Systemisches Coaching. Bernd Schmid

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Systemisches Coaching - Bernd Schmid

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Antithesen zum »Sei-perfekt-Antreiber«

      In der Transaktionsanalyse wurde die Intervention der »Erlauber« entwickelt. In der Coachingbeziehung wird eine Haltung eingenommen, die es dem Gegenüber ermöglicht, bestimmte Glaubenssätze (z.B.: Ich muss Perfektes leisten) aus einer fürsorglichen Position heraus aufzulösen. Die Glaubenssätze des »Sei-perfekt-Antreibers« lauten: »Ich bin nur dann OK, wenn ich perfekt bin« oder »Ich muss perfekt sein«, statt »Ich darf mein Bestes geben und das ist OK« oder »Nur durch meine Leistung kann ich wertvoll sein«, »Ich bin wertvoll durch das, was ich bin«.

      Aus systemischer Perspektive handelt es sich bei Erlaubern um Botschaften, die diese Logik und ihre Verknüpfungen umkehren. Sie stellen damit Lösungen 2. Ordnung der Antreiberlogiken dar. Für den »Sei-perfekt-Antreiber« lautet die Umkehrung der Antreiber-Glaubenssätze: »Du bist wertvoll und liebenswert und ich schätze auch, dass du etwas leistest und dich bemühst, das Beste zu geben.« Eine erleichternde Botschaft an sich selbst lautet: »Ich darf auch Fehler machen und daraus lernen.«

      Ein Problem ist, dass oft Mitmenschen die »erlösende« Botschaft ahnen, aber nicht realisieren, was an Tugenden in der »Sei-perfekt«-Dynamik enthalten ist. Der Perfektionist, dem die Einstellung »Lass doch mal Fünfe gerade sein« empfohlen wird, fühlt sich in seinem Sinn für Komplexität und seinem Streben nach Vollkommenheit nicht verstanden. Beides ist für ihn aber wesensgemäß und daher wichtig für das Gefühl, angemessen anerkannt zu werden. Es zeigt sich zwar als übertriebene Tugend, die damit zum Laster wird, entspricht aber dennoch einer wesensgemäßen Haltung. Allein die Erlaubnis zu geben, »Du brauchst nicht so perfekt zu sein« wäre daher keine hilfreiche Beziehungsantwort für Perfektionisten. Leicht ankoppeln können dagegen Mitmenschen, die aus einer Wertschätzung heraus das Bemühen um Genauigkeit als Dienst am Menschen und einer besseren Welt würdigen können.

      Im Kontakt mit dem Perfektionisten entsteht aber eben leicht ein Nicht-OK-Gefühl, aus dem heraus man nicht die Souveränität hat, ihn in seiner – wenn auch unerlöst erscheinenden – Tugend zu würdigen. Im eigenen OK-Gefühl angekratzt, versucht man, ihn den eigenen Vorstellungen von Beziehung zu unterwerfen oder zumindest in der vorgetragenen Überlegenheit zu demontieren. Notwendig ist aber eine liebende Haltung und die Würdigung der Wesensart des Perfektionisten.

      1.2.5 Ressourcen des »Sei-perfekt-Antreibers«

      Wie oben bereits angeklungen, haben Perfektionisten einen Sinn für Vollkommenheit. Sie sind in der Regel, was ihren Lebensvollzug und ihr Denken anbelangt, sehr gut organisiert und können beispielsweise leicht komplexe Systeme begreifen oder bedienen. Bei der Flugsicherung und im Operationssaal etwa wünscht man sich Personen dieses Schlages. Wichtig ist darauf zu achten, dass sie diese Tugend in Dingen leben, die ihnen wichtig sind, und in einem Maß, dass sie dabei in ihrer Menschlichkeit nicht verloren gehen.

      1.2.6 Konterdynamik: »Alles egal«

      Von Konterdynamik spricht man, wenn sich jemand zwar an der Logik einer Dynamik ausrichtet, aber versucht, ihr durch verneinendes Verhalten auszuweichen. Zyniker sind z.B. oft hoffnungslose Idealisten. Perfektionisten flüchten sich gelegentlich in »Alles egal«-Haltungen, wenn sie den Versuch, durch Perfektsein zu wesensgemäßer Würdigung zu kommen, aufgeben. Sie bilden dann eher Gegenpole zu »aktiven« Perfektionisten und ziehen deren »Förderung« oder Kritik bezüglich Ansprüche und Leistung auf sich. Beide sind sich jedoch ähnlich und profitieren von den gleichen Antithesen.

      1.3 Antreiber 2: »Ich bin OK, wenn ich stark bin!«

      1.3.1 Erkennungsmerkmale

      Menschen in dieser Dynamik versuchen innere Bewegtheit zu verbergen. Sie verwenden Sprache und Sprechweise, um eigene Stärke und Unangreifbarkeit zu vermitteln. Es scheint, als gingen sie zur eigenen Empfindsamkeit und der anderer auf Distanz. Sie erwecken einen eher angespannten Eindruck, als wollten sie ihre Umgebung im Auge behalten um jederzeit »gewappnet« zu sein. Sie tun dies u.a. durch aufrechte Haltung, etwas maskenhafte Gesichtszüge, gelegentlich monotone Stimme und Gestik.

      1.3.2 Soziale Diagnose

      Der »Sei-stark-Antreiber« führt dazu, dass sich die Mitspieler unter Druck gesetzt fühlen, evtl. Angst bekommen oder wütend werden. Sie treten ein in eine Szene, in der es um Kampf, Kontrolle und Überlegenheit geht. Manche Mitspieler/innen kämpfen mit, antworten mit Gegenkontrolle, andere ziehen sich ängstlich zurück oder beschwichtigen. Die Beziehungswirklichkeit, in die Mitspieler/innen eingeladen werden, lautet: »Wer nicht aufpasst, wird verlieren, sich unterwerfen oder kontrollieren lassen und jede muss dafür sorgen, dass sie es nicht ist.« Es handelt sich also um ein Beziehungs-Nullsummenspiel, bei dem die eine verliert, wenn die andere gewinnt. Man fühlt sich in Konkurrenz als distanzierenden »Kampf gegeneinander« und nicht als bezogenes »Messen aneinander« hineingezogen. Um nicht zu verlieren, möchte man sich selbst stark und ungreifbar machen. Man verliert den Impuls sich in menschlicher Begegnung erreichbar zu machen oder sich den anderen zu nähern.

      1.3.3 Emotionale Dynamik, Wirklichkeitslogik und Beziehungsmuster

      Die Angst in der »Sei-stark-Dynamik« ist es, in emotional bedeutsamen Situationen nicht stabil zu sein, wenn man sich nicht starr macht bzw. zu kollabieren, wenn man Kontrolle loslässt. Man erwartet, als Person und in den eigenen Anliegen nicht berücksichtigt zu werden, wenn man sich nicht dafür stark macht. Entsprechend schwer ist es dann, das eigene Angewiesensein auf nicht beherrschbare Menschen und Geschehnisse zu akzeptieren. Gefühlsmäßige Bezogenheit und Sich-Einlassen auf Menschen und Vorgänge ohne Kontrolle werden als Unterwerfung und Schwäche missverstanden. Von der Umwelt werden weder Verantwortung mit menschlichem Maß noch Fürsorglichkeit, sondern rücksichtloses Verhalten und harte Herausforderungen erwartet. Dies wird als (diffuse) Bedrohung erlebt, wogegen man meint, sich mit entsprechenden Haltungen schützen oder durchsetzen zu müssen.

      Mit diesen Grundannahmen kann man anderen auch gar nicht erst die Chance lassen, eigene empfindsame Anliegen zu erkennen und zu berücksichtigen. Die provozierte Kampfdynamik nährt auch dann, wenn man sich in der stärkeren Position erlebt, unterschwellige Angst, es könnte mal nicht so sein. Erlebte Berücksichtigung eigener Anliegen wird nicht als freiwilliges Entgegenkommen und Friedfertigkeit erlebt, sondern als Wirkung der eigenen Sei-stark-Dynamik: »Wäre ich nicht fit gewesen, hätte der andere mich untergekriegt.« Die Sehnsucht nach Aufgehobensein, Entgegenkommen und Fürsorge bleibt ungestillt.

      1.3.4 Antithesen zum »Sei-stark-Antreiber«

      Das Bedürfnis, anderen zu vertrauen und durchlässig zu sein und damit gute Erfahrungen zu machen, bleibt in der Antreiber-Dynamik unversorgt. Dazu, wie diesem Bedürfnis in der Sei-stark-Dynamik begegnet werden kann, gibt es aber einige Missverständnisse. Am intensivsten reagieren gefühlvolle Menschen auf »Sei-stark-Menschen«. Sie wünschen sich von ihnen, sie mögen sich doch mal fallen lassen oder Emotionen zeigen. Dies wird jedoch oft in einem emotionalen Stil verlangt, der eher nicht ihrer Wesensart entspricht, oder sie missverstehen Wünsche in dieser Weise. Sie haben oft leisere Gefühlsregungen und diskrete Arten, sich in Beziehungen einzulassen. Sie sind sich aber der Gleichwertigkeit dieses Stils nicht gewahr und meinen »mehr« bringen oder sich an den Stilen anderer messen lassen zu müssen. »Sei-stark-Menschen« nützten Situationen, in denen ohne Anspruch konkret und mit ihrem Sicherungsbedürfnis verträglich erläutert wird, was es gerade meint, sich zu öffnen und anzuvertrauen und welche Abstufungen hier möglich und erlaubt sind. Wenn einmal eine emotionale Erschütterung geschieht, ist die Verarbeitung eines solchen Erlebnisses entscheidend. Es kann als Niederlage mit nachträglichem Katzenjammer erlebt werden. Es kann auch als erleichternd erlebt werden. Allerdings

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