Des Girolamo Cardano von Mailand eigene Lebensbeschreibung. Hieronymus Cardanus
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NEUNTES KAPITEL
Der Gedanke, meinen Namen zu verewigen
Gedanke und Wunsch, meinen Namen zu verewigen, stellten sich ebenso frühe bei mir ein, als spät ich Aussicht hatte, sie zu verwirklichen. Es war mir klar, dass es ohne Zweifel ein doppeltes Leben gebe, ein derbwirkliches, das wir Menschen mit Tier und Pflanze gemein haben, und ein anderes, das nur der Mensch lebt, der nach Ruhm und Arbeit strebt. Frühe sah ich auch, dass schon für jenes erste Leben die Natur mich stiefmütterlich behandelt und zu wünschen genug mir gelassen hat und dass mir vollends für das zweite, höhere Leben rein gar nichts geworden war, das frohe Hoffnung mir hätte schenken können, weder Macht noch Mittel, keine feste Gesundheit und keine Arbeitskraft, keine angesehene Familie, keine besonders regsame Begabung, nicht einmal die Kenntnis der lateinischen Sprache, keine Freunde und bei meinen Eltern nichts als Armut und Verachtung. Einige Jahre später hat mir ein Traum die feste Hoffnung auf ein ruhmreiches Leben erweckt; die nähere Art und Weise freilich sah ich nicht, nur dass dabei ein wunderbarer Zufall mir zum Verständnis des Lateinischen geholfen hat. Vernünftige Erwägungen haben mich dann freilich von solchen sehnsüchtigen Gedanken wieder abgebracht, und ich sah ein, dass es nichts Aussichtsloseres geben könne als diese Hoffnung, geschweige denn den bloßen Wunsch. Ich sagte mir: Wie kannst du wohl ein Buch schreiben, das man lesen wird? Findest du wohl einen Gegenstand, der von so allgemeinem Interesse und der so wohlbekannt und geläufig ist, dass er Leser anziehen wird? Verfügst du über genügend guten Stil und sprachliche Gewandtheit und Feinheit, um die Leser zu fesseln? Und, gesetzt den Fall, du fändest Leser, häuft sich denn nicht im Laufe der Zeit Tag für Tag die Menge der Bücher, sodass, was früher einmal geschrieben, der Verachtung, jedenfalls aber der Vergessenheit verfällt? Oder werden deine Schriften ein paar Jahre dauern? Wieviel Jahre? Hundert? Tausend? Zehntausend? Nenne mir irgendein Buch aus der Geschichte, auch nur ein einziges von so vielen Tausenden, dem ein so langes Leben beschieden war! Und einmal wird doch alles ganz und gar zugrunde gehen müssen, auch dann, wenn die Welt – wie die Akademiker55 wollen – in ewiger Wiederkehr sich erneuern sollte, nicht weniger als wenn sie nun ein Ende nehmen wird, wie sie einst einen Anfang genommen hat. Was liegt denn daran, ob dies nach Tagen oder nach 10000 Myriaden von Jahren der Fall sein wird? Nichts, gar nichts gegenüber der unermesslichen Spanne der Ewigkeit! Und du willst dich inzwischen mit Hoffnung abquälen, mit Furcht plagen, mit nutzloser Arbeit abhetzen? Und du verscherzest dabei, was das Leben schließlich noch an Angenehmem dir bieten mag. O herrlicher Einfall! – Und doch haben Caesar, Alexander56, Hannibal, Scipio57, Curtius58, Herostratus59 dasselbe getan, haben ihr Leben geopfert, die größte Schande auf sich genommen, die ärgsten Qualen erduldet, nur weil die Hoffnung auf ewigen Ruhm ihnen mehr bedeutete als alles andere. Sei es drum! Aber so nichtig auch ihr Ziel war, sie waren ihm doch schon sehr nahe gerückt. Jenen weisen philosophischen Rat haben sie freilich nicht beachtet, geschweige denn befolgt. Wohl aber hatten sie viele Hilfsmittel bereit, ihr Ziel zu erreichen. Und doch, wer will leugnen, dass sie Toren durchaus gewesen sind? Das waren sie auch in des Horaz' Urteil, wie seine Ode Tyrrhena regum progenies, die 29. des III. Buches, zeigt. Ich meine die Stelle:
»… Der ist sein eigner Herr
Und frohen Glücks, der täglich sich sagen darf:
Ich hab gelebt. Mag schwarz der Himmel
Morgen bewölket uns dröhn, die Sonne
Erstrahlend glühn, nicht rückwärts geschraubet wird,
Was hinter uns liegt, nicht ungeschehn gemacht
Und wieder neu zum Tun gestellet,
Was mit dem fliehenden Tag entschwunden.«
Die praktische Lehre aus diesem Gedanken hat er kurz zuvor mit wenigen Worten gezogen: »Was vor dir liegt, das ordne in Gleichmut.« Mit anderen Worten: Klüger wirst du tun, zu nützen, was du in den Händen hast, als ferne Pläne zu schmieden. Ein Caesar freilich, ein Hannibal und Alexander waren entschlossen, sich einen ewigen Namen zu erschachern um ihr eigen Leben, um das der Ihrigen und ihres ganzen Hauses, selbst um das Wohl der Stadt und ganzer Länder, und bis dahin froh des Erworbenen sich zu freuen. Was haben sie damit erreicht? Was war das Ende? Schon ein Sulla60 hat seinem Ruhm zuliebe das von allen Früheren mühevoll Errungene und alles, was an wunderherrlichen Werken vor ihm war, vergeudet und zerstört. Und jeder der anderen, die seinen Spuren folgten, haben ihre Familie und ihr eigenes Haus geopfert und vernichtet. So hat Kaiser Commodus61 das Geschlecht der Julier völlig ausgerottet, denn vor jedem rechtmäßigen Zweig des Herrscherhauses hat sich der Fürst zu fürchten, der wider Recht und Ordnung sich die Krone angemaßt. Und selbst das Vaterland hat jener große Gedanke ewigen Ruhmes preisgegeben. Denn wo ist heute das römische Kaisertum? Lächerlich und ganz unerhört: in Deutschland! Wäre es nicht viel besser gewesen, das herrliche Haus der Julier, der Enkel des Aeneas62, hätte seinen Namen überlebt? Viel besser, die Römer wären noch heute die Herren der Welt, als dass mit Caesars leerem Namen sich blöde Larven und Puppen putzen?
Und dann, wenn die Seele unsterblich ist, was bedarf es dann eines eitlen Namens? Und geht sie zugrunde, was nützt es ihr? Wenn einmal das Menschengeschlecht ein Ende hat, wird auch all dies ein Ende nehmen, und von uns Menschen wird nicht mehr übrig bleiben als von Hasen und Kaninchen. – Kein Wunder war es, dass ich einst brannte, besessen von der Gier nach Ruhm; aber heute ist es ein Wunder, dass ich immer noch brenne, obwohl ich all dies eingesehen habe. Und doch ist jene tölpelhafte Gier geblieben. Des Caesar und jener andern Pläne waren töricht; meine Ruhmbegierde aber, die ich inmitten so viel widriger Geschicke und solcher Hindernisse hege, ist tölpelhaft dumm, nicht bloß töricht.
Und doch habe ich nach Ruhm und äußeren Ehren nie gelechzt; ich habe sie vielmehr stets verachtet: ich möchte wohl, dass es bekannt sei, dass ich bin; ich wünsche aber nicht, dass jeder wisse, wie ich bin. Was aber das Fortleben in seinen Kindern und Kindeskindern anlangt, so weiß ich wohl, was für eine dunkel unsichere Sache dies ist und wie wenig wir in solchen Dingen vorsorgen können. Darum habe ich auch immer, soviel ich konnte, mir gelebt und habe stets, auf Besseres hoffend, meine Zeit verachtet. Wenn es aber irgendeine Entschuldigung für diese meine eitlen Wünsche gibt, so wäre es wohl die, dass ich trotz allem in der Zwischenzeit gelebt habe, so gut ich eben konnte. Dies, dünkt mir, ist ehrenvoll genug, und täuscht mich auch meine Hoffnung, so ist doch mein stolzer Wunsch, weil er natürlich war, des Lobes würdig.
ZEHNTES KAPITEL
Mein Lebensweg
So habe ich mir denn meinen Lebensweg selbst zurechtgelegt, nicht gerade so freilich, wie ich ihn mir hätte wünschen mögen, aber doch so gut, als es mir eben möglich war. Ich habe mir auch nie das gewählt, was ich mir hätte wählen sollen, sondern das, was ich für das Beste hielt. Ich bin auch nie beharrlich bei einem und demselben geblieben – ist ja doch alles voll Gefahren, Mühsal und Unvollkommenheit –, sondern habe mir immer gewählt, was mir zu jeder Zeit gerade das Günstigste schien. Daher es denn auch kam, dass solche, die mich an fremdem Maße messen, mich für unbeständig, ja für wankelmütig halten. Doch wer keinen geraden, sicheren Lebensweg vor sich sieht, der muss eben manche Wege gehen und