Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen - Группа авторов страница 14

Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen - Группа авторов IGW-Publikationen in der EHP

Скачать книгу

der Gestaltpsychologie und seiner Strukturtheorie auch bei einfachen und basalen motorischen Bewegungen die Entwicklung von Bewegungs-Strukturen, einer Bewegungs-Melodie, voraus. Durch Wiederholung und Zielgerichtetheit wird die Bewegung variiert, dabei werden immer stabilere Formen erreicht. So können Greifbewegungen in fast unendlicher Variationsbreite ausgeführt werden, ohne dass davor jede einzelne dieser Bewegungen tatsächlich gelernt worden wäre.

      Auch für Kurt Lewin, den Begründer der psychologischen Feldtheorie, war es nicht ausreichend, sich auf reine Reiz-Reaktion-Zusammenhänge zu beschränken. Er unterschied in seinen Überlegungen zu Entwicklungspsychologie die Ebene des Verhaltens (phänotypisches Geschehen) von der Ebene der psychologischen Konstrukte (genotypisches Geschehen). Beides, das Verhalten und die Dynamik, die hinter dem Verhalten wirkt, hat er unter dem Begriff »Lebensraum« zusammengefasst.

      »Um das Verhalten zu verstehen oder vorherzusagen, müssen Person und Umwelt als eine Konstellation interdependenter Faktoren betrachtet werden. Die Gesamtheit dieser Faktoren nennen wir Lebensraum (…).« (Lewin 1982b, S. 376 f.)

      Das psychologische Verhalten (Handlungen, Affekte oder Ausdrucksverhalten) wird durch die Struktur und den Zustand der Person und die psychologische Umwelt beschrieben. Nur psychobiologische Tatsachen, die eine Position in diesem Feld haben, können dabei eine dynamische Wirkung entfalten (Lewin 1982). »(…) der Aufforderungscharakter der Umweltgebilde und die Bedürfnisse des Individuums sind korrelativ.« (Lewin 1982a, S. 177)

      In seiner 1931 veröffentlichten Arbeit über »Umweltkräfte in Verhalten und Entwicklung des Kindes«2 und der 1946 veröffentlichten Studie über »Verhalten und Entwicklung als Funktion der Gesamtsituation«3 beschäftigt sich Kurt Lewin mit der Frage der Umwelteinflüsse auf die Entwicklung. Ähnlich wie Koffka liefert uns Lewin ein metatheoretisches Konzept, er beschreibt Kräft e und Formeln, die hinter Entwicklungsprozessen stehen. Der Fokus liegt bei ihm weniger auf einer detaillierten Beschreibung einzelner entwicklungspsychologischer Funktionsbereiche. Viel mehr postuliert er generelle Prinzipien, wie Entwicklung geschieht.

      Lewin fragt nach der Entwicklung des Lebensraumes. Er beschreibt vier Dimensionen, auf denen sich der Lebensraum verändern kann. So kommt es mit zunehmender Entwicklung zu einer wachsenden Differenzierung, Ausweitung, Organisation und Veränderung der allgemeinen Flüssigkeit oder Rigidität des Lebensraumes (vgl. Lewin 1982b). Der kindliche Lebensraum unterscheide sich von dem eines Erwachsenen auf diesen vier Dimensionen.

      »Die innere Struktur des kindlichen Individuums ist dynamisch durch eine relativ schwache Differenzierung zwischen psychologischen Bereichen und durch geringe funktionelle Festigkeit in den Grenzen der verschiedenen psychologischen Systeme charakterisiert.« (Lewin 1982a, S. 205)

      Die Struktur des Lebensraumes kann zum einen durch die Person und zum anderen auch durch Umweltkräfte verändert werden. So kann es durch Lokomotion (Ortsveränderung der Person) oder Lernen zu Strukturänderungen kommen. Aber auch Kräfte mit Aufforderungscharakter, die aus dem Feld kommen, tragen zu Strukturänderungen bei (vgl. Lewin 1982b).

      »Die Geschwindigkeit, mit der sich die Reichweite und der Differenziertheitsgrad des Lebensraumes ausdehnen, variiert während der Entwicklung beträchtlich.« (Lewin 1982b, S. 384)

      Entwicklungspsychologisch relevant ist die Wirkung der Feldkräfte auch über längere Perioden des Lebens eines Individuums. So wirken sich Veränderungen in der Umwelt auf die gesamte Person aus und beeinflussen ihr weiteres Verhalten auf spätere Situationen im Lebensverlauf. Lewin fasst die transaktionale Wirkung von Feld und Individuum in seinem Konzept der »zirkulären Rückkoppelung zwischen Selbst und Umwelt« zusammen (Lewin 1982a, S. 208).

      Neben der Entwicklung des Lebensraumes führt Lewin ein negatives Pendant ein, die Regression.

      »Eine Veränderung des Lebensraumes als ganzen entgegen der Richtung, die für eine Entwicklung charakteristisch ist, nennt man Regression.« (Lewin 1982b, S. 386)

      Sie ist gekennzeichnet von Entdifferenzierung, Desorganisation oder einer Abnahme der Zeitperspektive. Ursache können Krankheit, Frustration, Unsicherheit oder affektive Spannung sein (vgl. Lewin 1982b). Wie Koffk a bezieht sich Lewin in seinen Studien auf das Kindesalter. Mit dem Begriff der Regression öffnet er jedoch die Türe zur Entwicklungspsychologie der Lebensspanne.

      »Der Übergang vom erwachsenen zum senilen Verhalten muß als Regression und nicht als progredierende Entwicklung verstanden werden.« (Lewin 1982c, S. 301)

      Perls, Hefferline und Goodman – die Begründer der Gestalttherapie und ihre expliziten und impliziten entwicklungstheoretischen Überlegungen

      Bei den Begründern der Gestalttherapie lassen sich grob zwei Motive von Entwicklungsgedanken herausarbeiten: Das Konzept des Hungertriebes und oralen Widerstandes. Und das Modell des Kontakts, der schöpferischen Anpassung und organismischen Selbstregulation.4 Beide Entwicklungstheorien wurden nicht explizit ausformuliert, sie sind eher fragmentarisch und implizit in ihren allgemeinen Theorien enthalten.

      F. Perls grenzt sich in seinem erstmals 1947 veröffentlichten Buch »Das Ich, der Hunger und die Aggression«5 deutlich von der psychoanalytischen Triebtheorie ab. Er behält aber ein entwicklungspsychologisches Stufenmodell bei und diskutiert psychische Störungen im Erwachsenenalter mit kausalem Bezug auf Störungen und Widerstände in der Entwicklung der Nahrungsaufnahme. Der Hungertrieb wird in seinem Modell als Motor der Entwicklung konzeptualisiert. Im Kapitel »Geistig-seelischer Stoffwechsel« schreibt er:

      »Die verschiedenen Entwicklungsstufen des Hungertriebes kann man als pränatale (vorgeburtliche), prädentale (Säuglings-), inzisorische (Beiß-) und molare (Beiß-und Kau-) Stufen klassifizieren.« (Perls 2007, S. 131)

      Am Beispiel von Gier und Ungeduld erörtert er einen kausalen Zusammenhang mit der inzisorischen Stufe des Hungertriebes und möglichen Abwehrmechanismen (vgl. Perls 2007). Die Fähigkeit, etwas durchzuarbeiten, die Nahrung zu assimilieren, sei aufgrund oralen Widerstandes mangelhaft ausgebildet worden, wodurch diese Aggression sublimiert werden musste. Das bedeutet, wenn in dieser Phase Störungen und Hemmungen auftreten, dann kann dies in der weiteren Entwicklung zu neurotischen und psychotischen Symptomen führen (vgl. Perls 2007, S. 132). Demnach greift Perls mit seiner Theorie des »oralen Widerstands« in seiner Nosologie auf entwicklungspsychologisch begründete Abwehrmechanismen zurück.

      Das zweite Entwicklungsmotiv, das überwiegend in dem 1951 veröff entlichten Standardwerk von Fritz Perls, Ralph Hefferline und Paul Goodman »Gestalttherapie«6 ausgearbeitet wurde, bezieht sich auf das Selbst, den Kontakt und die schöpferische Anpassung. Hier ist der Entwicklungsgedanke in die Theorie des Selbst und der schöpferischen Anpassung eingepflanzt, er wird »Wachstum« genannt.

      »Die Kontaktgrenze (…) (ist) das Organ einer bestimmten Beziehung zwischen dem Organismus und seiner Umwelt. Diese besondere Beziehung ist Wachstum (…).« (PHG 2006, S. 24)7

      Das Selbst wird hier nicht als unabhängige Entität beschrieben, sondern als Kontaktgeschehen. Dieses Kontaktgeschehen ist Wachstum per definitionem. Es ist ein Prozess, bei dem Entwicklung stattfindet.

      »Als Aspekte des Selbst bei einer schlichten, spontanen Handlung entsprechen Ich, Es und Persönlichkeit den größeren Phasen der schöpferischen Anpassung: Das Es ist der vorhandene Hintergrund, der in seinen Möglichkeiten aufgelöst wird (…). Das Ich entspricht der fortschreitenden Identifizierung mit einigen und der Zurückweisung anderer Möglichkeiten (…). Die Persönlichkeit ist die geschaffene Figur, zu der das Selbst dann wird und die es in den Organismus

Скачать книгу