Pechwinkel. Martin Arz

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Pechwinkel - Martin Arz

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Glauben Sie mir, wir haben eine Menge, eine wirkliche Menge Kunst.« Ein Telefon klingelte. »Entschuldigung, da muss ich kurz rangehen.« Sie hob ab und drehte beim Telefonat dem Kriminaler den Rücken zu. Pfeffer ließ unterdessen seinen Blick über die Titel der Auktionskataloge schweifen, die auf dem Schreibtisch lagen. ›Münchner Malerei des späten 19. Jh.‹ und ›Meisterwerke des Blauen Reiters‹ und ›Meister der Moderne‹ und Ähnliches. Offenbar wollte jemand den Chef sprechen und Verena Klein beendete das Gespräch schnell.

      »Stress, hmm?«, fragte Pfeffer.

      Die Studentin seufzte. »Das können Sie laut sagen. Heute hat die Sekretärin einen freien Tag. Vormittags Uni, dann zwei Tage die Woche der Job hier … Ich brauche das Geld. Und natürlich meine Dissertation.«

      »Ihr Lebensgefährte hat uns erzählt, dass Sie promovieren.«

      »Alex«, sagte sie nüchtern. »Der kommt auch zu kurz.« Es klang wie eine einstudierte Antwort, nicht wie der bedauernde Satz einer Liebenden. Sie fuhr sich durch die kastanienbraunen Haare und lächelte Pfeffer gewinnend an. »Sie wollten mich sicher wegen Erna Kubelik sprechen. Ich kann Ihnen nicht viel zu ihr sagen. Sie haben ihre Wohnung gesehen. Sie verwahrloste zunehmend. Sie hatte keinen Antrieb mehr. Wenn das so weiter gegangen wäre, wäre sie noch in ihrem Dreck erstickt. Schlimm.« Verena Klein schüttelte den Kopf. »Und diese seltsamen Freunde, die sie hatte.« Bei Freunde machte sie mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft. »Diese Penner, mit denen sie sich eingelassen hat. Nun ja, immerhin Gesellschaft, nicht wahr?«

      »Sie sind sehr direkt, Frau Klein.«

      »Ich weiß. Aber ich verurteile niemanden. Die armen Kerle haben es schwer genug. Die soziale Organisation, für die ich mich engagiere beziehungsweise engagiert habe, als ich noch etwas mehr Zeit hatte, macht auch Obdachlosenarbeit.« Sie kniff die Augen zusammen und rieb mit der linken Hand darüber. »Ich rede zu viel. In meinem Kopf fährt gerade alles Karussell.«

      »Ich möchte nur ein paar Sachen zu Erna Kubelik wissen.«

      »Ich war Mittwoch vor Weihnachten, also ein paar Tage vor Weihnachten, das letzte Mal bei ihr. Da war sie noch quicklebendig. Als ich dann zum nächsten vereinbarten Termin erschienen bin, hat niemand aufgemacht. Ich habe mir zunächst nichts gedacht und bin immer wieder mal bei ihr vorbeigegangen. Nach zwei Tagen, an denen ich zu allen möglichen Uhrzeiten bei ihr geklingelt habe, habe ich dann den Schlüssel genommen und bin mit Alex in die Wohnung. Aber da war niemand.«

      »Waren Sie in allen Räumen?«

      »Ja.«

      »Küche? Bad? Schlafzimmer?«

      »Ja, sicher doch. Alex hat sogar unter dem Bett nachgesehen.«

      »Und es ist Ihnen nichts aufgefallen?«

      »Nein. Hätte uns etwas auffallen sollen?«

      »Zum Beispiel Blut.«

      »Wo?«

      »Das würde ich gerne von Ihnen wissen.«

      »Nein. Nichts. Wir haben allerdings auch nicht gezielt nach Blut oder so gesucht.«

      »Hatten Sie den Eindruck, dass etwas aus der Wohnung fehlt?«

      Verena Klein zuckte mit den Achseln. »Wie sollte man bei der Wohnung einen Überblick haben, was fehlen könnte?«

      »Hatte sie irgendwelche Wertgegenstände? Etwas, von dem sie vielleicht dachte, es sei wertvoll?«

      »Keine Ahnung.«

      Ein Bulle von einem Mann mit teurem italienischen, aber schlecht sitzenden Anzug stürmte durch die Eingangstür und rief noch im Gehen: »Klein, was macht die Sache mit …« Er stockte, denn er hatte Pfeffer gesehen. Sein Ton wurde umgehend geschäftsmäßig freundlich. »Oh, entschuldigen Sie. Menzl.« Er schüttelte Pfeffer die Hand. »Hat Ihnen Frau Klein nichts zu trinken angeboten? Was kann ich für Sie tun? Sind Sie an etwas Bestimmtem interessiert?« Er lächelte verbindlich. Seine Haare waren für sein Alter viel zu dunkel gefärbt und schimmerten rötlich.

      »Das ist kein Kunde«, sagte Verena Klein. »Kriminalrat Max Pfeffer von der Kriminalpolizei.«

      »Haben Sie etwas verbrochen, Frau Klein?« Der Kunsthändler zog die Stirn kraus.

      »Ich hatte nur ein paar Fragen an Ihre Mitarbeiterin«, sagte Pfeffer. »Bin auch schon fertig. Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen.« Der Kriminalrat verabschiedete sich.

      »Was wollte er?«, fragte Hans-Albert Menzl, nachdem Pfeffer das Büro verlassen hatte. Sein Anzug spannte, als er sich mit beiden Fäusten und durchgestreckten Armen auf dem Schreibtisch aufstützte.

      »Er kam wegen der Kubelik.« Verena Klein sah nicht zu ihm auf, sondern schaltete den Computer an.

      Menzl atmete scharf ein. Seine Augen wurden zu Schlitzen. »Und?«, fragte er scharf.

      »Nichts. Ich habe sie betreut, und dazu hat er mich befragt. Das war alles.«

      »Sicher?« Er beugte sich drohend vor. Verena Klein sah zu ihm auf und wich nur ein wenig zurück.

      »Ich lüge nicht«, sagte sie bestimmt.

      »Gut, das will ich dir auch nicht geraten haben. Wir haben eine Vereinbarung.« Er tippte den Code in die Tastatur und öffnete die Tür zum Kunstlager.

      09

      Die Sonne kitzelte Annabella Scholz in der Nase, als sie durch die große Glasfront hinunter auf die gusseisernen Bögen der Hackerbrücke und die Eisanbahngleise sah. Wie klein die Autos und Menschen von hier aus aussahen. Die Wartenden an der S-Bahn-Station wirkten wie Figuren in einer Miniaturwelt. Dazu passten die geräuschlos vorbeifahrenden Züge. Vom obersten Stock des modernen Bürogebäudes wirkte alles so fern, sauber und putzig. Unwirklich. Wie ein gestrandetes Ufo lag auf der anderen Straßenseite gegenüber das Oval des neu gebauten Busbahnhofs. Wenn Annabella den Blick hob, konnte sie hinter der Hackerbrücke den Hauptbahnhof sehen und dahinter die Türme der Frauenkirche.

      »Gefällt es Ihnen?« Michael Kreutzpaintner betrat den Raum, in dem Annabella Scholz auf Weisung der sehr bescheiden freundlichen Empfangsdame gewartet hatte. Die Firma MuK-Bau hatte ihre Büros im obersten Stock eines modernen Neubaus im Arnulfpark direkt an der Hackerbrücke. Kreutzpaintner trug eine runde Hornbrille, die ihm etwas Eulenartiges gab und zurückgegelte Haare, die sich auf dem Kragen seines Clubjackets wellten. Er durchmaß mit großen Schritten das elegant im Stil einer Kaffeelounge eingerichtete Zimmer, schüttelte der Hauptkommissarin ein wenig zu kräftig die Hand und stellte sich neben sie, um den Ausblick zu genießen. »Ein Traumblick, nicht wahr?«

      »Ja, sehr schön«, sagte Annabella Scholz. »Macht Fernweh.«

      »Finde ich auch.« Kreutzpaintner lächelte ölig. »Darum haben wir auch sofort zugeschlagen, als wir dieses Objekt angeboten bekommen haben.«

      »Ihnen gehört das ganze Haus?«

      »Nein, nur die Räume hier. Gemietet. Wir bauen nicht neu. Das ist nicht unsere Philosophie. Wir kaufen heruntergekommene Juwelen und verleihen ihnen wieder den Glanz, den sie verdienen.«

      »Ach, texten Sie auch Ihre Werbebroschüren.«

      Der

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