Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen. Группа авторов

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Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen - Группа авторов IGW-Publikationen in der EHP

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style="font-size:15px;">      Die Natur des Menschen kann als zweifach angesehen werden. Er ist räumlich getrenntes Einzelwesen und zugleich zutiefst mit Artgenossen verbunden. Diese Doppelnatur ist kein Sowohl-als-auch, sondern ein Gleichzeitiges. Diese Bezogenheit wird in dem Stern’schen Modell der Selbstentwicklung und Beziehungsentwicklung erst später angesetzt (Stern 2007), vielleicht wird die Forschung der nächsten Jahre hier eine noch genauere Differenzierung bringen können. Festzuhalten ist, dass die Kleinkindforschung der letzten Jahre durch genauere methodische Beobachtungsmöglichkeiten unser Wissen von den bereits erstaunlichen Kompetenzen des Kleinkindes in immer noch frühere Lebensabschnitte erweitert hat. So wissen wir inzwischen, dass Neugeborene kurz nach der Geburt bereits die Stimme ihrer Mutter erkennen können (De Casper & Fifer 1990), ihre Muttersprache erkennen können oder auch Texte, die sie vor der Geburt im Mutterleib vorgetragen bekommen hatte (DeCasper & Spencer 1986). Auch sind Neugeborene sofort in der Lage, wichtige emotionale Gesichtsausdrücke von Erwachsenen mimisch nachzuahmen (Meltzoff & Moore 1977). Es ist zu vermuten, dass für Geruch, Geschmack, Bewegung und Rhythmus ähnlich frühe Kompetenzen vorliegen. Diese Kompetenzen zielen alle auf Beziehung ab, auf das Wiedererkennen und Einschätzen der emotionalen Befindlichkeit der ersten Bezugspersonen. Auch die Entwicklung des Sehens orientiert sich zunächst vor allem daran, dass Gesichtsausdrücke entschlüsselt werden. Manche Kleinkindforscher nennen dies den Conspec-Effekt, das Erkennen von Angehörigen der gleichen Spezies. Inzwischen kann gesagt werden, dass die frühe Entwicklung des Menschen in sehr hohem Maße darauf ausgerichtet ist, in sozialen Prozessen die Gefühle anderer Menschen zu erkennen und eigene Gefühle zu zeigen, also in emotionalen Austausch zu gelangen. Durch die tiefste leibliche Eingebundenheit unserer Gefühle hat das Erkennen und zeigen von Emotionen die entscheidende Orientierungs- und Kommunikationsfunktion (Dreitzel 2004). Auf der Grundlage dieses sozial angelegten Erkennungssystems sind Kleinkinder mit wachsender Erfahrung zunehmend in der Lage, das Handeln des Anderen, des Gegenübers, zu erkennen und verstehen. Dieses Erkennen der Motivation als des Willens des Anderen wird unter dem Begriff »theory of mind« besonders von Fonagy (2006), aber vermehrt auch von der akademischen Kleinkindforschung untersucht und bestätigt. Zusammenfassend lässt sich formulieren, dass Menschen vermutlich von Beginn ihres Daseins, nachgewiesenermaßen zumindest ab kurz vor ihrer Geburt, in enger erlebter Bezogenheit mit anderen Menschen leben. Wenn dieses Beziehungsdasein möglich ist und gelingt, kann sich Entwicklung gut vollziehen. Ich verstehe in diesem Sinn den Menschen als eine Art bewegliches Element, das in einen weiteren sozialen Organismus in ein lebendiges soziales Feld dynamisch und beweglich eingebettet ist. Wenn erfolgreich innere und äußere Gegebenheiten in Einklang gebracht werden können, wenn das Umweltfeld sich nährend, fördernd und gleichermaßen herausfordernd gegenüber den Bedürfnissen und Potenzialen verhält, sind wichtige Voraussetzungen für eine gesunde psychische Entwicklung gegeben. Die durch Lewin (1946) beobachteten und beschriebenen Phänomene der Felddynamik bestätigt die gestalttherapeutische Theoriebildung einer engen menschlichen Einbettung in ein umgebendes soziales Feld, die mit der Organismus-Umwelt-Begrifflichkeit allein noch nicht die notwendige soziale Betonung beinhaltet. Doch kann auch die Buber’sche Begegnungspolarität in dieses Feld hineingedacht werden. So kann der zentrale, dialogische, ichdu-orientierte Modus (im Buber’schen Sinne) wie auch der verdinglichend objektivierende Ich-Es-Zugang zur Welt im Rahmen der Feldbegrifflichkeit des Lebensraumes gesehen werden. Der Ich-Du-Modus stellt sozusagen den intensiven, feinfühligen Begegnungsmodus dar, den wir Menschen brauchen. Er ist die Art zwischenmenschlicher Begegnung und zwischenmenschlichen Kontaktes, die uns nährt, kräft igt und an andere anbindet. Aber auch der andere verdinglichend objektivierende Ich-Es-Kontaktmodus ist uns im Umgang mit anderen Menschen geläufig, sei es wenn sie uns als störende Hindernisse im Weg sind oder wir sie manipulativ unseren Zwecken unterordnen wollen. Wenn es Störungen im umgebenden Beziehungsfeld gibt, kann eine Vielzahl von Entwicklungsproblemen auft reten. Damit wird die dichte interdependente Verwobenheit des Organismusfeldes deutlich, aber auch die Abhängigkeit des Einzelnen von einer guten Einbettung in ein soziales, supportives Feld. Wenn gute Erfahrungen einer solchen Passung von einem Kind assimiliert wurden, baut sich ein durch manche Widrigkeiten tragender Grund auf.

      Abb. 3: Ausschnitt Individuum im Feld

      Der Kontaktprozess kann als Bewegung begriffen werden, als Balanceakt im Organismus-Umweltfeld. Ich möchte ihn in Anlehnung an Sterns Bild eines mimisch-gestischen Tanzes zwischen Mutter und Säugling (Stern 1994) als Tanz der Annäherung und des Rückzugs beschreiben, um das spielerisch-leichte aber auch das zwangsläufige auf den anderen zu und von ihm weg Bewegen zu charakterisieren. Dieser Tanz, der äußerlich in der Bewegung und innerlich im korrespondierenden Erleben erfolgt, bedeutet, lebendig zu sein. Support ist sowohl das Eigene als auch das hilfreiche aufnehmbare Fremde. Support baut sich aus beidem auf, im Kontakttanz bei dem sich das Erleben sowohl ins Fremde als auch wieder ins Eigene bewegt und aus beidem schöpft, beides verarbeitet und zusammenführt und auf dessen Grundlage der Entwicklungsweg von Jetzt zu Jetzt10 gelingen mag.

      • Differenzierung und Entwicklung

      Die Differenzierung und Ausweitung des Lebensraumes führt zu einer korrespondierenden Differenzierung und Ausweitung der psychischen Struktur. Daher kann zunehmende Differenzierung als eine Reihe von Entwicklungsbewegung angesehen werden. In der Gestalttherapie liegt ein Fokus auf der Wahrnehmung von Polaritäten. Polaritäten sind prägnante Differenzierungen. Durch diese differenzierenden Wahrnehmungsprozesse kommt es zu einer Differenzierung des Erlebens der Welt und dadurch zu einer fortschreitenden Ausdifferenzierung der psychischen Struktur. Diese Ausdifferenzierung scheint dem Postulat der schöpferischen Indifferenz zu widersprechen. Bei der schöpferischen Indifferenz wird ja auf den noch vereinigten undifferenzierten Null oder Ursprungspunkt zurückgegriffen, also auf einen vordifferenzierten Zustand. Tatsächlich werden bei Veränderungsprozessen bisweilen (fehl-) entwickelte Strukturen wieder mühsam aufgelöst und nach besseren, eigeneren Seinsmöglichkeiten gesucht. Ungünstige oder sich gegenseitig behindernde innere Strukturierungen, Differenzierungen können durch das Einnehmen des Nullpunktes oder vordifferenzierten Punktes für die neue Schaff ung einer passenderen Ausdifferenzierung aufgelöst werden. Dies kann nur in einem supportiven Feld gelingen. Die Einnahme der vordifferenzierten Perspektive bedeutet auch eine Destabilisierung, eine Gefährdung innerer Differenzierung. Sie löst durch den Wegfall stabilisierender Bereichsgrenzen Erschütterung aus, die als Angst vor Auflösung erlebt wird. Auch Friedlaender schreibt, dass diese Position gefährlich und bedrohlich ist und einen verrückt machen kann. Das heißt, in dem Moment, wo psychische Stützen wegfallen, besteht durch die psychische Destabilisierung die Gefahr angstvoller oder gar psychotischer Erregung. Das supportive Feld bildet vorübergehend die zu verinnerlichende Außenstütze, welche dann zu einer inneren Stütze werden kann. Wenn es dem Therapeuten gelingt, die notwendigen Differenzierungen zu antizipieren, nimmt er die Differenzierung für den Patienten vorweg. Der Therapeut taucht in dem Entwicklungsfeld gewissermaßen in die Zone der nächsten Entwicklung des Patienten ein. Aus dieser Position heraus kann er beobachtend und spürend seine nächsten Interventionen setzen. Diese können anstehende Differenzierungsschritte sein oder aber er versteht schweigend die Differenzierungserkenntnisse des Patienten. Er kann aber auch verbalisierend, über Polaritätenarbeit oder über Experimente, sinnvolle Differenzierungsschritte einbringen. Er unterstützt, den Patienten Differenzierungsarbeit zu leisten, übernimmt, besetzt oder spricht wichtige Feldpositionen an, ruft sie ins Bewusstsein und trägt insgesamt zur Ausbalancierung des Feldes bei.

      Das supportive Feld als Entwicklungspromotor

      Entwicklung findet einerseits statt, wenn die Abstimmung des Organismus auf äußere Veränderungen dieses erfordert. Sie ist ein Anpassungsprozess an sich verändernde Feldbedingungen. Andererseits findet Entwicklung statt, wenn innere Veränderungen und Reifungsprozesse des Organismus einen anderen Umgang mit dem Umfeld ermöglichen. Die entscheidende Brücke für diesen Übergang bildet die angemessene Unterstützung für den Entwicklungsschritt. Wenn keine ausreichende Unterstützung gegeben ist, wird der Entwicklungsschritt nicht vollzogen, es kann zu Entwicklungsverzögerungen kommen. Die Unterstützung

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