Systemische Beratung jenseits von Tools und Methoden. Bernd Schmid

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Systemische Beratung jenseits von Tools und Methoden - Bernd Schmid EHP - Handbuch Systemische Professionalität und Beratung

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      2. »Unter uns«

       2.1 Vorbemerkung

      Ich, Christiane Gérard, kenne Bernd Schmid nunmehr seit 25 Jahren, seit ich 1984 meine Transaktionsanalyse-Ausbildung in seinem Institut begonnen habe. Auch nach meinem klinischen TA-Examen 1989 blieben wir durch gemeinsame Interessen und Neigungen bis heute miteinander verbunden.

      Wir blicken beide auf jeweils mindestens 30 Jahre Berufstätigkeit in den Bereichen Beratung und Psychotherapie und dazugehörender Erwachsenenbildung zurück. Wir befinden uns beide in einer Lebensphase, in der das Bedürfnis wächst, die Essenz der vergangenen Berufsjahre zu überdenken und anderen zum Nachdenken anzubieten. Dabei passen unsere Reflexions- und Erzählweisen in vielerlei Hinsicht zusammen oder ergänzen sich.

      Wir sind uns bewusst, dass die Arbeitsbedingungen und Arbeitslebensweisen der Leser sich von den unseren stark unterscheiden können. Dennoch sind wir zuversichtlich, dass sie von unseren Anregungen profitieren können. Und auch wir Autoren unterscheiden uns trotz aller Übereinstimmungen in mancher Hinsicht und bilden damit selbst eine Spanne möglicher Betätigungsfelder und persönlicher und institutioneller Voraussetzungen ab:

      Bernd Schmid arbeitete bzw. arbeitet vorwiegend freiberuflich in vielfältigen Rollen als Erwachsenenbildner, Supervisor, Berater, Unternehmer und Leiter seines eigenen Weiterbildungsinstituts in Wiesloch, Orientierungsgeber, Gesprächspartner für seine MitarbeiterInnen, Buchautor, Vortragender auf Kongressen und ist aktiv in Hochschulen und Verbänden. Ich war dagegen immer angestellt und arbeitete zuletzt 25 Jahre lang als Neuropsychologin und Psychotherapeutin in einer Kinderklinik – halbtags.

      Wir beide haben recht unterschiedliche Lebensinszenierungen, denen unterschiedliche Lebensentwürfe zugrunde liegen. Lebensentwürfe sind geprägt

      • von der Wesensart,

      • von Talenten und Ambitionen,

      • von Ausstattungen und Aufträgen durch die Familie,

      • vom Lebensgefühl und von den Lebensstilen der Milieus, in denen man aufgewachsen ist und in denen man sich später bewegt,

      • durch prägende Lebenserfahrungen, die oft in Schlüsselerlebnissen und inneren Bildern verdichtet sind. (Schmid 2008d)

      Auch wenn sich Menschen oberflächlich betrachtet in gleichen Berufen oder Funktionen bewegen und sich z. B. als Psychotherapeuten, Berater, Bildungsfachleute, Führungskräfte oder Unternehmer bezeichnen, so stecken hinter diesen Titeln doch oft sehr unterschiedliche Lebensinszenierungen. Das trifft bei uns beiden Autoren ebenso zu. Das folgende Gespräch zwischen uns – spontan aufgezeichnet, stark gekürzt, bearbeitet und ergänzt – soll die Leser zu ähnlicher Selbstreflexion einladen. Wir stellen uns Fragen, die uns, manchmal unterschiedlich stark, während unseres Werdegangs und jetzt in der Lebensphase des bilanzierenden Rückblickens beschäftigt und/oder die wir häufig als Fragestellungen bei Kollegen und Kolleginnen vernommen haben.

      CHRISTIANE GÉRARD: Wir beide schauen auf eine lange und reiche Berufszeit zurück. Angenommen, du könntest noch einmal darüber entscheiden: Würdest du diesen Berufsweg wieder so einschlagen oder würdest du etwas anders machen, und wenn ja, was?

      BERND SCHMID: (…) Ursprünglich wollte ich ja mal Lehrer werden. Aber nach meinem ersten Schulpraktikum wurde mir klar, dass ich nicht Schullehrer werden wollte. Und zwar nicht wegen der Schüler, sondern weil ich im Praktikum das Lehrerkollegium wie eine Versammlung Untoter erlebt habe. Und da habe ich entschieden: Ich will nicht mit solchen Zombies in einem solchen Raum sitzen. Also war für mich klar, dass ich nicht in die Schule gehe. Lehrer wollte ich aber gerne werden. Die Alternative war dann Hochschullehrer. Ich war ja schon früh Assistent an einem Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre. Diese Alternative war dann aber deswegen wiederum nicht möglich, weil ich für diese zumindest damals sehr traditionelle Disziplin mit meinen psychologischen Interessen ein zu »bunter Hund« war. Ich wurde über viele eigene Bewegungen und Wechselfälle des Schicksals (Schmid 1992, 2001c) das, was ich geworden bin, und heute wüsste ich nicht, was ich beruflich ändern sollte. Im Nachhinein schien sich alles zu fügen.

      CG: Du sagst also, das bin ich, das war ich und das will ich auch weiter sein.

      B.: Ja, ich habe ja immer alles mit großem Engagement gemacht, war damit sehr identifiziert und habe daraus auch immer viel Kraft geschöpft. Auf der anderen Seite gab es auch Bereiche, in denen ich mich versucht habe, die mal besser und mal schlechter gingen, letztlich aber nicht wirklich gepasst haben, wie z. B. Vortragsreden vor einem größeren, mir unbekanntem Publikum.

      CG: Du hast mal erzählt, dass du als Kind gerne als Zauberer oder Zirkusdirektor das Publikum zum Staunen bringen wolltest. Ich hätte daher erwartet, dass dir Auftritte vor einem Publikum liegen. Was hat da nicht gepasst?

      BS: In kleinerer Manege ist mir das meist gut gelungen. Doch wäre ich auch gerne in großer Manege besser zur Geltung gekommen. Aber dafür war ich vielleicht nicht extravertiert genug. Während befreundete Kollegen auf der Bühne erst richtig in Fahrt kommen und den Stecker in der Steckdose zu haben scheinen, haben solche Auftritte meinen Akku strapaziert. Ich habe mich auch oft zu mehr Extraversion genötigt als wirklich für mich gestimmt hat. Dieses Bemühen hat zwar meine Persönlichkeit erweitert, aber ich bin heute ganz froh, dass ich jetzt mehr Introversion leben kann und nicht so oft auf die Bühne gehe. Wenn meine Institutskollegen in der Gruppe oder beim Kunden präsentieren, kann ich an meinen Schreibtisch gehen und trotzdem eine Rolle in dem Zirkus haben.

      CG: Du meinst in deinem Institut? Und dort hast du die Mitwirkenden ausgebildet, betreust sie und stärkst das Kraftfeld mehr hinter den Kulissen?

      BS: Genau, ich bin jetzt mit allem eng verbunden, bin wichtig und bringe meine Erfahrung und meine Kreativität ein, muss aber nicht mehr Auditorien bei Laune halten.

      CG: Wie meinst du das?

      BS: Als Lehrtrainer muss man neben hoher Fachlichkeit dafür sorgen, dass sich eine Gruppe wohl und gut unterhalten fühlt, weil das fürs Lernen wichtig ist. Da wir von der Gunst eines anspruchsvollen Publikums leben, geht das nicht ohne. Ich war aber eher ein Entwickler, der anderen seine neuen Entwicklungen erläutern wollte, als ein Lehrer, der neue Generationen mit bekannten Inhalten immer wieder neu beseelt.

      CG: Das heißt, du hast dir ein breiteres Repertoire entwickelt, um aufzubauen, was heute eine Institution geworden ist, konzentrierst dich aber jetzt wieder auf bevorzugte Funktionen.

      BS: Richtig. Ich habe über viele Jahre die Organisation so entwickelt, dass alle Funktionen gut ausgefüllt sind und ineinander greifen. Ich kann jetzt an all dem partizipieren, was mir wichtig ist, ohne selbst zu Dimensionen beitragen zu müssen, die ich zwar kann, aber lieber anderen überlasse.

      CG: Ja, das klingt, als seiest du da sehr im Reinen mit dir.

      BS: Ja, viele sehen das so, melden mir dies zurück und nehmen auch für sich daran Maß. Es ist gelungen, eine Kultur zu schaffen, in der ich und andere, mit denen die Passung gestimmt hat, gute Rollen finden können. Auch bin ich irgendwie meiner ursprünglichen Berufung als Hochschuldidaktiker treu geblieben. Ich habe nun »meine eigene Hochschule«. Und da wir nie öffentliche Finanzierung in Anspruch genommen haben, bestand auch die Notwendigkeit, geistig anspruchsvolle mit wirtschaftlich tauglichen

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