Sisi, Sex und Semmelknödel. Omar Khir Alanam

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Sisi, Sex und Semmelknödel - Omar Khir Alanam

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ich das verstehen? Noch dazu, wenn ich gerade in den Spiegel blicke und an meinem gelockten Haar zupfe und mir überlege, was ich an mir zum Positiven verändern könnte?

      Was ich verstehe, ist: Dieser Torberg liegt zwar (sagt mein Freund, der Journalist) auf dem ziemlich verwahrlosten Teil des alten jüdischen Friedhofs auf dem Zentralfriedhof in Wien, war und ist in den Herzen der Menschen aber immer noch eine große Nummer. Obwohl sich keiner um sein Grab schert. Und, was ich noch verstehe, ist: Gelernter Österreicher zu sein, hat viel mit Tradition zu tun. Tradition ist wichtig. Wie gut, denke ich, dass ich instinktiv die Kaiserin Sisi für den Titel meines zweiten Buches gewählt habe.

      Alena setzt aber noch eins drauf. Weil von ihr lerne ich: Bist du, so wie ich, ein Zugezogener (Alena sagt, es heißt: Zuagrasta), und nennt man dich eines Tages, nachdem du eine bestimmte Reife im Hier-Sein erlangt hast, einen gelernten Österreicher, dann ist es vorbei mit Ironie oder Selbstironie. Dann ist der gelernte Österreicher plötzlich eine Auszeichnung.

      Da soll sich einer auskennen.

      Wir. Ihr. Zuagrast. Gelernt. Gewachsen. Das alles verwirrt mich mehr, als es mir hilft: Wer ist denn schon irgendetwas ganz und das andere gar nicht? Alena, zum Beispiel, ist Grazerin. Behauptet sie. Aber sie ist es nicht ganz. Weil geboren ist sie im Burgenland, und nach Graz kam sie erst, als sie schon ein paar Tage auf der Welt war. Und dann wieder gibt es den kleinen Josef. Er ist der Sohn eines Syrers, den ich schon lange kenne, und in Graz geboren. Trotzdem darf Josef sich nicht Grazer nennen. Weil seine Eltern beide keine sind. Wer ist nun was? Lässt sich das überhaupt bestimmen?

      Und so plagt mich die Frage, wie es nach fünf Jahren mit mir aussieht, nur noch mehr.

      »Was bin ich?«

      »Da hat es einmal so eine Quizsendung gegeben«, sagt Ruth auf meine Frage. »Die hat genauso geheißen: Was bin ich? Das heitere Beruferaten. Sehr beliebt. Wir, die etwas älteren Semester, kennen das alle. Da gab es ein Schwein, in das bei jeder falschen Antwort Geld geworfen wurde. Nein, kein echtes Schwein, Omar. Ein Sparschwein.«

      Alena verdreht die Augen und lacht. Und ich sitze nur noch wackeliger zwischen den beiden Sesseln der Kulturen und rutsche mit meinen Pobacken hin und her. Mal mehr in die eine, mal mehr in die andere Richtung. Mal mehr auf dem Sessel mit den vier Kamelbeinen (genau genommen sind es ja Dromedare, weil die arabischen nur einen Höcker haben). Dann wieder sitze ich mehr auf dem österreichischen Sessel, auf dem mit den vier Haustierpfoten. Ob Hunde oder Katzen oder Hasen. Egal, Hauptsache Klischee und Clash of Cultures.

      »Was bin ich?«, frage ich Alena und Ruth ein zweites Mal. »Nach fünf Jahren zwischen den Kulturen?«

      Bin ich das überhaupt, überlege ich still, während ich auf Antwort warte. Bin ich wirklich zwischen den Kulturen? Bin ich auf dem Weg von der einen zur anderen? Was trennt sie? Was verbindet sie? Sind das Arabische und das Westliche, wie es so schön heißt, Morgenland und Abendland, tatsächlich auf Crashkurs, wie ich oft zu hören bekomme? Weil es gar nicht anders geht? Statt Clash ein Crash of Cultures sozusagen?

      »Du bist ein austro-arabischer Hybrid«, sagt Ruth.

      »Du bist nicht Fisch und nicht Fleisch«, sagt Alena.

      Dann lachen Mutter und Tochter aus ganzem Herzen.

      Nicht Fisch und nicht Fleisch.

      Ja, etwas Ähnliches kenne ich auch. Wir Araber (oder doch schon: Wir Österreicher?) lieben ja die Sprichwörter. Habe ich das schon erwähnt? Ja, wir lieben sie. Mehr als ihr. Mehr als wir.

      Wir lieben Sprichwörter mehr als wir.

      Das ist Blödsinn. Ihr. Wir. Was weiß denn ich. Jedenfalls haben (wir oder die) Araber wirklich für alles ein Sprichwort. Immer und überall. Und natürlich haben wir (oder sie) bei so gut wie keinem eine Ahnung, wo es herkommt und was es früher einmal bedeutet hat. Ach, das habe ich auch schon erwähnt?

      »Das ist bei uns auch nicht anders«, sagt Alena. Alena hat es gut: Sie kann das einfach so sagen: bei uns.

      Aber ich?

      Und schon bin ich mittendrin gelandet. Bei uns. Das ist auch so eine Geschichte, die mich beschäftigt hat und die sofort als Stichwort in mein Notizbuch hineingesprungen ist, als ich angefangen habe, an Sisi, Sex und Semmelknödel zu denken. Eine Geschichte, die mich auch jetzt, nach Erscheinen des Buches, weiter beschäftigt. Ja, (Achtung, österreichischer Konjunktiv!!!) ich würde sogar sagen: mehr als je zuvor.

      Würde. Sage ich es nun oder sage ich es nicht?

      »Das«, sagt Alena, »verbindet unsere Kulturen auch.«

      »Was?«, frage ich.

      »Die Vielfalt und zugleich Ahnungslosigkeit.«

      Damit kann ich leben. Weil es wirklich verbindet.

      Alle Menschen sind klug, die einen vorher, die anderen nachher. Nur wenn es darauf ankommt, ist jeder dumm.

      Genau. Auch arabisch. Damit müssen Sie leben, liebe Leserinnen und Leser. Mit meinen Sprichwörtern. Alena muss es auch. Aber wir einigen uns darauf: Ja, die/wir Araber haben für wirklich alles das passende Sprichwort. Und: Nein, sie/wir haben zumeist keine Ahnung, woher die Sprichwörter stammen und was sie ursprünglich bedeutet haben. Ach, das habe ich auch schon erwähnt?

      »Ja, hast du«, sagt Alena. Alena, das ist übrigens auch jene Frau in meinem Leben, über die ich in meinem ersten Buch Danke geschrieben habe:

      »Was ich weiß, hier in Graz, was ich gelernt … habe, sind auch diese Worte eines Schriftstellers: Wenn du einen Flüchtling liebst, versuche das letzte Zelt für ihn zu sein. Das ist Heimat. Und ich weiß, dass ich eine Frau gefunden habe, die für mich das letzte Gedicht war. Ist. Die mir Heimat ist. Und ich weiß: Ich bin angekommen. Ich darf eine Stimme haben für die tausenden, die keine mehr haben.«

      Alena ist nicht das einzige, aber sie ist mein stärkstes Bindeglied zwischen den Kulturen. Eine Art Kupplung. Das Schöne daran ist: Auch Alena macht oft Augen groß wie ein Fladenbrot und frisch aus der Glut. Das bringt die Begegnung der beiden Kulturen, denen wir entstammen, einfach mit sich.

      Ist das nicht wunderbar?

      Und noch etwas habe ich in Danke geschrieben. Zum Thema Kultur.

      »Kultur … ist etwas, das fast überall drinsteckt. Oder sollte. Im Körper. Im Geist. Im Verhalten. In der Kreativität. Im Boden eines Ackers. Ganz egal. Kultur ist Kraft. Zwei verschiedene Kulturen sind zwei verschiedene Kräfte. Wir können sie verwenden, um einander damit zu beschimpfen. Auszugrenzen. Zu hassen. Zu beschießen. Und zu töten. Oder wir können sie zu einer gemeinsamen Kraft bündeln. Wie einen Lichtstrahl, der aus vielen dünnen zu einem dicken wird und auf einen kleinen Mann auf einer Bühne fällt, der seine Beine nicht spürt.«

      Dieser kleine Mann, der in dem Text seine Beine (vor Aufregung) nicht spürt, war ich. Damals. Bei meinem ersten Poetry Slam. Hier, in Österreich. Vor drei Jahren.

      Aber: Jetzt ist Schluss mit den alten Geschichten. Wenn ich anfange, von mir selbst abzuschreiben, bin ich nicht besser als ein Politiker, der seine Doktorarbeit abschreibt oder sie sogar schreiben lässt und später in Brüssel als EU-Kommissar groß Karriere macht, sage ich mir. Soll ja schon vorgekommen sein. Dabei denke ich an meinen neugierigen Freund, der mich bestimmt schimpfen würde. Weil ich mich selbst

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