Einsame Klasse. Felix Lill

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Einsame Klasse - Felix Lill

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liegt kaum ein Land geografisch und kulturell weiter entfernt als Japan. Es könnte sich so verhalten wie häufig mit Medienberichten über das globale Armutsproblem. Die dargestellte Not rüttelt nicht wach und fordert nicht zu einem gründlichen Umdenken der ökonomischen und politischen Verhältnisse heraus, sondern ermöglicht dem Leser oft genug, sich in Sicherheit und Wohlergehen zu wähnen. Frei nach dem Motto: »Gott sei Dank, ganz so schlecht geht es mir ja doch nicht.« Wer Artikel über Japans Demographie der Liebe liest, dem dürfte es oft ähnlich gehen. »Die Japaner sind ja verrückt«, war einer der häufigsten Sätze, den ich von Kollegen und Freunden in Europa bei Gesprächen über meinen neuen Wohnort von Anfang an hörte. »Das muss ja einsam sein, so etwas könnte ich mir für mich nicht vorstellen«, kam mir auch einige Male zu Ohren. Und: »Die Entwicklungen sind ja gruselig, oder?« Alle Personen, die mir solche Gedanken offenbarten, dürften gewusst haben, dass die zugrundeliegende Entwicklung des Alleinseins eine Gemeinsamkeit zwischen den Metropolen in Japan und vielen, wenn nicht allen, in Europa ist. Da sich Japans Singletrend in einem deutlich weiter fortgeschrittenen Stadium befindet als jener in Deutschland, Österreich oder einem anderen westlichen Land, könnte man die Antworten, die Menschen in Japan auf diese Entwicklungen finden, als mögliches Lehrstück begreifen. Stattdessen pathologisiert man Japan oft lieber, und erklärt sich mit dieser Abgrenzung selber für normal, gesund, bei Sinnen.

      Ich roch den Torf des Talisker Storm, nahm vorsichtig einen kleinen Schluck und behielt ihn noch im Mund. Zuerst schmeckte er rauchig, wie von Herrn Tanaka beschrieben, als ginge die Bar Nocturne gerade in Flammen auf und fackelte die Holzeinrichtung ab. Mit jedem Moment, den ich das Destillat ohne zu schlucken im Mund hielt, wurde ich ihm gegenüber zutraulicher. Eine pfeffrige Würze überlagerte alsbald den Rauch. Die ließ ich sanft meine Kehle hinunterbrennen, schluckte dann und hielt einen Moment, innerlich stöhnend, still. »Herr Tanaka, darf ich fragen, ob Sie verheiratet sind?«

      »Ich bin nicht verheiratet.«

      Mich drängte es nachzufragen, ob er es gerne wäre, aber angesichts seiner knappen Reaktion traute ich mich nicht. In dieser Stadt trat ich häufig in Fettnäpfchen, fragte hartnäckig und stumpf wie ein Journalist nach, ohne zu bemerken, dass ich manchmal die Leute verschreckte. In Gesellschaft der Einsamen wollte ich es mir nicht verscherzen. »Everyone wants to be found«, flüsterte ich und bemerkte nicht gleich, dass zumindest Tanaka und vielleicht auch der Reglose neben mir das hören konnten.

      »Vielleicht ist auch dieser Satz nicht ganz wahr«, kommentierte Tanaka und verschloss die Arme hinter seinem Rücken wie ein Butler, der hin und wieder mit klugen Ratschlägen dient. Ich war verdutzt wegen dieser zurückhaltenden Radikalität, schaute runter auf meinen Whisky, den ich zu mögen begann, je länger ich mich auf ihn einließ.

      Demnach müsste ich das Ende der Beziehung mit Lena nicht als Verlust eines harmonischen Naturzustands begreifen, auch wenn ich es seit unserem letzten Telefonat kaum anders sehen konnte. Vielleicht wäre nämlich die Festlegung dessen, wie das Leben eigentlich sein sollte, schon der erste Fehler auf dem Weg zu persönlicher Zufriedenheit. Lena konnte ich auch als eine Episode im Leben betrachten, auf die weitere folgen, die sich aber genauso als letzter Teil einer Saga herausstellen könnten. Ob das Natürliche, das Grundsätzliche des sozialen Lebens nun das Alleinsein oder die Zweisamkeit ist, könnte man einfach dahingestellt lassen, sich mit der Realität abfinden, ohne sie sich immer maßschneidern zu wollen. Nur hatte ich das bisher nie getan. Selbst in meinen langen Phasen als Single, die viel länger waren als jene, die ich in einer Beziehung verbracht hatte, hatte ich immer gedacht, dass ich eigentlich einen Partner brauche, oder brauchen sollte. Wie sonst gründet man eine Familie? Wie sonst kann man diesen magischen Satz »Ich liebe dich« aufsagen? Nur was, wenn es das alles gar nicht unbedingt braucht?

      Wenn es einen Ort auf der Welt gab, um mehr darüber herauszufinden, dann war das diese Stadt. Tokio, der Ort der Alleinstehenden, die allein sind, aber möglicherweise nicht einsam. Die Herausforderungen der alternden Gesellschaft, die politischen Umwälzungen durch einen nationalistischen und merkwürdig demokratieskeptischen Premierminister, die schwindelerregend hohen Staatsschulden und die Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima – jedes davon war ein Thema, das für sich genommen aus Japan einen faszinierenden Standort für Journalisten machte. So etwas wie ein Quo vadis der Liebe aber, das war fast noch spannender. Wohl zu keinem anderen Thema der Welt gab es so viele Experten. Jeder erwachsene Mensch, mit dem ich bei meiner Recherche darüber sprechen würde, war als Quelle genauso glaubwürdig und eine Autorität wie jeder andere, jeder Gedanke deshalb genauso viel Wert. Das würde die Suche nach Antworten einerseits grenzenlos machen. Aber die Fülle an Gedanken, die dabei herauskommen konnte, musste die Arbeit wert sein.

      Vielleicht muss nicht jeder gefunden werden, vielleicht muss das auch nicht jeder wollen. In der Bar Nocturne, die wohl eines der Verstecke vor den Suchenden war, wähnte ich mich in meinem mir unlieben Alleinsein in guter Gesellschaft. Aber Tokio war größer als diese leise Kellerbar mit Hochprozentigem an der Wand und Stummen auf den Stühlen. Und die vermeintlich kühle Temperatur dieser Metropole war vielleicht ein Vorbote für einen Klimawandel in anderen Großstädten. Ich wickelte mir den Schal um, zog den Reißverschluss bis oben und stieg die Treppe hinter der Tür hinauf an die frische Luft der Tokioter Nacht. Diese Expedition könnte mich bald zum Zittern bringen.

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