Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen. Группа авторов

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Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen - Группа авторов IGW-Publikationen in der EHP

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und die Entwicklung einer sicheren Bindung behindern bzw. gefährden (Die Nennungen sind hierbei weder als vollständig noch als notwendigerweise traumatisch anzusehen – sie beziehen sich auf meine Erfahrungen im Klinik- und freien Praxisbereich)?

      • Vorgeburtliche Traumata, z.B. eine ungewollte Schwangerschaft, Wunsch nach Abtreibung, Familienkrisen (Trennungen, Verluste, Todesfälle), psychosoziale Belastungen (finanzielle Not, Jobverlust), Krankheiten, Vergiftungen oder Drogenabhängigkeit der Mutter, Körperlicher oder sexueller Missbrauch, vorgeburtlicher Tod eines Zwillings, vorzeitige Wehentätigkeit (verbunden mit großer Angst vor dem Verlust des Babys)

      • Medizinische Komplikationen in der Schwangerschaft: Pränatale Stressbelastungen liegen nicht nur dort vor, wo Verdachtsdiagnosen in der Folge durch weitere Untersuchungen bestätigt werden, sondern können genauso durch einen nicht-bestätigten Verdacht, eine unsensible Wortwahl oder Weitergabe medizinischer Halbinformationen durch Pflegepersonal oder ÄrztInnen selbst entstehen.

      • eine schwierige Geburt wie ein Kaiserschnitt, sehr lange Wehen, eine Saugglocken- oder Zangengeburt; Frühgeburt (Todesbedrohung, abrupte Trennung, Einschränkung der elterlichen Kompetenz durch medizinisch notwendige Intensiv-Betreuung)

      • eine frühe Trennung von Mutter und Kind, z.B. durch den notwendigen Aufenthalt des Kindes auf einer Intensivstation oder einen weiteren stationären Aufenthalt der Mutter

      • das seit der Kindheit vermittelte Mutterbild durch ihr familiäres Umfeld, Erziehung, kulturelle und religiöse Einflüsse (introjizierte Grunderfahrungen2)

      • besondere Erwartungen der Mutter: Es kommt zu einer Diskrepanz zwischen Wunschvorstellung und Realität, z.B. Spontangeburt versus Kaiserschnitt, ruhiges Baby versus untröstliches Baby, Harmonie zu dritt versus Paarkrise und Überforderung, Perfektionismus versus Unvollkommenheit

      • wenig, keine oder falsche Unterstützung durch Partner und Familie, wenn z.B. anstelle von Unterstützung Konkurrenz tritt oder wenn unpassende Tipps (von Partnern, Müttern, Schwiegermüttern und Freundinnen) zu noch mehr Verzweiflung und Verunsicherung führen

      • Rollenfindung vom Paar zur Elternschaft; von selbstbestimmter Frau zu verantwortlicher, isolierter Mutter zu Hause; Triangulierung zwischen Vater, Mutter, Kind

      • Unsicherheiten bezüglich der eigenen Bedürfnisse versus die des Babys; Verabschieden von der eigenen Kindheit

      • frühere, unverarbeitete Verlusterlebnisse, Traumata; frühere Fehl-, Tod- und Frühgeburten

      Als Klassifikation von postpartalen Anpassungsstörungen sind nach ICD-10 folgende Kodierungen möglich:

      – F53 psychische oder Verhaltensstörungen im Wochenbett (Baby-Blues)

      – F53.0 leichte psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, postpartale Depression

      – F53.1 schwere psychische und Verhaltensstörungen im Wochenbett, Puerperalpsychose

      Weiterhin kann das Mutter-Kind-Feld gestört sein durch:

      • (Psycho-) somatische Beschwerden des Kindes (wie Koliken, Durchfall, Hautekzeme u.ä. m.)

      • und durch Verhaltensauffälligkeiten beim Säugling/Kleinkind, wie exzessives Schreien, Irritierbarkeit/angeborene niedrigere Reizschwelle,Schlafschwierigkeiten, Essprobleme, Ängstlichkeit, Hyperaktivität oder Zurückgezogenheit.

      Die meisten (nach einer pädiatrischen entwicklungsneurologischen Abklärung) mir zugewiesenen Familien stehen vordergründig unter einem Leidensdruck durch letztgenannte Verhaltensauffälligkeiten. Ist mit diesen Auff älligkeiten die außergewöhnliche Schwierigkeit eines Säuglings/Kleinkindes gemeint, sein Verhalten in einem oder auch mehreren Interaktions- und regulativen Kontexten – also in Bereichen der Selbstberuhigung, des Schreiens, Schlafens, Fütterns, und der Aufmerksamkeit – angemessen zu regulieren, so bezeichnet man diese als Regulationsstörungen. Die Klassifikation nach ICD-10 bietet derzeit folgende mögliche Kodierungsschlüssel:

      – F98.2 Fütterstörung im frühen Kindesalter

      – F93.8 Sonstige emotionale Störungen des Kindesalters

      – F43.2 Anpassungsstörung

      – F51.9 Nicht näher bezeichnete nichtorganische Schlafstörung

      Warum haben manche Kinder viel stärkere Bedürfnisse als andere? Das Temperament eines Säuglings, sein Verhalten, sein Tun aus innerem Antrieb ist von Geburt an da, veränderlich und (positiv oder negativ) beeinflussbar (vgl. Sroufe 1982, in: Sears 1998). Wenn wir uns vorstellen, wie ideal das gebärmütterliche Umfeld pränatal auf das Kind eingeht (Bedürfnisse werden andauernd und automatisch befriedigt), wird leichter verständlich, dass es für einige Neugeborene postpartal schwierig sein kann, aus eigenem Vermögen in einem neuen Umfeld im Gleichgewicht zu bleiben bzw. wieder dorthin zu gelangen. Die Kontaktgrenzen müssen neu organisiert werden. Das Neugeborene hat den Wunsch, sich wohl zu fühlen, aber ist noch nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft auf die neue Umwelt einzustellen.

      Jene Kinder mit starken Bedürfnissen haben eine niedrigere Reizschwelle – ihre Kontaktgrenze erscheint durchlässiger als die anderer. Sie können z. B. störende Reize nicht so gezielt ausblenden. Dadurch sind sie empfindlicher, lassen sich leicht aus der Ruhe bringen und weinen oft untröstlich. Sie können sich mit der Zuwendung, die sie erhalten, nicht zufrieden geben. Sie sind wenig anschmiegsam, oft angespannt, sehnen sich aber nach viel Körperkontakt. Diese Babys finden schwer in den Schlaf und werden häufig wach. Bei der Nahrungsaufnahme zeigen sich die speziellen Bedürfnisse z. B. durch unstillbaren Hunger, besonders langes Nuckeln und Ablehnung von Löff elnahrung. Manche Babys sind erst in Schlafphasen bereit, zu trinken. Diese Kinder verfügen aber auch über die Fähigkeit, ihre Bezugsperson darauf aufmerksam zu machen, dass sie etwas stört, dass sie Hilfe und Zuwendung brauchen.

      Diese Fähigkeit, das Mehr an Bedürfnissen (oder ein besonderes Eingehen auf die schwache Kontaktgrenze) zu initiieren, ist überlebenswichtig und sorgt im positiven Fall dafür, dass das Kind eben das erhält, was es braucht. Es kann aber auch sein, dass das vorerst ausgelöste Mitgefühl der Eltern zu Überforderung bis zu Vermeidungsreaktionen führt – was im gewissen Rahmen noch normal ist und schützt. Nehmen Belastung (Ausgelaugtheit, Frustration, Ängste, Hilflosigkeit, Schuldgefühle) und Vermeidung aber zu und das Bindungsverhalten weiter ab, ist therapeutische Intervention notwendig.

      Neben der angeborenen niedrigeren Reizschwelle können ›stärkere Bedürfnisse‹ auch Folge von Projektionen eines Elternteils sein: Wenn die primäre Bezugsperson (bei Forderungen des Kindes z. B. nach Nähe, Zärtlichkeit, bei Wutäußerungen) von ihren eigenen Ängsten eingeholt wird und das Trauma in Gedanken/Bildern/Wahrnehmungen wiedererlebt, wird das Baby zur Projektionsfläche der unverarbeiteten traumatischen Erfahrungen (wachgerufene Affekte sind dann wie »Geister im Kinderzimmer«, wie es Fraiberg et al. (1975) nennen). Um sich Entlastung zu verschaffen, werden die negativen Gefühle auf das Kind projiziert, das dann als ängstlich/bedrohlich erlebt wird und sich in der Folge tatsächlich immer unruhiger, ängstlicher oder schreckhaft er verhält.

      Einen hilfreichen Ansatz zum Schreien – die Abklärung der individuellen Fallgeschichte vorausgesetzt – bietet Aletha Solter (1995). Solter sieht im Schreien, neben dem Sinn der Kommunikation von grundlegenden Bedürfnissen, eine zweite wichtige Funktion, nämlich die eines positiven physiologischen Prozesses3, der eine zentrale Rolle in der Auflösung von Traumata und der Wiederherstellung von Homöostase einnimmt.

      Also

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