Mehrsprachigkeiten (E-Book). Dagmar Bach
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Das schliesst nicht aus, dass sprachformale Korrektheit auch bei elaboriertem Feedback eine Rolle spielen kann. Es ist durchaus denkbar, dass in einer Patientenakte beispielsweise falsche Dosierungen angegeben sind: Korrektheit ist in einem solchen Fall nicht bloss eine Konvention, sondern eine Notwendigkeit.
Über die verschiedenen Schulstufen hinweg ist zu beobachten, dass normative Erwartungen der Lehrenden vor allem hinsichtlich sprachformaler Korrektheit zunehmen und teilweise kommunikative oder auch inhaltliche Aspekte überlagern beziehungsweise sogar verdrängen (Boscolo 2012). Entsprechend geht dies mit korrektivem Feedback einher; damit wird aber auch bei den Lernenden die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf Oberflächenmerkmale gelenkt. Sie lernen so zwar, korrektere Texte zu verfassen, nicht aber wirkungsvollere – ein Befund, der Lernende mit Deutsch als Erst-, Zweit- oder Fremdsprache gleichermassen betrifft, wie bereits in Abschnitt 2.1 ausgeführt wurde.
3 Schreiben als Denkwerkzeug
Wie zu Beginn erwähnt, werden Lernjournale bereits in der Primar- oder Sekundarstufe I eingesetzt und kommen besonders in Berufsfachschulen häufig zur Anwendung, oft in Form von Lerndokumentationen. Aber auch andere Formen des schreibenden Lernens sind anzutreffen, so etwa bei Zusammenfassungen, Concept-Maps oder schriftlichen Notizen im Rahmen von Recherchen, Leseaufträgen u. a. Zentrales Ziel dabei ist immer, dass das fachliche Lernen bzw. Lesen unterstützt und vorangebracht wird.
Lernjournale sind Schreibaufgaben, die – so Hübner, Nückles und Renkl (2010) – kognitive wie auch metakognitive Lernstrategien herausfordern und fördern können. Sie werden hauptsächlich nach einer Lektion oder auch nach mehreren zusammenhängenden Lektionen eingesetzt. Wie Hübner u. a. (2010, S. 21) betonen, haben Lernjournale keinen bestimmten Aufbau, da die Lernenden den Gegenstand ihrer Reflexion frei wählen und nach ihrem Gutdünken darstellen sollen. Aus diesem Grund sei eine umfangreiche Einführung in das Führen eines Lernjournals nicht notwendig, insbesondere nicht in Bezug auf die sprachliche Umsetzung.
Damit Lernjournale insgesamt gewinnbringend sind, müssen die Lernenden deren Funktion verstehen und mit geeigneten Impulsen zur Reflexion animiert werden. Ein solcher Impuls kann die Lernenden auffordern, über Beispiele oder Erfahrungen nachzudenken, die den Inhalt der Lektion bestätigen oder auch infrage stellen (Hübner u. a. 2010, S. 23). Vor allem metakognitive Impulse wie «Welche zentralen Aspekte habe ich bereits oder noch nicht verstanden?» wirken sich positiv aus, wie Bangert-Drowns, Hurley und Wilkinson (2004) allgemein für das schreibende Lernen zeigen.
Es sei erwähnt, dass Hübner u. a. (2010) ihre Intervention mit Gymnasiast*innen durchführten, die tendenziell über hohe sprachliche Fähigkeiten verfügen. Es ist damit zu rechnen, dass bei jüngeren Schüler*innen und bei solchen mit eher wenig ausgebauten sprachlichen Fähigkeiten eine umfangreichere Einführung sowie das Vermitteln von Redemitteln, die zu den Impulsen passen, nicht nur sinnvoll, sondern möglicherweise notwendig ist.
Eine Studie zu digitalen Lernjournalen bei Berufsschüler*innen belegt: Digitale Tools führen nicht dazu, dass die Lernenden ausführlichere Reflexionen verfassen; Impulse sind nach wie vor notwendig; vor allem Rückmeldungen durch Supervisor*innen führen zu einer grösseren Akzeptanz und damit auch zu einer intensiveren Nutzung (Mauroux u. a. 2014).
4 Fazit – Lehrende öffnen Türen für Mehr- und Einsprachige
Schreiben im Übergang von der Sekundarstufe I zu weiterführenden Schulen, insbesondere zu Berufsfachschulen, kann als eine Phase der Schreibentwicklung betrachtet werden, in der die literale Enkulturation, das Hineinwachsen in eine berufliche Gemeinschaft mit bestimmten literalen Praktiken eine zentrale Rolle spielen. Wie Lehr- und Lernarrangements gestaltet sein müssen, um diese Enkulturation zu unterstützen, ist eine weitgehend noch offene Frage. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Merkmale einer Gemeinschaft – dazu zählen die Rollen der Mitglieder, die Funktion der Gemeinschaft oder die damit verbundenen prototypischen Schreibsituationen – im Rahmen der Arrangements zu modellieren sind. Das bedingt zunächst eine aktivere Rolle der Lehrperson, indem sie als Modell fungiert, während die Lernenden, unabhängig von ihrem persönlichen sprachlichen Hintergrund, zunächst beobachten, ein kognitives und doch handlungsleitendes Modell aufbauen und zunehmend selbstständiger wie auch zielführender Aufgaben bearbeiten können. Ähnliches gilt für das schreibende Lernen von Ein- und Mehrsprachigen, das nicht isoliert vom beruflichen Kontext zu denken ist.
Literatur
Bangert-Drowns, Robert L.; Hurley, Michael M.; Wilkinson, Barbara (2004). The Effects of School-Based Writing-to-Learn Interventions on Academic Achievement: A Meta-Analysis. Review of Educational Research, 74(1), 29–58.
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Boscolo, Pietro (2012). Teacher-Based Writing Research. In: Berninger, Virginia (Hrsg.). Past, Present, and Future Contributions of Cognitive Writing Research to Cognitive Psychology (S. 61–86). New York/London: Psychology Press.
Collins, Allan A. (2005). Cognitive Apprenticeship. In: Sawyer, Roger K. (Hrsg.). The Cambridge Handbook of the Learning Sciences (S. 47–60). New York: Cambridge University Press.
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