Geldsack. Martin Arz
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»Na, gestern wieder mal über den Durst getrunken?« Wie immer laut und polternd betrat der Hausmeister den Raum, in dem die Werkzeuge gelagert wurden. »Junge, Junge. Das ist ein sauberes Veilchen. Schlägerei? Schon wieder?« Er lachte.
»Nein«, murmelte Lorenz Stockmair und drehte sich weg, sodass der neugierige Hausmeister ihn nicht näher unter die Lupe nehmen konnte. »Bin gestern im Dunkeln gegen einen Türstock gerannt. Ganz undramatisch, Schorsch.«
»Du solltest weniger saufen, Lenz!«, dröhnte der Hausmeister, dessen Nachnamen Lenz nicht wusste, weil auf ihren Namensschildern nur die Vornamen standen. Namensschilder mussten sie alle tragen.
Lenz nickte ergeben, um der Situation zu entkommen. »Ich saufe nicht«, murmelte er dennoch ebenso leise wie trotzig.
»Ha?!«, fragte der Hausmeister und zog die Augenbrauen fragend hoch.
»Nix«, sagte Lenz Stockmair laut. »Gar nix.«
»Habs schon gehört«, grunzte Schorsch, der Hausmeister. »Bist du sicher, dass du nicht säufst? Bei deinem Verletzungsaufkommen …« Schorsch öffnete seinen Spind und schälte sich aus der leichten Sommerjacke. Dann zog er sich Schuhe und Hose aus, holte seinen frisch gewaschenen und gestärkten dunkelblauen Overall heraus, auf dessen Rücken in großen weißen Lettern »Maintenance« prangte und stieg hinein.
»Ich muss jetzt anfangen.« Lenz griff sich den Rasentrimmer, strich sich seine grüne, ebenfalls frisch gewaschene und gestärkte Arbeitsschürze zurecht und überprüfte den perfekten Sitz seines Namensschilds. Sie mussten jeden Tag frische Arbeitskleidung anziehen. Das gehörte dazu. Die Sachen legten sie jeden Feierabend in einen weißen Wäschekorb neben dem Eingang, und am nächsten Morgen hingen sie gewaschen und gestärkt in den jeweiligen Spinden. Aber einen vernünftigen Spiegel hatte man ihnen bisher nicht zukommen lassen. »Die Rasenkanten schneiden sich nicht von allein.«
»So früh?«
»Es ist genau sieben. Also darf ich loslegen. Und das Ding ist eh ganz leise.«
»Nicht, dass du dann noch von dem großkopferten Grobzeug eine auf den Deckel kriegst, weil du sie aus dem Champagnerkoma mähst.« Der Hausmeister lachte wieder dröhnend und klopfte Lenz auf die Schulter. Lenz sah die Hand aus den Augenwinkeln kommen und zuckte unwillkürlich zusammen wie ein handscheuer Hund. Er lächelte sein Zucken verlegen weg.
»Champagnerkoma«, wiederholte Lenz grinsend und wog den Rasentrimmer in der rechten Hand. »Der war gut.« Schorsch sagte immer so lustige Sachen und fand immer treffende Beschreibungen für ihre Kundschaft. Die eine aus dem neunten Stock nannte er immer Botoxzombie. Treffender hätte es Lenz nicht ausdrücken können. »Schönen Tag noch, Schorsch.«
Der Hausmeister brummte etwas, während Lenz den Kellerraum verließ und die Treppen zum Hinterausgang hochstapfte. Unterwegs schob er sich erneut eine Ibuprofen in den Mund und zerkaute sie. Er futterte Schmerztabletten wie Smarties. Der bitter-mehlige Geschmack beruhigte ihn. Als er die Tür zum hinteren Garten öffnete, purzelte ihm fast ein Pärchen in die Arme, das sich knutschend an die Tür gelehnt hatte. Der immer grimmig dreinschauende Bursche aus dem siebten Stock hatte offenbar wieder mal eine erfolgreiche Nachtjagd hinter sich.
»Scheiße, Lenz«, knurrte der grimmige Bursche und hielt seine Eroberung fest, die beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. »Kannste nicht aufpassen?«
»Verzeihung, Herr Dollmann«, sagte Lenz Stockmair unterwürfig und blinzelte ins zarte Licht des frühen Morgens.
»Und nenn mich nicht Herr Dollmann!«, rief der junge Mann verärgert. »Mein Alter ist Herr Dollmann, wie oft soll ich dir das noch sagen, Lenz. Ich bin der Timo. Wir müssen doch gegen die da oben«, er machte eine Kopfbewegung gen Himmel, die seine langen, verfilzten Rastalocken in Wallung brachte, »gegen die da zusammenhalten. Ich bin einer von euch, Lenz. Vergiss das nicht.«
»Sicher, Herr … Timo. Schönen Tag noch.« Lenz ließ das Paar stehen.
»Und sauf nicht so viel, Lenz«, rief Timo Dollmann ihm hinterher. »Schaust übel aus. Wilde Nacht, hä?« Der Bursche und sein kichernder Aufriss gingen durch die offene Kellertür ins Haus.
»Ich saufe nicht, blöder Kiffer«, knurrte Lenz wütend, während er den Rasentrimmer anwarf und begann, die längeren Grashalme entlang der Buchsbaumhecke zu schneiden. »Ich. Saufe. Nicht. Verdammt noch mal.« Er war so aufgewühlt, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Vorsichtig tupfte er mit einem Papiertaschentuch am lädierten linken Auge herum. Den Trimmer führte er einhändig weiter. Das konnte er quasi blind. Ein Mann im dunklen Anzug kam auf dem Gehweg vorbei und grüßte kurz. Lenz nickte. Irgendjemand von der Security, den er nur vom Sehen kannte. Vorne an der Straße rumpelte eine Straßenbahn vorbei. Sein Trimmer ruckelte. Das Gerät setzte den Bruchteil einer Sekunde aus, so als hätte es etwas zu Hartes getroffen, dann schnurrte es wieder weiter, setzte noch einmal kurz aus und stotterte dann. Lenz schaltete das Gerät aus. Er wischte sich ein letztes Mal die tränenden Augen und bückte sich dann, um zu überprüfen, ob Zweige oder Steinchen in die Maschine gekommen waren. Das konnte vorkommen, durfte es aber eigentlich nicht. Er hatte erst am Vortag die niedrige Hecke akkurat gestutzt und war sich sicher, dass er alle Äste und Zweiglein auch restlos beseitigt hatte. Da war er akkurat. Lenz beugte sich zu der Hecke und tastete den Boden ab. Er bekam zwei kurze, dickliche Aststücke zu fassen, legte sie in seine rechte Handfläche und starrte stirnrunzelnd darauf. Seltsame Farbe, so blass und hell und ungewöhnlich dunkel an der Schnittstelle. Er hob eines der Stückchen mit Daumen und Zeigefinger hoch und führte es nah an sein gesundes Auge. Er hielt es gegen das Licht. Mit einem erstickten Schrei ließ er es fallen, als er erkannte, was er aufgehoben hatte. Er warf auch das zweite Stückchen weit weg und wischte sich angeekelt die Hände an der Schürze ab. Lenz schnappte kurz nach Luft und sah sich panisch um. Irgendwo sang ein Vogel. Dann ging Lenz Stockmair auf alle viere, legte den Kopf fast auf die Wiese und stierte angestrengt durch die Büsche. Dem Mann, der dort lag, fehlten nun Mittel- und Zeigefinger der linken Hand. Er würde sie freilich auch nicht vermissen, denn der deformierte Schädel, aus dem etwas Großes, Transparentes ragte, in dem sich die ersten Sonnenstrahlen brachen, ließ keinen Zweifel daran, dass der Mann nie mehr etwas vermissen würde.
02 Max Pfeffer nippte an dem Cappuccino, den er sich beim Bäcker an der Müllerstraße geholt hatte, und kratzte sich am Bart. Der hatte die Länge, in der er zu jucken begann. Zeit, sich wieder mal zu rasieren. Alles runter bis auf ein paar Millimeter. Niemand vom Team sprach ihn an. Man wusste, dass der Chef in der Frühe gerne maulfaul war und erst einmal genug Koffein getankt haben musste.
Die Rechtsmedizinerin richtete sich auf und zwinkerte Kriminalrat Pfeffer zu. »Servus, Maxl«, rief sie einen Tick zu fröhlich angesichts der Leiche, neben der sie kniete.
»Servus, Pettenkoferin«, antwortete Max Pfeffer und prostete ihr mit dem Kaffeebecher zu. Er stand noch hinter dem Absperrband, um die Spurensicherung nicht zu stören. Er hörte vorne an der Müllerstraße die Straßenbahn.
Dr. Gerda Pettenkofer stemmte sich hoch, was ihr angesichts ihrer wogenden Pfunde nicht leicht fiel, wischte sich über die Knie und kam zu Max Pfeffer herüber. »Hast du mal einen Schluck für mich?« Sie wollte ihm den Pappbecher aus der Hand nehmen.
Pfeffer zog seine Hand zurück. »Nein«, sagte er ruppig. »Du weißt, dass ich das hasse. Ich hol dir gleich deinen eigenen, wenn du willst.«
»Super