Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen. Группа авторов

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Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen - Группа авторов IGW-Publikationen in der EHP

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dreifacher Weise geblickt – je nachdem, ob Mutter, Vater, das Kind oder die Interaktion im Vordergrund steht. (Für einen besseren Lesefluss und weil ich auch praktisch häufiger mit Müttern arbeite, nenne ich meist nur die Mutter bezüglich der Interaktion mit dem Kind – ich möchte dabei aber die dyadische Beziehung zum Vater oder zu einer anderen primären Bezugsperson einbezogen wissen.)

      Kurzer Überblick zu bedeutenden Entwicklungstheorien

      Fritz und Laura Perls: Entwicklungspsychologie der Kindheit in der Gestalttherapie (GT)

      Die Formulierung einer Entwicklungstheorie blieb in der Theorie der Gestalttherapie bis heute fragmentarisch, unklar und inkonsistent. Ein möglicher Grund dafür könnte zu Beginn die analytische Sichtweise von Fritz Perls gewesen sein. Seine Art des Denkens und der psychotherapeutische Zeitgeist der 40er und 50er Jahre waren so vorherrschend, dass weder er noch Paul Goodman eine zusammenhängende alternative Sichtweise zur Psychoanalyse entworfen haben (vgl. Fuhr 1999). Perls blieb bei der Erweiterung der oralen Entwicklung und konzentrierte sich auf die Analyse dieser. Im Buch »Gestalt Therapy« (1951) wird zwar eine Sichtweise der menschlichen Entwicklung geschildert, die sich von der psychoanalytischen unterscheidet, aber es wurde keine kohärente Entwicklungsperspektive ausformuliert. Ein weiterer Grund könnte im damaligen Interesse der Gestalttherapeuten liegen, die gesunde Funktionsweise von erwachsenen Klienten wiederherzustellen. Die Entwicklung und Aufrechterhaltung gesunder Funktionsweisen bei Kindern stand noch nicht im Vordergrund.

      Die organismische Sichtweise der Gestalttherapie fordert, dass alle Existenz in wechselseitiger Beziehung und Abhängigkeit steht. Traditionellerweise wurde die kindliche Entwicklung erforscht, indem man getrennte Elemente der Entwicklung genauer betrachtete (wie physische, emotionale, kognitive und soziale Komponenten). Aus der Gestaltperspektive kann die kindliche Entwicklung aber nicht durch die isolierte Analyse nur einer dieser Entwicklungsaspekte erfolgen; das Kind soll nicht als Konglomerat von Entwicklungskategorien verstanden werden. Auch jegliche Umweltbedingungen, andere Persönlichkeiten, Wünsche, Bedürfnisse etc. sind Einflussfaktoren, mit denen ein Kind in Interaktion steht.

      Frühe Ansätze (noch vor Anna Freud und Melanie Klein) kamen von Kurt Koffka und Laura Perls. Koffka (1925) betonte wegbereitend Gestaltthemen wie Kontakt, Wahrnehmung als aktiven Vorgang, Figur-Hintergrund-Beziehungen im mentalen Prozess und die Notwendigkeit, sich der Entwicklungsthematik aus der subjektiven Sicht des Kindes anzunähern. Der Gestalt-Ansatz sollte Probleme und Widersprüche zwischen der dynamisch/subjektiven (»inneren«) und der behavioristischen (»äußeren«) Schule auflösen und klären (vgl. Wheeler in: Baulig & Baulig 2002).

      Laura Perls’ Ausführungen beruhen auf ihren eigenen Erfahrungen bei der Geburt ihres ersten Kindes Renate (geb. 1931) im Krankenhaus und auf ihrer Unzufriedenheit über die damals vorliegende Fachliteratur zum Säuglingsalter. Die Beobachtungen und Erfahrungen mit ihren eigenen Kindern (nach Renate kam ihr Sohn Stephan 1935 zur Welt) vor allem in Fütter- und Abstill-Situationen führten dann zur Analyse des ›Hungerinstinkts‹ und zur Erörterung ›oraler Widerstände‹. Die Grundlage der gestalttherapeutischen Theorie und Praxis geht auf ihre ursprüngliche Idee zur Entwicklung der Fähigkeit des Kindes, zu beißen und Erfahrungen zu verdauen, zurück. Im Buch »Das Ich, der Hunger und die Aggression« (Perls L. & Perls F. 1947) wurde dann die Idee vom oralen Widerstand zum Eckpfeiler ihrer Theorie und Methodologie.

      Fritz und Laura Perls formulierten Entwicklungsstufen, die den Strukturen, Funktionsweisen und Beziehungen des Zahnwachstums entsprachen und sie erweiterten diese Ideen auf den Bereich des psychologischen und emotionalen Wachstums einer Person. Für sie war der Hungertrieb wegen seiner Bedeutung für das organismische Überleben primär für die Entwicklung (im Gegensatz zu Freuds Überzeugung von der Wichtigkeit des Sexualtriebs). Nur über das Stillen und Füttern nimmt das Kleinkind Kontakt zur Umwelt auf. Sie skizzierten Stufen oraler Entwicklung und Charakterfixierungen, die, beim Fehlen angemessener Funktionsweisen, auf jeder Stufe entstehen können. Biologische Prozesse des Ernährens, Verdauens und des Stoffwechsels wurden analog zu mentalen Prozessen begriff en.

      Desweiteren bauten die Perls’ Prinzipien ein wie den als bekannt vorausgesetzten »Zyklus der Interdependenz«. Dieser repräsentiert auch den Prozess, durch den ein Kind Kontakt mit der Umwelt aufnimmt und deren Phänomenologie und Bedeutung konstruiert. Fritz und Laura Perls verstanden das Kind als aktiven Teilhaber an der Organisation seiner Erfahrungen. Sie waren mit dieser Sichtweise ihrer Zeit voraus, denn vorherrschend war bis dahin das Bild eines Säuglings als ein passives, ›autistisches‹ und schmerzunempfindliches Wesen. Der Geist im Sinne der Perls’ wird begriffen als Einheit von Kognition, Emotion und Aktion und ist von Anfang an aktiv – das Kind konstruiert und organisiert aktiv die Natur seiner Erfahrungen. Während sich ein Kind seiner genetischen Ausstattung gemäß entwickelt, werden diese Prozesse differenzierter und die Individualität des Kindes entfaltet sich.

      Sie postulierten die Entwicklung eines Ideals geistig-seelischer Stoff wechselprozesse auf der Grundlage gesunden und ungesunden Funktionierens, die Begriffe Energie und Erregung als Basis der Emotionalität und der Ängste, und den Terminus Aggression als notwendige Energie für menschliche Funktionsweisen – nämlich um die Beziehung zum Umweltfeld aufzunehmen und um die Balance der organismischen Funktionsweise aufrecht zu erhalten.

      Der Wert von Introjektion wird als grundlegender Mechanismus des Kontakts verstanden und orale Widerstände als primäre Unterbrechung organismischer Funktionsweisen. Als gesund wurde ein Kind beschrieben, wenn es spontan, lebhaft und in der Lage ist, Umweltressourcen zu nutzen und zu erhalten. Und wenn es zum Wohlergehen anderer beiträgt, indem es sich auf direkte Interaktionen einlässt.

      In der Interpretation von Carroll arbeiteten Fritz und Laura Perls deswegen nicht an einer vollständigen Sicht der menschlichen Entwicklung weiter, da sie glaubten, dass ihre Ideen psychoanalytisch akzeptierte Darstellungen ausreichend ergänzen würden.

      Im Folgenden soll hier nur sehr summarisch – und begrenzt auf das Kleinkindalter – Freuds psychoanalytische Sichtweise als Basis von Lore und Fritz Perls’ Überlegungen definiert werden.

      Die weiteren angeführten Entwicklungstheorien (ebenfalls begrenzt auf das Kleinkindalter) sollen einen kurzen Überblick über nachfolgende und teils ergänzende Konzepte bieten.

      Klassische Einteilung nach Freud als Grundlage für das Entwicklungskonzept in der Gestalttherapie

      Sigmund Freud (1856-1939), Gründer der Psychoanalyse, hob in seinen theoretischen Abhandlungen zur klassischen Psychoanalyse jene Triebe hervor, die die kindlichen Erfahrungen organisieren, ordnen und färben. Bezüglich der seelischen Entwicklung unterschied er 1920 die einzelnen Phasen nach der vorrangigen Quelle der erlebten Lust:

      1. Die orale Phase (0-1a)

      Das Kind erlebt eine Mundwelt, Reize werden über Mund und Haut wahrgenommen und erste Abgrenzung gelingt dadurch. Hautkontakt ist lebensnotwendig, eine fixe Bezugsperson ebenfalls, damit die Entwicklung von Urvertrauen gelingt. Die Voraussetzung für Bindungsfähigkeit wird hier gesetzt sowie für Gewissensbildung und Verantwortlichkeit, für Lern- und Leistungsfähigkeit.

      2. Die anale Phase (1-3a)

      Ausscheiden und Zurückhalten sind die zentralen Themen. Der Grundstein für Selbstständigkeit, Durchsetzungsvermögen und Produktivität wird hier gelegt. Ein Lernziel ist, Grenzen anzuerkennen. Das Kind erprobt sich im Widerspruch gegen ein »Nein« und lernt, es allmählich zu akzeptieren oder weiter zu verhandeln. Unsicherheit und Inkonsequenz auf Seiten der Eltern/ Bezugspersonen machen die Kinder unsicher und fördern ein ständiges, neuerliches Kontrollieren dieser Grenzen durch die Eltern. Werte und Normen der Eltern werden übernommen. Die Grundeinstellung zu Besitz und Neid wird geprägt.

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