Systemische Beratung jenseits von Tools und Methoden. Bernd Schmid

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Systemische Beratung jenseits von Tools und Methoden - Bernd Schmid EHP - Handbuch Systemische Professionalität und Beratung

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leistungsfähige Wirtschaft geringe Chancen hat. Diese Kombination aus humanistischem Bildungsideal und marktwirtschaftlichem Verantwortungsprinzip hat uns immer gezwungen, gute Kompromisse zwischen gesellschaftstauglichen Anforderungen und eigenen Wertevorstellungen zu finden. Das hätte uns eine öffentlich finanzierte Hochschule nicht so konsequent abverlangt.

      CG: Du warst aber auch im Hochschulrat einer Bildungshochschule tätig.

      BS: Ja, das war eine ganz eigene Erfahrung. Dort wird gerne das Humboldt’sche Bildungsideal beschworen – doch nicht immer in überzeugenden Begründungszusammenhängen. Wilhelm von Humboldt hat seine Schulreform in 18 Monaten autoritär durchgezogen. Wer nicht mitspielte, war draußen. Das ist heute nicht möglich und vielleicht in einer Demokratie auch nicht wünschenswert. Aber es gibt Momente, in denen ich das bedauere.

      Aber erzähl du doch mal! Wie ergeht es denn dir mit deinem Beruf? Würdest du ihn noch einmal wählen?

      CG: Ich würde möglicherweise nicht noch einmal Psychologin werden wollen? Also, es gibt schon Bereiche in meiner Arbeit, in denen ich mich wieder finde: das Kreative, das Experimentieren, das Problemlösen! Vieles mache ich immer noch sehr gerne. Aber ich fand es entsetzlich langweilig immer dann, wenn ich dachte zu wissen, wie eine Lösung aussehen könnte, dann diesen ganzen, manchmal mühseligen Prozess der Therapie selbst zu begleiten. Sicher muss man dabei bedenken, dass meine Arbeit mit Hirnverletzten bzw. mit den von diesem oft plötzlichen Schicksal betroffenen Familien auch besonders kräftezehrend war. Andererseits war es auch eine echte Herausforderung, sich in das Denken, Fühlen und Erleben von Menschen, deren Hirnorganisation sich von unserer unterscheidet, hineinzuversetzen. Das war der kreative und sehr spannende Teil. Andererseits würde ich heute wahrscheinlich eher direkt etwas Kreatives machen und dann schauen, dass ich mein Kontaktbedürfnis zu Menschen privat befriedige.

      BS: Kreativ im Sinne von künstlerisch? Im klassischen Sinne: malen, schreiben, bildhauern, Musik machen …?

      CG: Ja auch, aber mehr im Sinne von Etwas erfinden! Oder aber, was ich schon immer als Kind toll fand: Verhaltensbeobachtung! Du beobachtest einfach nur und gibst den andern mit, was du siehst, ohne dass du selbst was machen musst …

      BS: Also nicht das Gestalterische, sondern eine andere Form des Wirkens. Ist es das, was Michael Endes Momo kann? So zuzuhören, dass etwas anders wird, ohne einen Ratschlag geben zu müssen?

      Ja, das verstehe ich gut. Ja, ich hab das Gefühl, je älter ich werde, desto mehr erlaube ich mir, einfach nur zuzuhören und zu beobachten ohne einzugreifen.

      CG: (…) wobei ich nicht weiß, ob mir dann nicht wieder etwas fehlen würde.

      BS: Ja, da ist was dran. Auch ich erlebe dabei einen Verlust.

      CG: Wovon?

      BS: Mir ist ein Stück weit die »Werkel-Lust« verloren gegangen. Ich empfinde es auch als sehr segensreich, wenn Menschen einfach Lust haben, die Ärmel hochzukrempeln, und wirklich etwas zu gestalten.

      Also insofern habe ich Verständnis für deine Idee. Ich weiß aber jetzt nicht, ob das nicht einfach ein aufgestautes Bedürfnis bei dir ist, was bisher zu kurz kam, oder ob du das wirklich damals schon anders hättest machen wollen.

      CG: Ja, das weiß ich natürlich auch nicht. Ich habe mich aber eigentlich nie wirklich als Psychotherapeutin gefühlt. Das war etwas Fremdes, was ich machen musste, was ich auch gut gemacht habe, aber ich habe mich nie dazu berufen gefühlt. Von daher denke ich, würde ich den Beruf mit dem Wissen, das ich heute habe, nicht mehr ausüben.

      BS: Psychotherapeutin. Gibt es irgendeine Konkretisierung dieses Berufslebensweges oder ist es einfach die Nennung einer Kategorie?

      CG: Als ich damals zu dir in die Ausbildung kam, hatte ich mir überlegt, ob ich eine Schreinerlehre mache oder bei dir in die Lehre gehe. Letzteres passte dann sehr gut, weil ich auch bei dir ein Kunsthandwerk gelernt habe, die systemische TA. Und ich wollte wirklich ein Handwerk lernen. Ich habe immer die Berufsgruppen beneidet, die mit konkreten Werkzeugen in der Hand durch die Gegend liefen und wussten, was sie womit anpacken sollten. Schreinern wäre etwas gewesen, was ich sehr gerne gemacht hätte. Selbst Möbel erfinden und zusammensetzen. Es ist etwas Heiles, etwas Gesundes …

      BS: Ja, und man kann etwas anfassen … also ich verstehe die Dimension. Ob das ein heilerer Berufslebensweg gewesen wäre, das ist noch einmal eine andere Frage.

      CG: Es hätte mir dann vielleicht etwas anderes gefehlt …

      BS: Ja und es zeigt einfach, dass deine tatsächliche Berufslebensentwicklung doch Dimensionen unterversorgt gelassen hat.

      CG: Lass uns noch auf die andere Seite schauen: die Schattenseiten dieses Berufs.

      Mir selbst fallen zwei Aspekte ein, die mich gestört haben. Das ist einmal das Image des Berufs in der Öffentlichkeit. Im Krankenhaus, in dem die Leute ja nicht freiwillig zu mir kamen, sondern geschickt wurden, brachten diese oft auch viele Vorurteile gegenüber meiner Rolle mit. Ich musste erst einmal dagegen anarbeiten, um guten Kontakt herzustellen. Das war nicht entscheidend, aber dieses Image der Psychotherapeutin oder der Beraterin in der Öffentlichkeit hat mich auch im Privaten gestört. Dort hatte ich das Gefühl, dass Leute oft Privates und Berufliches vermischten. Etwa so: Wenn du Sorgen hast, dann kannst du halt zur Christiane gehen, auch privat, sie ist ja Psychotherapeutin. Am Anfang meiner Berufsjahre habe ich diese Tendenz sicher auch selbst gefördert. Das war ja auch eine Einfluss verheißende Rolle: Man konnte damit wichtig sein und wurde gebraucht. Später aber empfand ich diese Erwartungen dann eher als lästig. Ich fand es deswegen manchmal schwierig, privat neue Kontakte zu knüpfen, weil ich misstrauisch war, ob ich nicht wieder »ausgenutzt« oder nur deswegen gemocht werden würde, weil man ja immer so »anständig« zuhört und nett ist und so. Das fand ich schade … Wie ist es dir gegangen?

      BS: Bei mir war das ganz anders … Ich war immer froh, wenn jemand Interesse an meiner Kreativität hatte und ich aktiv sein konnte. Ich habe mich mit meiner Kreativität identifiziert und mich daher bei Wünschen nach Unterstützung persönlich gemeint gefühlt. Dazu kommt noch mein anderer institutioneller Kontext. Ich war Freiberufler. Leute sind zu mir gekommen, weil sie zu mir wollten und ich konnte sie mir dann auch mehr oder weniger aussuchen.

      CG: Aber du hast doch auch deinen privaten Umkreis?

      BS: Ja, vorwiegend über die Familie. Sonstige private Beziehungspflege war nicht mein Heimspiel. Die meisten Privatbeziehungen sind im Berufsfeld entstanden. Dort habe ich Arbeitsformen gefunden, die für mich auch viele private Begegnungsmöglichkeiten und vertrauensvolle Beziehungen ermöglichten, für die ich sonst nicht die Motivation und die Verhaltensweisen gehabt hätte.

      Wir haben in unserem Institut einen Rahmen entwickelt, in dem privatpersönliche und berufliche Kontakte fließend ineinander übergehen. Meistens sind auch meine Mitarbeiter und Lehrtrainer Menschen, die gerne menschliche Begegnungen mit dem Beruf kombinieren, wie ich das auch tue.

      Für meine Lehrtrainer und Mitarbeiter bin und war ich auch immer ein bisschen der Mentor und Seelsorger und bin das gerne. Umgekehrt haben sie auch Anteil an unserem Leben genommen. Das haben wir intensiv erlebt, als unser Sohn Peter gestorben ist. Die liebevolle Zuwendung, die uns zuteil geworden ist, hat mich sehr berührt. Von daher habe ich diese Beziehungen als einen sehr lebendigen und gegenseitigen Austausch erlebt.

      Und mir fällt es leichter, Beziehungen zu gestalten, wenn ein Lebensvollzug – sei es beruflich oder privat – miteinander möglich ist.

      CG: Das passt ja auch wieder zu dem Beziehungstyp, als den du dich beschreibst, als den Ich-Es-Typen, für den es wichtig ist, sich über ein

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