Achtsamkeitscoaching. Günther Mohr

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Achtsamkeitscoaching - Günther Mohr EHP-Praxis

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ohne die redaktionelle Arbeit von Sabine Hedewig-Mohr.

      Vorwort

      Achtsamkeit fußt auf der Begeisterung für das Kunstwerk des Lebens und der Bereitschaft, daran zu bauen, es zu erweitern, Zeit darin zu investieren. Achtsamkeit geht über die pure Wahrnehmung hinaus. Sie macht das Wesentliche in uns und um uns präsent. Wie man ihr auf die Spur kommt, kann man lernen. Man kann sich selbst coachen, um zur Achtsamkeit zu finden. Mit dem vorliegenden Buch erhalten Sie eine Unterstützung auf dem Weg Ihrer persönlichen Entwicklung. Es lehrt die Haltung der Achtsamkeit auf der Basis eines praktischen Persönlichkeitsbildes. Viele Menschen kommen irgendwann an einen Punkt, an dem sie ihr wirkliches Potenzial kennen lernen und entfalten wollen. Im Coaching fragen mich meine Klienten, wie sie ihre Ressourcen, ihr Potenzial, ihre eigene Genialität erkennen und nutzen können. Wie können sie sich vor Burn-out schützen? Wie können sie Zufriedenheit erlangen? Um an dieser Stelle Unterstützung zu geben, habe ich dieses Buch geschrieben. Ansprechen möchte ich Menschen, die sich in einem Entwicklungs- und Veränderungsprozess befinden, sowie Berater und Coaches, die mit ihren Klienten an diesen Themen arbeiten. Coaching wird als eine Haltung der intelligenten und ganzheitlichen Begleitung anderer Menschen verstanden. Dies fußt in erster Linie auf einer guten Selbstachtsamkeit und Selbstbegleitung. Das Coaching anderer baut darauf auf. Ich kann andere nur gut begleiten, wenn ich mich selbst erkennen und achten kann. Die Selbstbegleitung ist dabei keinesfalls trivial, wie es der Psychotherapeut und KZ-Überlebende Viktor Frankl einmal auf den Punkt gebracht hat: »Ich muss mir doch nicht alles von mir gefallen lassen.« Sie ist auch eine deutliche Abkehr von der Einstellung, wie sie Udo Lindenberg besingt: »Eigentlich bin ich ganz anders, ich komme nur viel zu selten dazu.« Wenn man immer die Umstände und andere verantwortlich macht, ist man zwar gut beschäftigt, bleibt aber in der Opferhaltung. Wenn man sich selbst allerdings mit den anstehenden Themen konfrontiert und auseinandersetzt, findet Entwicklung im Persönlichen statt. Im Mittelpunkt des hier dargestellten Konzeptes steht die Treppe der Aufmerksamkeit. Wer sich auf allen Stufen den aufkommenden Fragen stellt und Aufmerksamkeit in Achtsamkeit verwandelt, findet seinen Weg. Darin kommt der systemische Ansatz zum Tragen, der davon ausgeht, dass wir durch die Lenkung unserer Aufmerksamkeit unser Leben steuern können.

      Das Buch vermittelt eine Haltung der Achtsamkeit, der ein praktisches Persönlichkeitsbild zugrunde liegt, und füllt damit eine aktuelle Lücke zwischen den eher wissenschaftlich orientierten und den mehr im Therapeutischen oder Buddhistischen verwurzelten Beiträgen zur Achtsamkeit.

       Günther Mohr, Oktober 2013

      I. Aufmerksamkeit und Achtsamkeit

      Der Mensch ist Aufmerksamkeit, vom ersten Augenblick seines Lebens an. Aufmerksamkeit war da, bevor sie uns bewusst wurde. Unsere Sinnesorgane sind von Anfang an auf Empfang gestellt. Wir haben unser Leben in einer gemeinsamen Aufmerksamkeit mit anderen Menschen, meist unseren Eltern, begonnen und waren sogar einige Jahre absolut von deren Aufmerksamkeit abhängig. Erst langsam haben wir gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen und uns individuell zu spüren und zu steuern. Aufmerksamkeit ist das kostbarste Gut des Menschen. So hat es der Philosoph Wilhelm Schmid formuliert (Schmid 2007). Aber sie stellt keine Eigenschaft oder besondere Fähigkeit dar. Sie ist ständig vorhanden, ob man will oder nicht. Aufmerksamkeit ist die Grundeinheit der Lenkung der mentalen und aktionsbezogenen Kräfte des Menschen (Mohr 2006). Dort, wo die Aufmerksamkeit hingelenkt wird, findet die Welt für einen Menschen statt.

      Achtsamkeit ist das Gewahrwerden der Aufmerksamkeit ohne Wertung bei gleichzeitig gutem und sinnvollem Steuern. Steuern bedeutet ein Einladen und Schaffen von Bedingungen, die Achtsamkeit ermöglichen. Achtsamkeit wird dadurch zum Schritt auf dem Weg zur inneren Ruhe und zu einem integrativen Selbst. Die Erkenntnisse westlicher Wissenschaft sowie östlicher und westlicher Weisheitslehren lassen ein Konzept entstehen, das insgesamt sechs Perspektiven der Aufmerksamkeit unterscheidet. Es übt den Blick auf das Zusammenwirken dieser verschiedenen Ebenen und lässt sie in guter Weise nützlich werden. Vor allem der »nondualen« (nicht trennenden, nicht wertenden, sondern verbindenden) Ebene der Aufmerksamkeit, auf der die Gedanken ruhen und innere Stille entsteht, kommt vor dem Hintergrund einer immer stressigeren und komplexeren Lebensgestaltung eine zentrale Bedeutung zu. Sie birgt entscheidende Kräfte wie Kreativität und Lösungsstärke. Und sie lässt die körperliche Aufmerksamkeit, die Gefühle, das Denken, das eigene Persönlichkeitsselbstbild ebenso wie die transgenerationale Ebene, die familiären, kultur- und milieubezogenen Wurzeln, zur guten Entfaltung kommen. Das Wissen um die verschiedenen Ebenen hilft Menschen, ihre Persönlichkeit zu erkennen und Wege zur Veränderung zu finden.

       1. Die Treppe der Aufmerksamkeit

      Abb. 1: Die Treppe der Aufmerksamkeit

      Ich möchte die Ebenen der Treppe der Aufmerksamkeit kurz von unten nach oben erläutern, da sie sich in der menschlichen Entwicklung normalerweise in dieser Reihenfolge zunehmend offenbaren und damit der stetigen Erweiterung der Bewusstseinsperspektive dienen. Später im Buch werden die Möglichkeiten der einzelnen Ebenen detailliert dargestellt.

      Das körperliche Bewusstsein ist entwicklungspsychologisch die erste Wahrnehmung im Leben eines Menschen. Dieses Bewusstsein bleibt in der Regel das ganze Leben lang erhalten. Vielleicht unterscheiden wir zunächst nur kalt und warm, schmerzhaft und schmerzlos, hungrig und satt. Das körperliche Bewusstsein differenziert sich weiter aus und begleitet uns unser ganzes Leben.

      Körperliche Aufmerksamkeit

      Aufwachsen, Ernährung, körperliches Befinden, Krankheiten, Schmerzen, Sport, Altern, …

      Der Körper ist die biologische Grundlage des menschlichen Lebens und damit wesentliche Voraussetzung für Aufmerksamkeit. Der Körper ist vor allem am Beginn und am Ende des Lebens sehr zentral. Und die gesamte Art, wie die Spezies Mensch ihre Welt erfasst, ist durch ihre spezifischen Sinnessorgane und die typische Informationsverarbeitung des Gehirns, beides körperliche Bedingungen, bestimmt. Unsere Welt existiert in dieser Form nur für uns Menschen.

      Emotionale Aufmerksamkeit

      Differenzierung der Gefühle, Stimmungen aus persönlichen, biografischen Erlebnissen, aktuelle Gefühlsreaktionen, …

      Als zweites folgt die emotionale Aufmerksamkeit, die Gefühle. Aus der anfänglich noch von der körperlichen Verfassung bestimmten Einordnung »angenehm« und »unangenehm« differenziert sich die weitere Aufmerksamkeitsebene, die der Gefühle wie Freude, Trauer und Ärger heraus. Einzelne davon werden uns mehr vertraut als andere. Dies macht bald einen Teil des Typischen im Ausdruck des jeweiligen Menschen aus.

      Denkerische Aufmerksamkeit

      Logik und Regeln, Rollenebene, Auftreten auf den Alltagsbühnen des Lebens wie Beruf, Partnerschaft oder Erziehung nach deren jeweiligen Spielregeln, …

      Mit der Sprache entwickelt sich rationale, denkerische Kompetenz. Denken ist dann die Verknüpfung einzelner Ereignisse und Aspekte miteinander. Das Verbinden gemachter Erfahrungen mit aktuell anstehenden Aufgaben bildet den Kern dieser Aufmerksamkeitsebene.

      Ich-Konstrukt-Aufmerksamkeit

      Selbstbild, Persönlichkeitsausdruck, Bezugsrahmen, Lebensskript, …

      Durch wachsende Erfahrung mit sich selbst und mit dem, wie andere auf einen reagieren, werden bald Schlussfolgerungen über das Leben gezogen. Der Ich-Gedanke ist die große Zäsur. Die Eltern freuen sich, wenn das Kind nicht mehr in der dritten Person von sich spricht, sondern »Ich« sagt. Es beginnt der entscheidende Prozess der Schlussfolgerungen über die eigene Person und andere. Der kleine Mensch macht sich einen fundamentalen Reim auf die Welt, auf alles, was er erlebt. Alfred Adler spricht von der »Lebensleitlinie«

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