Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen. Группа авторов

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Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen - Группа авторов IGW-Publikationen in der EHP

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im ureigensten Sinne, die als ein Ausrollen des noch nicht geschriebenen Urtextes unserer Selbst, unserer Seele, der erst durch diesen Akt festgelegt wird, begriffen werden. Entwicklung ist in diesem Sinne der suchende und durch eine hohe emotionale Übereinstimmung gefundene Schritt in die eigene Gegenwart, Zukunft und Selbstbestimmung. Diese innere Stimmigkeit mit dem äußeren Tun kennzeichnet das Eigene. Es ist auch das Programm der Selbstverwirklichung, das hier inkorporiert ist, allerdings mehr in dem konzentrierten In-sich-Hineinspüren und Aus-sichheraus-Handeln. Dieses Handeln besteht bei Goodman in äußeren Aktivitäten, im Einfordern von gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, welche die jeweilige Entwicklung des Eigenen ermöglichen und fördern. Dies wird auch in zahlreichen politischen Schriften Goodmans deutlich. In dem Konzept des Eigenen, der Selbstverwirklichung, dem Überwinden von Entfremdung und Selbstbestimmung ist allerdings immer auch der oder die andere/n mitgedacht. Dies sind die Gesellschaft oder die Familie, welche ihr Anderes wollen und dem Eigenen in die Quere kommen, bis hin zur weitgehenden Fremdbestimmung, bei der das Eigene gar nicht mehr gespürt, sondern vergessen wurde, und dieser Verlust nur noch in einer unterschwelligen stumpfen Unzufriedenheit wahrnehmbar bleibt. Das Eigene hat zwei Seiten. Introspektiv betrachtet ist es die Stimmigkeit mit den eigenen Bedürfnissen, Wünschen und Zielen. Je höher diese Übereinstimmung, desto befriedigender ist für uns unsere Selbstverwirklichung. Von Außen betrachtet kann das Eigene – um einen Anschluss an die aktuelle akademische Entwicklungsforschung zu leisten – als eine stärkere Gewichtung der angeborenen, genetischen Faktoren angesehen werden. Je mehr wir, soweit dies aufgrund der gesellschaftlichen Bedingungen möglich ist, das wählen, was uns entspricht, desto stärker schaffen wir wiederum eine Entwicklungsumgebung für das, was uns entspricht. In gegenseitigem Wechselspiel differenzieren und entwickeln wir zunehmend das Eigene durch das Mitentwickeln und Co-Kreieren eines supportiven Feldes, welches wiederum uns mitentwickelt. Die impliziten Entwicklungsannahmen Goodmans über das Eigene können durch die aktuelle akademische Entwicklungsforschung bestätigt angesehen werden.

      1.4 Der Entwicklungsbegriff bei Perls, Hefferline und Goodman

      In Kapitel 1 »Die Struktur des Wachstums« formulieren Perls, Hefferline und Goodman:

      »Die Kontaktgrenze ist das Organ einer Wachstumsbeziehung zwischen Organismus und Umwelt.« (PHG 2006, S.11)

      »Der Organismus überlebt durch Assimilation des Neuen, durch Verwandlung und Wachstum. […] Auf der anderen Seite kann Kontakt nicht rein passiv aufnehmen oder sich lediglich dem neuen anpassen, denn das Neue muss assimiliert werden.« (PHG 2006, S. 12).

      »Wachstum ist die Funktion der Kontaktgrenze im Organismus/Umwelt-Feld; durch schöpferische Anpassung, durch Verwandlung und Wachstum überleben die kompliziertesten organischen Einheiten in der größeren Einheit des Feldes.« (PHG 2006 S. 13)

      Der Wachstumsbegriff hier ist ein Prozess, der sich analog dem Piagetschen Assimilations-Akkomodationsprozess als Äquilibrationsprozess bezeichnen lässt und damit ein wichtiges Bindeglied zur Theorie Piagets darstellt. Eine Verbindung aus Goodman-Rank’scher Künstler-Kreativität und Friedlaenders Vorstellung vom indifferenten, kreativen Nullpunkt wird in folgendem Zitat deutlich:

      »[Das Gewahrsein des Künstlers im mittleren Modus] wächst der Lösung entgegen.« (PHG 2006 S. 29)

      »Und genauso ist es bei Kindern: Ihre hellwache Wahrnehmung und ihr freies scheinbar zielloses Spiel lassen die Energie spontan fließen und so zu zauberhaft en Erfindungen gelangen. In beiden Fällen wirken als Sinnesantrieb die Integration, die Bejahung des Impulses und der wache Kontakt mit neuem Umweltmaterial, aus denen wertvolle Arbeit erwächst.« (PHG 2006 S. 30)

      Dieser Wachstumsbegriff basiert zum einen auf dem Lewin’schen Feldkonzept mit seinen Aufforderungscharakteren, die im Zusammentreffen mit dem entwicklungsbereiten, forschungslustigen Kind dessen Entwicklung erst antreibt. Lewin hatte dies in seinem Film »Das Kind und die Welt« (1926) verdeutlicht. Zum anderen klingt hier auch über Goodman die Rank’sche Vorstellung vom Menschen als mit Willen ausgestattete Künstler und Schöpfer des eigenen Lebens durch (Rank 1932, Müller 2006). In dem explizit »Reifung« genannten Kapitel 5 (ebd., S. 77) wird der Entwicklungsbegriff etwas deutlicher.

      »Wir haben gesehen, dass das Kind, wenn wir es als integrierenden Teil eines Feldes betrachten, von dem die Erwachsenen ein anderer Teil sind, nicht als hilflos bezeichnet werden kann. Wenn nun seine Kraft und Mitteilungsfähigkeit, seine Kenntnisse und Fertigkeiten wachsen, ändern sich bestimmte Funktionen, die der frühen Ganzheit angehörten zu Funktionen in einer neuen Ganzheit: Zum Beispiel entwickelt sich, sobald das Kind besser auf eigenen Füßen stehen kann, ein bewegungslenkendes Selbst, das man als Eigen-Selbst bezeichnen könnte, so dass Pflegefunktionen aus dem früheren Ganzen nun in vieler Hinsicht zu Selbstversorgungsfunktionen werden.1« (ebd. S. 86)

      Und weiter:

      »Mit dem Wachstum ändert sich das Feld von Organismus und Umwelt.« (ebd. S. 94)

      Dies ist Feldtheorie und gestaltpsychologische Entwicklungsauffassung in Reinform, was auch von Lore Perls (1969) so bestätigt wird. In Kapitel 7 wird anhand der Sprache eine Entwicklungsreihe aufgestellt:

      a) Präverbale Sozialbeziehung des Organismus,

      b) Herausbildung einer Sprachpersönlichkeit im Organismus/Umweltfeld,

      c) daran anschließende Beziehungen der Persönlichkeit zu anderen.

      Dabei wird insbesondere die Aggression im positiven Sinne von »Herangehen« (ebd. S. 134) als eine Entwicklungsqualität angesehen.

      »Jeder Organismus wächst in seinem Feld, indem er neue Stoffe in sich aufnimmt, sie verdaut und assimiliert, und dies erfordert ein Zerstören der ursprünglichen Form zu assimilierbaren Elementen … »(ebd. S. 133)

      Und:

      »Die Aggressionstriebe sind von den erotischen Trieben nicht wesensverschieden; es sind vielmehr verschiedene Wachstumsphasen, die sich in Auswählen, Zerstören und Assimilieren oder Genießen, Aufnehmen und Gleichgewichtfinden manifestieren.« (ebd. S. 144)

      Eine ähnliche Formulierung wird auch im 10. Kapitel »Theorie des Selbst« verwendet: Der Organismus erhält sich nur, indem er wächst. Selbsterhaltung und Wachstum sind Pole auf einem Kontinuum, denn nur, was sich erhält, kann durch Assimilation wachsen, und nur, was immer wieder Neues assimiliert, kann sich erhalten, ohne zu degenerieren. Dies sind also die Stoffe und Energien des Wachstums: das konservative Bestreben des Organismus, zu bleiben, wie er ist, die neue Umwelt, die Zerstörung früherer Partialgleichgewichte und die Assimilation neuer Stoffe (ebd. S. 166 f.). Entwicklung kann nach Perls/ Hefferline/Goodman (PHG) in gestaltpsychologischem Sinne Goldstein’scher Prägung verstanden werden: Es finden Selbstorganisationsprozesse statt, wobei der Umschlag zu bestimmten emergierenden Organisationsstufen qualitativ erfolgt, analog dem Gestaltbildungsprozess oder dem produktiven Denken Wertheimers (1957).

      2. Neuere Entwicklungsansätze in der Gestalttherapie

      Die Gestalttherapie hat eine Reihe eigener entwicklungspsychologischer und kindertherapeutischer Modelle vorgelegt, besonders durch Violet Oaklander, und die Sammelbände The heart of development von Marc Conville und Gordon Wheeler, in denen eine Vielzahl von Gestalttherapeuten unterschiedliche Ansätze zur Gestalttherapie in der Kindheit (Bd. 1, 2001) und der Jugend (Bd. 2, 2002) beschrieben werden. In Deutschland wurde ein praxisorientiertes Werk von Ingeborg und Volkmar Baulig publiziert (EHP 2002). Im Handbuch für Gestalttherapie (1999) erschien ferner ein Artikel von Caroll (1999), ein an Ken Wilber orientiertes metatheoretisches Entwicklungsmodell von Fuhr (1999) sowie die Gruppentherapiearbeiten von Franck (1997 zit. nach Baulig 2002) und Rahm (1997 zit.

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