Pechwinkel. Martin Arz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Pechwinkel - Martin Arz страница 7
»Die alte Säuferin?« Alexander Degenhardt schmunzelte. »Klar sagt die mir was. Einer von Verenas Härtefällen. Hat ihre ganze Rente in Schnaps und Bier umgesetzt. Die konnte man im Sommer jeden Abend um die Häuser torkeln sehen. Und dann ihre Bude! Verena hat mich mal mitgenommen, weil ich ihr nicht glauben wollte, wie es bei der aussah. Also meiner Meinung nach am Rande des Messietums. Und gemüffelt hat es in der Wohnung. Entschuldigung. Ich rede zu viel … Sagt Verena auch immer. Was ist mit der Alten? Soweit ich mich erinnere, war Verena schon lange nicht mehr bei ihr. Sie wird, glaube ich, vermisst. Verena hat vor einigen Monaten mal so was gesagt. Verena war einigermaßen besorgt, dachte, sie sei in der Wohnung gestürzt oder so. Verena hatte den Schlüssel und wir sind zusammen hingegangen. Verena hatte Angst, alleine hinzugehen und dann am Ende über eine Leiche zu stolpern. Aber die Wohnung war leer. Also nicht leer im Sinne von leer. Das ganze Gerümpel stand noch herum. Es war halt niemand da.«
»Und?«
»Nichts und. Wir sind dann noch ein paar Mal hin. Das war nach Neujahr. Halt, wenn ich mich nicht täusche, war es das erste Mal sogar an Silvester. Und nachdem wir drei Mal niemand angetroffen hatten, hat Verena bei der Polizei eine Vermisstenanzeige aufgegeben. That’s it. Mehr hat sich nicht getan. Verena hat die ehrenamtliche Betreuung sowieso momentan auf Eis gelegt. Keine Zeit mehr. Die Dissertation geht vor. Und Sie suchen nun immer noch nach der Kubelik?«
»Nein, suchen wir nicht.«
»Oh, ich dachte, Sie sind von der Vermisstenstelle.«
»Nein.« Max Pfeffer schmunzelte. »Kripo. Ist das hier Erna Kubelik?« Pfeffer hielt dem jungen Mann das Foto hin, das er von der Pathologie bekommen hatte.
Alexander Degenhardt zog beide Augenbrauen nach oben, dann runzelte er die Stirn und sah von Annabella Scholz zu Max Pfeffer und zurück. »Verstehe.« Er nickte und schluckte. »Nehmen Sie das bitte weg. Ja, das ist sie. Sie ist also tot. Ermordet? Klar. Logisch. Sonst wären Sie nicht hier.«
Das Telefon klingelte und Alexander Degenhardt schnappte sich schon beim zweiten Läuten den Hörer. »Degenhardt? … Ja … Nein … Nein … Das war doch gestern Ihr Wunsch. Ja, das hatten wir … Ich habe noch die E-Mail … Sie haben gestern ausdrücklich … Nein … Sicher. Aber ich denke mir doch so was nicht einfach aus … Okay, natürlich … gut. Die Farben sind aus dem CI-Guide. Das sieht nur auf dem Bildschirm anders aus … Nein, das ist nur ein niedrig aufgelöstes PDF zur Bildschirmansicht. Daher … Ich kann Ihnen auch ein druckfähiges PDF schicken, wenn Ihr E-Mail-Postfach das mitmacht … 24 Megabyte … Doch, so viel … Dann war das wohl ein Kommunikationsfehler. Entschuldigen Sie … Ja, in einer Stunde … Sicher. Entschuldigen Sie nochmals.« Er drückte wütend auf die Taste mit dem roten Hörer. »Arschgesichter«, fluchte er. »Scheißdreckspack. Entschuldigung. Kunden. Gestern hü, heute hott. Und natürlich bin ich schuld, weil ich genau das umgesetzt habe, was sie gestern noch wollten. Heute ist genau das Gegenteil angesagt. Hätte ich riechen müssen. Sieht sowieso schon scheiße genug aus, weil da wieder Menschen in Marketingabteilungen sitzen, die keine Ahnung von irgendwas haben. Wissen Sie, warum die deutsche Werbung oft so beschissen ist? An uns Kreativen liegts jedenfalls definitiv nicht. Debiles Gesindel. Entschuldigen Sie.«
»Freiberufler«, sagte Annabella Scholz mitfühlend.
»Sie sagen es. Ja, die alte Kubelik. Also ermordet. Mein Gott. Haben Sie schon den Täter? Ach, was rede ich, sonst wären Sie ja nicht hier.« Er riss die Augen auf. »Denken Sie etwa, die Verena hätte … Absurd!«
»Warum?«, fragte Max Pfeffer.
»Weil sie … Also, sie hätte doch keinen Grund gehabt. Sie hat der Alten ab und an geholfen. Hat für sie eingekauft und versucht, das Chaos in der Wohnung zu bewältigen. Deshalb bringt man niemanden um. Für meine Verena lege ich die Hand ins Feuer. Die könnte keiner Fliege was zuleide tun. Sie studiert Kunstgeschichte und nicht … äh … da fällt mir jetzt kein passender Vergleich ein. Fragen Sie doch lieber mal die ganzen Penner, mit denen die Alte immer gesoffen hat. Gleich gegenüber. Am Holzplatz. Sie wissen schon, direkt vor dem alten Pissoir stehen die Bänke, auf denen sich immer die Penner, ’tschuldigung, die Obdachlosen sammeln.«
»Sie entschuldigen sich oft, Herr Degenhardt«, sagte Pfeffer.
»Ich weiß, ’tschuldigung.« Er lachte trocken. »Berufskrankheit. Als freier Grafiker muss man sich schnellstmöglich das Rückgrat rausoperieren lassen.«
»Sie haben noch den Schlüssel zu Erna Kubeliks Wohnung?«, fragte Pfeffer. Degenhardt nickte. »Gut, den geben Sie uns bitte mit. Und sagen Sie Ihrer Freundin, sie soll sich bei uns melden.«
05
Alexander Degenhardt hatte übertrieben. Nicht sehr viel, aber dennoch übertrieben. Die Wohnung der Toten machte einen völlig verwahrlosten Eindruck am Rande des Messietums. Aber es stapelte sich kein Müll in den Räumen, durch den nur Trampelpfade hindurchführten. Keine vergammelten Essensreste, kein Ungeziefer. Pfeffer kannte echte Messiewohnungen. Diese hier war noch harmlos. Vorsichtig schritten er und seine Kollegin durch die Zimmer. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad. Im Türrahmen der Küche blieb Pfeffer stehen und holte sein Mobiltelefon hervor. »Bella«, rief er über die Schulter. »Ich denke, wir haben den Tatort gefunden.«
Die Hauptkommissarin kam hinzu und sah, was Pfeffer meinte. Unten an der altmodischen Anrichte sah man einige Blutspritzer. Der Boden davor hingegen war sauber. Zu sauber für den Rest der Küche.
»Das haben Verena Klein und ihr Freund wohl übersehen«, sagte sie.
»Und wenn sie die Täter waren und den Boden gereinigt haben?«
»Oder wenn sie sich tatsächlich in der Wohnung nur umgesehen haben, ob die Alte irgendwo liegt.«
»Ich rufe die Kollegen von der Spurensicherung.«
Anschließend ging Pfeffer zurück ins Wohnzimmer und sah sich um. Ein Schubfach der Kommode war geöffnet, eine Tür der Schrankwand stand halb geöffnet auf. Überall standen Sachen herum, Bücher, Zeitschriften, leere Bierflaschen. An den Wänden klebten vergilbte, kräftig gemusterte Tapeten. Es hingen auch ein paar Fotos herum. Pfeffer erkannte auf einigen eine noch jüngere Erna Kubelik. Ihm fiel eine uralte Fotografie in Sepiatönung auf, darauf räkelte sich eine nackte Dame neckisch auf einem Diwan. Das Foto war eindeutig zu alt, um die junge Erna Kubelik zu zeigen. Dann gab es noch das kitschige Gemälde einer Landschaft und Katzenbilder. An mehreren Stellen zeugten helle Rechtecke und leere Nägel davon, dass da einmal weitere Bilder gehangen haben müssten.
Pfeffer nahm sich ein Foto von der Wand, das eine fröhliche Erna Kubelik mit zwei lachenden Männern in einem ordentlichen aufgeräumten Wohnzimmer zeigte. Anhand der Tapete konnte Pfeffer den Raum als das Zimmer identifizieren, in dem er stand.
Annabella Scholz kam herein. »Ich kenne das Haus hier«, sagte Max Pfeffer. »Da hat der Bichler Toni gewohnt. Oben im dritten Stock.«
»Jugendfreund?«, fragte die Hauptkommissarin.
»Kann man so sagen. Kein Freund, eher ein Kumpel.« Pfeffer steckte das Foto in seine Manteltasche. »Das Himmelhaus. So haben wir es damals als Kinder genannt. Himmelhaus.«
»Warum das denn?«
»Keine Ahnung. Vermutlich, weil es damals schon so himmelblau angestrichen war. Ich glaube, es ist das einzige blaue Haus hier im Viertel gewesen.« Er ging hinaus in den Flur. »Weißt du was, Bella,