Max Weber, Emil Durkheim und Georg Simmel zeigen lässt, sind die Grundzüge der Säkularisierungsthese in die Ursprünge der Soziologie an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eingelassen. (vgl. Krech/Tyrell 1995) Sie macht einen Teil der disziplinären Identität des Faches aus. Der Ausbau der These ging in drei eng aufeinander bezogene Richtungen: Webers Entdeckung des Kampfs der Wertsphären in modernen Gesellschaften wurde in der Theorie funktionaler Differenzierung entfaltet. Säkularisierung erhielt hier die Bedeutung der Trennung und Ablösung der gesellschaftlichen Funktionsbereiche von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft etc. von der Religion. Seit den 1930-er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Religion zum Gegenstand der neu entstehenden empirischen Sozialforschung. Sie wandte sich dem Messbaren an der Religion zu: Kirchgangshäufigkeit, massenstatistische Befragungen zu Gottesglauben, Befolgung kirchlicher Moralvorschriften und Vertrauen zur Institution Kirche. Die empirische Sozialforschung belegt seitdem, dass die so gemessene Religiosität bzw. Kirchlichkeit in lang- wie kurzfristiger Perspektive abnimmt. Sie stellt bis heute einen signifikanten Zusammenhang mit typischen Merkmalen moderner Gesellschaften wie Industrialisierung, Urbanisierung und Höhe des Bildungsgrads her. Die Säkularisierung als Rückgang des Glaubens auf individueller Ebene erhielt damit den Charakter einer vielfach bestätigten empirischen Tatsache. Noch in eine dritte Richtung erfuhr die Säkularisierungsthese einen weiteren charakteristischen Ausbau: Religion wurde in modernen Gesellschaften als Phänomen der Privatsphäre begriffen. Während die dominierenden Institutionen des öffentlichen Lebens nach säkularen,

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