Systemische Organisationsanalyse. Günther Mohr

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Systemische Organisationsanalyse - Günther Mohr

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ist, bleibt unberücksichtigt. [»KÄSTCHEN« DES ORGANIGRAMMS] Ob also die betriebswirtschaftlichen Zahlenkolonnen für das Unternehmen gute Abbildungen sind, ist fraglich. Dennoch, interne und externe Revisoren, Controller, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater und Analysten, alle schauen auf die Magie einer recht überschaubaren Reihe von Zahlen. Eine Lösung wird häufig in derselben Logik gesehen: Man kreiert noch mehr Zahlen. »Kennzahlen müssen her«, heißt dann die Devise. Der Effekt ist, man erfasst noch mehr desselben. Dynamische und qualitative Aspekte bleiben weiter außen vor. Es gilt eine bessere Landkarte für Unternehmenssysteme zu finden.

      [KRISE DES BENCHMARKING] Auch die bisher herrschenden deutlich auf die Aufbaustrukturen ausgerichteten Beschreibungen für Unternehmen wie die Kästchen des Organigramms haben sich als wenig aussagefähig erwiesen. Sie geben scheinbar ein vergleichbares Bild einzelner Teile des Unternehmens wieder. Beunruhigenderweise scheint es keine idealtypische Organisationsform zu geben. Die Methode des Benchmarking kommt in die Krise. Das Schielen nach dem anderen, dem Optimalen ist nur eine Kerze im Nebel der Komplexität. Der Erfolg einer Organisation scheint relativ unabhängig von beispielsweise Zentralisierung oder Dezentralisierung zu sein. Wirkliche Entwicklungen in eine erfolgreiche oder nicht erfolgreiche Richtung liegen nicht auf dieser Ebene. Viel interessanter ist: Wie kommt die Struktur zustande und welche Dynamiken stehen dahinter?

       Spürbare Dimensionen

      In Bezug auf Organisationssysteme gilt es, die für die Menschen wirksamen Dimensionen zu erfassen. [DIE LEBENSENERGIE EINES UNTERNEHMENS] Die hier vorgestellten Dimensionen richten dabei den Fokus auf die tatsächliche Situation der Lebensenergie eines Unternehmens. Es geht um die für Menschen direkt spürbaren, erfahrbaren und dadurch entscheidenden Fragen:

      – Worauf richten die Menschen tatsächlich ihre Energie und Aufmerksamkeit?

      – Wie wirken sich die Menschen und die Beziehungen aus?

      – Wie schafft die Firma die Verbindung zu den Bewegkräften der Menschen?

      – Wie geht man mit veränderten Szenarien um?

       Bewegungskräfte

      Die zentralen Aspekte einer Unternehmensorganisation sind die Bewegungskräfte. Struktur, Abläufe und Dimensionen der »weichen Daten«(wie Kultur, Kommunikation, Leistungsmotivation) sind nicht statisch, sondern in Bewegung begriffen. Deshalb sind hier dynamische Kräfte am Werk. Dynamik zeigt Lebendigkeit an. [DYNAMISCHE DIMENSIONEN] Dabei bedeutet Dynamik keineswegs hektisches Zappeln und Strampeln. Sie kann eine ruhige, kraftvolle Bewegung sein. Sie kann aber auch eine schnelle Veränderung sein. Egal ob es sich um ein Großunternehmen, einen Handwerksbetrieb, eine politische Partei oder einen Fußballverein handelt, bestimmte Dynamiken sind im inneren Zusammenspiel immer wirksam. Die entscheidende Frage ist, wie auf ein Unternehmenssystem so Einfluss genommen werden kann, dass die Menschen tatsächlich ihre Ziele und Werte mit denen des Unternehmens verbinden können.

      Das Wort »Unternehmen« bezeichnet schon das Gegenteil von Stillstand. Es sollte etwas »unternommen« und nicht »unterlassen« werden. Die dynamischen Dimensionen im Organisationssystem betreffen das tatsächlich gelebte Leben in Unternehmen. Wohin wird die Aufmerksamkeit der Unternehmensangehörigen gelenkt? [LENKUNG DER AUFMERKSAMKEIT] Dies wird häufig im Kontrast der großen strategischen Vorgabe und dem konkreten Handeln – beispielsweise eines Mitarbeiters im direkten Kundenkontakt vor Ort – deutlich. So befassen sich Unternehmenslenker wie Vorstände und Geschäftsführer statistisch gesehen sehr viel mit taktisch-politischen Einzelfragen. Dabei machen diese nur ca. zehn Prozent des Erfolges aus, während die strategische Gesamtausrichtung zu fast 70 Prozent den Erfolg bestimmt (Schwaninger 2001).

      Dynamiken sind das, was ständig lebendig und in Veränderung begriffen ist. Dadurch liegen stetige Aufgabenfelder vor. Dies macht auch Führung zu einem kontinuierlichen Prozess der Einflussnahme auf dynamische Vorgänge. [DYNAMIKEN ALS FRÜHINDIKATOREN] Denn die Dynamiken haben einen entscheidenden Einfluss auf die betriebswirtschaftliche Zahlenebene. In lebenden Systemen gibt es immer eine Entwicklungsgeschichte und einen Trend der Entwicklung. Jedoch werden Unternehmen noch von Menschen gemacht. Es sind Menschen, die außer zu dem System Unternehmen auch zu anderen Systemen gehören. Aber auch viele Führungskräfte haben die Grundaufgabe ihres »Berufes Führungskraft« noch nicht bemerkt. [DER BERUF FÜHRUNGSKRAFT] Sie besteht im aktiven, stetigen Bemühen, eine größtmögliche Überschneidung der Ziele der Menschen mit den Zielen des Unternehmenssystems zu erreichen.

       Kontext erzeugt Verhalten

      Für Organisationen ist ein weiteres Phänomen wichtig. Eine Gruppe von Menschen zeigt nur dann ein bestimmtes Verhaltensmuster, wenn sie in einem bestimmten Kontext zusammenkommt. [DIE VERHAKTE VORSTANDSCREW] So verhakte sich eine Vorstandscrew regelmäßig in einem destruktiven Kommunikationsmuster, wenn sie in ihrem gediegenen »11. Stock« tagte. Als diese Vorstandsmitglieder einmal in einer völlig anderen Umgebung andere Aufgaben zu bewältigen hatten, zeigte sich ihre Kommunikation kurzzeitig kreativ und lösungsorientiert. Zurückgekehrt in den üblichen Kontext waren sie jedoch sofort wieder im alten Fahrwasser.

      Auch ein berühmtes sozialpsychologisches Experiment von Philip Zimbardo zeigte die Kraft des Systems. [EIN EXPERIMENT] Er installierte im psychologischen Institut der Universität auf einer Etage ein simuliertes Gefängnis. Eine Gruppe von Studenten wurde als »Gefangene« deklariert, eine andere als »Wärter«. Das Experiment war für eine Dauer von einer Woche geplant. Zimbardo musste es nach vier Tagen abbrechen, weil die »Wärter« begonnen hatten, die »Gefangenen« körperlich zu bestrafen und anzugreifen. Daraufhin wurden Zimbardo methodische Fehler vorgeworfen. Er habe die Auswahl der »Gefangenen« und der »Wärter« nicht genügend nach dem Zufallsprinzip organisiert. Das Ergebnis sei das Resultat methodischer Fehler. Zimbardo gab nicht auf. Er korrigierte die kritisierten Punkte und begann das Experiment nach einem Jahr noch einmal. Diesmal musste er nach viereinhalb Tagen das Experiment beenden. Der Grund war der gleiche wie beim ersten Mal. Das Experiment zeigt eindeutig die Bedeutung des Kontextes für das Verhalten. Und mit dem Kontext ist meist die Installierung bestimmter Rollen aufs Engste verbunden.

       Produziertes Gut und Systemdynamiken

      Systemdynamiken werden in einem Zusammenspiel der verschiedenen Kraftfelder in einem System erzeugt. [DAS PRODUZIERTE GUT BEEINFLUSST DIE SYSTEMDYNAMIK] Dies passiert gerade im Organisationssystem. Wie die Systemdynamiken sich konkret ausformen, hängt natürlich auch vom»produzierten Gut« ab. Das Gefängnisexperiment von Zimbardo macht dies sehr deutlich. Aber auch in anderen Branchen nimmt der »Charakter« der produzierten Güter starken Einfluss auf die Prozesse. Es gibt dabei sogar interessante Parallelen. So ist der Umgang mit dem Thema Sicherheit und Kontrolle in einer Drogenklinik und in einer Bank recht ähnlich. In der Drogenklinik ist man permanent auf der Hut, Regelverstöße innerhalb der Klinik aufzuspüren, die mit Drogenmissbrauch in Zusammenhang stehen. In der Bank ist man permanent auf der Hut, Vergehen im Zusammenhang mit Geld und Geldtransaktionen aufzuspüren. Beide Male steht nämlich die Glaubwürdigkeit des produzierten Gutes Vertrauen auf dem Spiel.

       Interne und externe Wirkungsweise

      Die zunächst interne Wirkungsweise von Systemdynamiken ist interessant, obwohl der offizielle Zweck unternehmerischer Systeme in der Regel auf einen Markt gerichtet ist, der außerhalb des Unternehmens liegt. [INTERNE UND EXTERNE PERSPEKTIVE] Dass die Abgrenzung zwischen innen und außen nicht immer so ganz einfach und eindeutig ist, wird die Betrachtung der Dynamik »Systempulsation« (Kapitel 5) zeigen. Die Leistungsfähigkeit des Unternehmens nach außen wird zwar durch seine internen Dynamiken bestimmt. Dabei ist aber der Abbildungsprozess der äußeren Faktoren im Inneren ein wichtiger Aspekt. Daraus resultiert dann die Leistungsfähigkeit des Unternehmens bezüglich Kriterien wie Marktleistung, aber auch bezüglich des Outputs

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