Pechwinkel. Martin Arz

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gegangen.«

      »Wir hatten losen Kontakt. Man traf sich oft beim Einkaufen, vorne im Tengelmann. Dann haben wir über alte Zeiten geratscht. Nix Besonderes. Wie man es halt so macht. Im Sommer hab ich sie oft vorne am Pissoir bei den Grattlern sitzen sehen. Sie ist in schlechte Gesellschaft gekommen, die Erna.«

      »Nur weil sie bei den Obdachlosen saß?«

      »Ist das eine gute Gesellschaft? Ich denke nicht.« Zum ersten Mal lachte er ein wenig. »Sie hatte ihre Rente, und diese asozialen Schmarotzer haben sich bei ihr durchgefuttert. Na, was soll ich sagen … Ich habe sie mein Lebtag ein bis zwei Mal die Woche gesehen und dann plötzlich eben nicht mehr. Da bin ich dann zu ihr, habe geklingelt, aber es hat niemand aufgemacht. Drei Tage lang. Dann bin ich kurz vor Silvester zur Polizei. Sie hat ja sonst niemand.«

      »Waren Sie jemals bei ihr in der Wohnung?«

      »Gelegentlich. Früher öfter. Warum?«

      »Würden Sie in der Wohnung feststellen können, ob etwas fehlt, und wenn ja, was?«

      Bertram Xylander starrte den Kriminaler an, dann lachte er lauthals los. »In der Bruchbude? Von Ordnung hat die Erna noch nie viel gehalten. Aber das ist in den letzten Jahren immer schlimmer geworden. Ich kanns ja mal probieren. Aber versprechen Sie sich nicht allzu viel davon, Herr Rat.«

      Max Pfeffer ließ seinen Blick durch den Raum wandern, auch auf die Tüte neben Xylander. Die Tüte stand offen. Pfeffer entdeckte darin eine moderne Spielkonsole.

      Bertram Xylander war Pfeffers Blick gefolgt und beeilte sich zu sagen: »Das Zeug da ist für meinen Neffen. Er besucht mich öfter, und dann langweilt er sich schnell. Er hat sich das Ding gewünscht. Ich bin zu blöd für diese modernen Sachen. Das geht alles so schnell und bumm, bumm, zack, zack … Aber mein Neffe kann den ganzen Tag davor verbringen. Die Jugend halt.«

      Max Pfeffer lächelte verbindlich. »Kenn ich von meinen Jungs.«

      »Sie haben Söhne?«

      »Zwei.«

      »Wie schön. Dann haben Sie viel Remmidemmi im Haus.«

      »Es geht.« Pfeffer lächelte. »Der Ältere macht dieses Jahr Abitur und der Jüngere geht auf ein Internat in England.«

      »Wie schön.« Bertram Xylander bekam glänzende Augen. »Kinder. Das blieb mir leider versagt. Wir waren fünf Kinder zu Hause. Erst zwei. Mein Vater ist im Krieg geblieben. Meine Mutter hat später neu geheiratet. Dann waren wir fünf Kinder. Alle tot, bis auf mich. Vier blieben unverheiratet. Nur eine Halbschwester, Gott hab sie selig, hatte Nachwuchs. Ich bin nur ein alter Mann. Ich werde bestimmt so einsam sterben wie Erna.«

      »Was ist mit Ihrem Neffen?«

      »Ach der!« Xylander winkte ab. Er schwieg.

      Pfeffer fragte nach einer Weile: »Sagt Ihnen der Name Verena Klein etwas?«

      »Verena? Klar. Die besucht mich ab und zu. Sie hat mich zumindest früher oft besucht. Jetzt hat sie keine Zeit mehr, sie macht ihren Doktor. Ein liebes Kind. Oh, jetzt versteh ich.« Er lächelte verschmitzt. »Nein, Herr Rat. Die Verena hat sicher nichts mit dem Tod von Erna zu tun. Die hat sich rührend um die Erna gekümmert. Hat zwei Mal die Woche versucht, diese Müllhalde, die Erna eine Wohnung nannte, wenigstens ein bisschen in Ordnung zu bringen. Vergebene Liebesmüh.«

      »Und Sie, Herr Xylander, hätten Sie einen Grund gehabt, Erna Kubelik zu ermorden?« Zwei neue Gäste, wohlbeleibte Männer, die ihre besten Jahre schon hinter sich hatten, betraten den Raum und orderten lautstark Fleischpflanzerl und zwei Halbe.

      »Ich, Herr Rat?« Xylander keuchte ungläubig und schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht.«

      »Könnte ja sein. Vielleicht waren Sie früher mal ein Liebespaar und …«

      Der alte Mann lachte dröhnend. »Bestimmt nicht.«

      »Eine Frage noch, Herr Xylander, dann sind Sie mich los: Fällt Ihnen ein Grund ein, warum man Erna Kubelik hätte ermorden wollen? Oder fällt ihnen jemand ein, der einen Grund gehabt hätte?«

      »Nein.« Der Alte schüttelte den Kopf.

      07

      »Die Mutter Teresa der Obdachlosen?« Annabella Scholz zog die linke Augenbraue hoch. »Bei der sah es doch so aus, als hätte sie selbst eine Mutter Teresa nötig.«

      Pfeffer und seine Kollegin saßen vor dem Aroma-Café in der Pestalozzistraße in der Frühlingssonne. Die niedrigen Holzstühlchen stammten aus einer Grundschule und waren für Erwachsene absolut unbequem, aber hip. Fast alle anderen Plätze waren von Müttern mit Kleinstkindern oder von Schwangeren besetzt. Eine Armada von wild abgestellten Kinderwagen verstellte den Passanten den Weg. Pfeffer fragte sich, wie ausgerechnet aus einem Schwulenviertel ein Schwangerenviertel werden konnte. Wo noch vor zehn Jahren Schwule händchenhaltend das Straßenbild prägten, trugen heute Schwangere ihre Bäuche zur Schau. Schick gekleidete Mütter mit schicken Kinderwägen pilgerten tagsüber von einer der unzähligen neuen Latte-Macchiato-Tankstellen zur nächsten. Hatten früher in jedem frei werdenden Laden Friseure neu aufgemacht, so gab es seit einiger Zeit den Trend zum Tagescafé für Latte-Macchiato-Mütter, gerne mit angeschlossener Baby-Designermode-Boutique. Und in den restlichen Läden, in die keine Tagescafés zogen, nisteten sich ausnahmslos Architekturbüros ein, in denen dann die Männer der Latte-Macchiato-Mütter arbeiteten.

      Die Hauptkommissarin schüttete in ihren Latte Macchiato etwas Zucker nach und rührte um. Max Pfeffer zündete sich eine Zigarette an.

      »Was sagen die Kollegen?«, fragte er dann.

      »Die Küche ist wirklich der Tatort. Deine Freundin Gerda hat nun sicher festgestellt, dass die alte Frau erwürgt wurde. Also muss sie beim Umfallen gegen die Anrichte gestoßen sein, daher das Blut. Der Täter hat mit einem Schwammtuch, das wir noch im Müll gefunden haben, den Boden notdürftig gereinigt. Unprofessionell. Vermutlich in Panik schnell mal drübergewischt. Alle weiteren Laborergebnisse bekommen wir dann beizeiten. Ebenso von dem Keller. Der Spurenlage nach hast du recht, sie haben Fasern vom Seil, mit dem die Leiche verzurrt war, an der Tür zum Bach gefunden.«

      Pfeffer nickte und löffelte Milchschaum von seinem Cappuccino. »Und die Nachbarn?«

      »Gibt nur noch wenige«, fasste Annabella Scholz ihre Recherchen zusammen. »Das Haus wurde letzten Herbst verkauft und wird gerade entmietet …«

      Pfeffer stöhnte.

      »Mei, Chef, ist so, hier in der Gegend.« Sie sah wehmütig die Straße hinunter. Sie hatte vor nicht allzu langer Zeit selbst hier gewohnt, genau in dieser Straße. Sie konnte das Haus sehen. Dann war die Sache mit Levent ernster geworden, und schließlich hatten sie sich gemeinsam eine Wohnung gesucht. Manchmal bereute sie diesen Schritt. Annabella Scholz war seit einigen Jahren mit dem türkischstämmigen Schauspieler Levent Demir liiert. Sie hatten sich über einen ehemaligen Kollegen aus Pfeffers Team, der Levents Schwester Aische geheiratet hatte, kennengelernt. Demir hatte es zu gewissen Ruhm als taffer Held einer billigen Krimi-Action-Serie gebracht und war dann zum ersten »Tatort«-Kommissar mit Migrationshintergrund aufgestiegen. Seitdem bekam er immer öfter größere Rollen in TV-Produktionen, nicht selten als rassiger Liebhaber. Mit steigender Popularität ging die stetig steigende Zahl weiblicher Fans einher und damit die stetig steigende Zahl von Annabellas Eifersuchtsanfällen. Ausgerechnet jetzt, wo sie …

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