Des Girolamo Cardano von Mailand eigene Lebensbeschreibung. Hieronymus Cardanus

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Des Girolamo Cardano von Mailand eigene Lebensbeschreibung - Hieronymus Cardanus

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in den gefüllten Hörsaal der Anatomie führten, machte er rasch kehrt, verwickelte sich in seinen Mantel und fiel zu Boden, worauf alle Anwesenden staunend den Kopf schüttelten. Er selbst aber zog bald darauf von Bologna fort, obwohl er noch für mehrere Jahre dort angestellt war.

      DREIZEHNTES KAPITEL

      Mein Charakter, geistige Mängel und Schwächen

      Ist es schon an sich schwer, über dieses Thema zu schreiben, so noch viel mehr, wenn man bedenkt, dass die Menschen, die sonst wohl Selbstbiografien zu lesen pflegen, nicht gewohnt sind, darin eine ehrliche, aufrichtige Schilderung zu hören, wie ich sie hier geben will. Die einen, wie etwa Antoninus76, äußern sich darüber, wie sie hätten sein sollen; andere, wie Flavius Josephus77, berichten alles wahrheitsgetreu bis auf ihre eigenen Fehler, die sie unterschlagen. Wir aber wollen in dieser Sache der Wahrheit völlig zu Willen sein, obschon wir wohl wissen, dass, wer in sittlichen Dingen sich verfehlt, nicht, wie bei anderen Fehlern, Entschuldigung findet. Wer aber konnte mich zu dieser Aufrichtigkeit zwingen? Bin ich also nicht der eine von den zehn geheilten Aussätzigen, der dankbar zum Herrn zurückkehrte?

      Ärzte und Astrologen sehen die natürlichen Charaktereigenschaften in den angeborenen Grundformen der Veranlagung begründet, die Formen der Charakterbildung dagegen von Erziehung, geistiger Beschäftigung und gesellschaftlichem Verkehr beeinflusst. Alles dies trifft nun zwar bei allen Menschen zu, doch weisen die einzelnen Altersstufen spezifische Unterschiede auf, und aus den gleichen äußeren Anlässen entstehen oft die allerverschiedensten Folgen. Weshalb in diesen Dingen Scheidung und Auswahl nötig ist. Ich will nun also vor allem von diesen wesentlichen Charaktereigenschaften sprechen, soweit eben jenes griechische γνωδτ σέαυιόν78 von mir gilt. Über meinen natürlichen Charakter bin ich mir durchaus klar geworden: Ich bin heftig von Temperament, naiv, der Sinnlichkeit ergeben. Und aus diesen Eigenschaften, gleichwie aus Prämissen, folgen die weiteren: Grausamkeit, hartnäckige Streitsucht, eine gewisse Rauheit des Charakters, Unvorsichtigkeit, Jähzorn und eine Rachgier, die das Maß meiner Kräfte und Mittel weit übersteigt, jedenfalls aber ein stets zur Vergeltung geneigter Wille, der dem alten Worte huldigte, das so viele – mit dem Munde wenigstens – verdammen:

      »Süßeres Gut noch als selbst mein Leben dünkt mir die Rache.79«

      Im Allgemeinen habe ich nie gewollt, dass der berühmte Satz an mir seine Gültigkeit verliere: »Unsere Natur ist geneigt zum Bösen.« Doch bin ich ein wahrheitsliebender Mensch, treu dankbar für empfangene Wohltaten, voll Gerechtigkeitsgefühl, anhänglich an die Meinigen, ein Verächter des Geldes, beseelt von dem Wunsche eines ruhmvollen Fortlebens in der Nachwelt. Stets gewohnt, Dinge von mittelmäßigem, geschweige denn von geringem Werte zu missachten, pflege ich doch keinerlei Gelegenheit, die sich mir bietet, geringschätzig zu übersehen, wohl wissend, von welch großer Bedeutung oft die kleinsten Dinge sind. Zwar bin ich von Natur zu jedem Laster und zu jedem Bösen geneigt, doch frei von jedem Streben nach äußeren Ehren und kenne meine eigene Unfähigkeit mehr als irgendein anderer. Auch übersehe ich oft mit Absicht Gelegenheiten, die sich mir zur Befriedigung meiner Rache bieten mögen, aus einer gewissen religiösen Empfindung heraus und weil ich sehr wohl einsehe, wie lächerlich all diese Dinge sind.

      Ich bin von Natur furchtsam, habe ein kaltes Herz, aber einen heißen Kopf, bin ständig in Gedanken versunken und mit vielen und sehr großen, oft auch ganz unmöglichen und undurchführbaren Dingen beschäftigt. Auch ist mein Geist imstande, sich mit zwei verschiedenen Arbeiten zugleich zu befassen.

      Die Leute, die mir Geschwätzigkeit und maßloses Eigenlob vorwerfen, klagen mich eines Lasters an, das mir fremd ist. Ich greife niemanden an, verteidige mich nur. Und muss ich mich denn solcher Vorwürfe wegen abmühen, da ich doch oft genug versichert habe, für wie wertlos ich dies Leben halte? Was eine Entschuldigung ist, halten diese Leute für ein Selbstlob; ein so großes Ding dünkt es ihnen, einmal ohne Fehler zu sein.

      Ich habe mich daran gewöhnt, meinen Gesichtszügen unmittelbar nacheinander den ganz entgegengesetzten Ausdruck zu geben. Ich vermag auf diese Weise ein fremdes Gefühl zu heucheln, doch verstehe ich es nicht, ein Gefühl, das ich wirklich besitze, zu verbergen. Dies ist nur dann leicht, wenn es sich darum handelt, den Ausdruck der Hoffnungslosigkeit vorzutäuschen. Volle 15 Jahre lang habe ich mir die größte Mühe gegeben, mir diese Fertigkeit anzueignen, und es gelang. Zu diesem Zwecke gehe ich bald in Lumpen, bald reich geschmückt, bin jetzt schweigsam, dann wieder gesprächig, bald heiter, bald traurig; denn jede Art des Benehmens und jeden Gefühlsausdruck gebe ich sofort auch in seinem Gegenspiel wieder.

      In meinen jüngeren Jahren habe ich selten und nur wenig auf die äußere Pflege meiner Person geachtet, immer gierig besorgt, Wichtigeres zu tun. Meine Gangart ist ungleichmäßig: bald rasch, bald langsam. Zu Hause pflege ich die Beine bis zu den Knöcheln nackt zu tragen. Ich bin wenig fromm und sehr vorlaut im Reden; überaus jähzornig, sodass ich mich darob schäme und mir vor mir selber ekelt. Und wennschon ich stets bereut habe, so habe ich doch immer die schwersten Strafen des Geschicks auf mich genommen, um nur das schändlich üppige Leben eines Sardanapal80 abzubüßen, das ich in den Jahren meines Rektorats an der Universität zu Padua führte. Doch um zu meiner Schande ein Lob, zu meinem Verbrechen eine Tugend zu gesellen, füge ich hinzu, dass ich all dies mit Weisheit und Geduld getragen und stets mich zu bessern getrachtet habe. Zur Entschuldigung dieses Selbstlobs diene mir, dass ich mich gezwungen fühle, es auszusprechen. Ich wäre ja undankbar, wollte ich die gütigen Gaben Gottes verschweigen, und noch weniger darf ich doch von den Opfern reden, die ich gebracht, ohne zu erzählen, wie ich sie gebracht habe. Auch sind ja, wie ich schon gesagt, all diese Dinge durchaus nicht so hoch einzuschätzen, wie der Pöbel will; es sind wertlose und lächerliche Kleinigkeiten, sind wie die Schatten, die die untergehende Sonne wirft, groß, doch ohne Nutzen und von kurzer Dauer. Wenn man dies ohne Gehässigkeit erwägen und dazu überlegen wollte, warum es mir nicht erlaubt sein soll, auszuführen, mit welcher Gesinnung, unter welchem Druck und Zwang der Verhältnisse ich meine Fehler beging und wie viele Schmerzen mir alle diese Dinge schon bereitet haben; wenn man weiter bedenken wollte, dass andere Menschen, ohne dem geringsten Zwang zu unterstehen, viel schwerere Sünden als diese begangen haben, ohne sie zu bekennen, weder vor sich, noch öffentlich vor anderen, dass diese Leute ferner empfangene Wohltaten weder dankbar erwähnen, noch auch überhaupt ihrer gedenken, so würde man mich vielleicht etwas billiger beurteilen.

      Doch fahren wir fort. Als eine eigenartige und große Untugend empfinde und betrachte ich es, dass ich gewohnt bin, lieber gar nichts zu reden, als etwas, was meinen Zuhörern missfallen könnte. Doch beharre ich in diesem Fehler mit Wissen und Willen, denn ich weiß sehr wohl, wie oft schon diese Sitte allein mir Feinde versöhnt und gewonnen hat. So viel vermag natürliche Anlage, wenn sie mit langer Gewohnheit verbunden ist. Meinen Wohltätern, auch angesehenen und mächtigen Leuten gegenüber unterlasse ich dies. Ich will kein Speichellecker, nicht einmal ein Schmeichler sein.

      Auch im Handeln bin ich vorlaut und unbesonnen, wennschon ich sehr wohl weiß, was zu tun mir nützlich und schicklich wäre. Aber kaum wird man einen Menschen finden können, der so hartnäckig in diesem Fehler steckt wie ich. Ich lebe auch gerne und so viel ich kann in der Einsamkeit, obwohl mir bekannt ist, dass Aristoteles diese Lebensart verurteilt. Er sagt nämlich: »Der Einsiedler wird entweder zum Tier oder zum Gott.« Und den Beweis für die Wahrheit dieser Lehre habe ich selbst erbracht. Ein ähnlicher Wahnwitz, der mir nicht minder schadet, ist es, dass ich Diener bei mir zu behalten pflege, von denen ich ganz bestimmt weiß, dass sie nicht bloß mir nutzlos, sondern auch meinem guten Namen schädlich sind – ebenso, wie ich auch Tiere, die ich irgendeinmal zum Geschenk erhalten habe, wie Ziegenböckchen, Schafe, Hasen, Kaninchen, Störche, um mich behalte, sodass ihr Gestank das ganze Haus verpestet.

      Auch habe ich immer unter dem Mangel an Freunden, besonders an treuen, sehr gelitten. Und viele, ja überaus viele Fehler habe ich dadurch begangen, dass ich mich überall in alle Dinge, von denen ich erfuhr, in wichtige

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